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News am Samstag: Ampel-Koalition, Panzer, Deutsche Bahn

Nichts Genaues weiß man nicht

Ja, es ist Wochenende, das gilt (hoffentlich) für Sie, das gilt für mich. Es gilt nur eingeschränkt für die Ampelkoalition. Die trifft sich am Sonntagabend zum Koalitionsausschuss.

Es hat schon Treffen unter einfacheren Vorzeichen gegeben, also ohne einen Vizekanzler (Robert Habeck, falls es Ihnen kurz entfallen sein sollte), der den Koalitionspartnern Vertrauensbruch vorwirft. Und ohne eine FDP, die sich gerade an den Verbrennermotor klammert wie die katholische Kirche an die Lehre von der Jungfrauengeburt.

Und jetzt würden Sie von mir natürlich gern wissen, wie das ausgeht, was vom Sonntag zu erwarten ist. Ich muss Sie da enttäuschen. Ich verweigere die Aussage.

Es ging diese Woche an dieser Stelle schon mal darum, wie oft ich in den letzten Jahren schiefgelegen, wie viel ich nicht kommen gesehen habe. Das ist der eine Grund, warum ich hier keine Prognose abgeben möchte (obwohl das streng genommen meine Aufgabe wäre). Der andere Grund ist, dass ich mir vor knapp eineinhalb Jahrzehnten geschworen habe, mich vor politischen Ereignissen, insbesondere an Wochenenden, nie festzulegen.

Damals war noch Kurt Beck SPD-Vorsitzender. (Die Älteren unter Ihnen erinnern sich, das war der Mann, der vergleichsweise viel Haar im Gesicht trug, aber einmal zu einem Arbeitslosen sagte, er möge sich waschen und rasieren, dann werde er schon einen Job finden.) Es lief schon länger nicht überragend für Beck (noch mal schlechter als gerade für Friedrich Merz), allmählich rückte die Bundestagswahl 2009 näher, und es stellte sich die Frage, ob Beck überhaupt noch ein akzeptabler Kanzlerkandidat sein könne (natürlich nicht).

Zu dieser Zeit, ein Jahr vor der Wahl, stand eine Klausur der SPD-Spitze am Schwielowsee an, und viele Menschen fragten sich, was dort wohl passieren würde. Ich lebte damals in Frankfurt und fragte mich das auch. Ich weiß noch genau, dass ich damals den Hessischen Rundfunk einschaltete und ein Radiokollege mir (und allen anderen Hörerinnen und Hörern) in einem etwas genervten Ton erklärte, dass ja derzeit vor jedem SPD-Treffen spekuliert und gefragt werde, ob denn jetzt eigentlich ein Kanzlerkandidat gekürt würde. Aber, so erinnere ich die letzten Worte dieses Beitrags, das werde auch an diesem Wochenende nicht passieren. Überhaupt werde rein gar nichts passieren.

Okay, Kurt Beck schmiss dann hin, Frank-Walter Steinmeier wurde Kanzlerkandidat, und durch die SPD lief das größte Beben seit Günter Guillaume. Ich habe in den Jahren danach immer mal wieder an den Kollegen gedacht und mich gefragt, ob ihm wohl manchmal noch dieser Beitrag durch den Kopf geht.

Von mir jedenfalls werden Sie nichts dazu lesen, wie wohl dieser Koalitionsausschuss endet.

Panzer und andere Fragen

Ich habe diese Woche viele Mails von Leserinnen und Lesern bekommen, darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich bekomme Hinweise, werde gelobt, verbessert, selten beschimpft, und all das tut gut, weil man ja nicht immer sicher ist, dass da draußen überhaupt jemand liest, was man so verfasst. Manchmal schreiben mir auch Leser, die mir vor einiger Zeit schon geschrieben haben, vor einem halben Jahr oder vor drei Monaten. So war das auch diese Woche.

Der Leser, den ich meine, war zu Beginn des Jahres noch an der deutschen Haltung zu Panzerlieferungen in die Ukraine verzweifelt, an der Zögerlichkeit, an der Zeit, die aus seiner Sicht verloren ging, während die Ukraine um ihr Überleben kämpfte. Er regte damals an, dass ich doch mehrere Sozialdemokraten, die damals besonders skeptisch waren, mal etwas eingehender befragen, sie mit der Realität in der Ukraine konfrontieren sollte.

Diese Woche hat er mir wieder geschrieben. Es ging um ein anderes Thema, aber in einem Nebensatz fügte er an, dass die Panzerfrage ja mittlerweile erledigt sei. Das stimmt. Deutschland liefert.

Günter Grass hat mal behauptet, der Fortschritt sei eine Schnecke. In diesem Fall war er eine Schildkröte auf Koks. Mindestens.

Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Uno wirft Russland und Ukraine willkürliche Exekution von Gefangenen vor: »Wir sind zutiefst besorgt«: Eine Uno-Vertreterin hat Zahlen zur Hinrichtung von ukrainischen und russischen Kriegsgefangenen veröffentlicht. Sie lassen sich nicht direkt vergleichen, zeigen aber brutale Gewalt auf beiden Seiten.

  • In Putins Schatten: Außenministerin Annalena Baerbock besucht Georgien – und erlebt ein gespaltenes Land. Während die junge Generation in die EU drängt, ist die Furcht vor Russlands Einfluss allgegenwärtig .

  • Jetzt kämpft Russland mit Panzern aus dem Museum: Moskau holt offenbar Panzer aus den späten Vierzigerjahren aus den Lagerhallen. Trotz veralteter Technik sind sie für die Ukrainer nicht ungefährlich – und sagen viel über den Zustand der russischen Industrie aus .

Es bröselt

Ich bin, jedenfalls zum Teil, durch die Lektüre von Asterix-Bänden sozialisiert worden (außerdem durch die katholische Kirche und die Grundausbildung bei der Bundeswehr, aber das tut hier nichts zur Sache). Manche Asterix-Bände prägen bis heute meine Sicht auf die Welt, zum Beispiel denke ich seit »Asterix bei den Belgiern«, dass es in Belgien fantastisches Essen gibt (was, wenn man Frittiertes nicht wirklich mag, ein großer Irrtum ist). Und seit dem »Kampf der Häuptlinge« bin ich strikt gegen Drogenmissbrauch.

Warum ich das erzähle? Weil ich auch »Asterix bei den Schweizern« gelesen habe und seither der Überzeugung war, dass Schweizer insgesamt sehr langsam sind, vor allem, wenn sie einem etwas erklären wollen. Das ist jetzt aber vorbei. Ich habe mein Bild da korrigiert.

Das habe ich meinem Kollegen Serafin Reiber zu verdanken, der aus der Schweiz kommt und überhaupt nicht langsam ist. Vor allem nicht, wenn es um die Bahn geht.

Der Mann kann (obwohl Schweizer) problematische Stellen im Streckennnetz auf den Quadratzentimeter genau lokalisieren. Er kann wahrscheinlich sogar erklären, an welcher Weiche welche Verspätung entstanden ist. Deshalb werfe ich mir vor, dass ich ihm die letzten Wochen nicht immer aufmerksam zugehört habe, wenn er über den Berliner Hauptbahnhof geredet hat.

Dazu muss man wissen, das unser Berliner Büro neben dem Hauptbahnhof liegt, die Schienen führen direkt vor den Fenstern vorbei (oder, so hört sich das manchmal an, direkt da durch). Jedenfalls war ich in den letzten Monaten offenbar nicht immer komplett aufmerksam, wenn Serafin auf die Schienen gezeigt und mir etwas erklärt hat. Ich habe noch vage in Erinnerung, dass er sagte, mit dieser Brücke werde es nicht mehr lange gut gehen.

Jetzt hat er darüber eine Geschichte für den aktuellen SPIEGEL geschrieben. Lesen Sie das. Wirklich. Das sollte man wissen.

Hier geht's zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Wie hoch ist die Pro-Kopf-Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland?

Verlierer des Tages…

…bin ich. Sind wir alle. Das ist ein bisschen albern, weil es nur um eine Stunde geht. Aber wenn im Herbst auf die Winterzeit umgestellt wird, habe ich immer ein paar Tage gute Laune, weil ich in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine Stunde mehr habe. Und jetzt, vor der Sommerzeit, habe ich schlechte Laune. Samstagnächte sind eh immer zu kurz.

Vergessen Sie nicht, in der Nacht zum Sonntag die Uhr umzustellen.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • »Helfen beim kalten Entzug«: FDP-Fraktionsvize Meyer wirft SPD und Grünen »ungezügelte Ausgabensucht« vor

  • Verheerender Wirbelsturm: Mindestens sieben Tote bei Tornado in Mississippi

  • Uno-Ermittlungen: Ukraine verwahrt sich gegen Vorwurf willkürlicher Exekutionen von Kriegsgefangenen

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Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • »Ein Jahresgehalt von 300.000 Dollar ist natürlich verlockend«: Für diesen Job muss man keine Programmiersprache können: Prompt Writers bringen künstliche Intelligenzen dazu, optimale Ergebnisse zu liefern. Ein Literaturwissenschaftler erzählt, wie er sich so ein zweites Standbein aufgebaut hat .

  • Wie junge Frauen zu Aktionärinnen werden: Früher waren Aktien ein Männerthema, jetzt holen Frauen auf. Gerade die Jüngeren drängen an die Börse. Was hat Finanz-Content bei TikTok, Instagram und YouTube damit zu tun? 

  • Kann das klappen? Fachlich ist er über alle Zweifel erhaben. Aber wird der Wechsel von Thomas Tuchel nach München eine Erfolgsgeschichte? Seine Stationen in Paris und Chelsea legen den Schluss nahe – zumindest kurzfristig .

  • Warum lädt mein Handy so langsam? Immer mehr Geräte kann man heute per USB-C-Stecker aufladen. Doch das kann manchmal Stunden dauern. Wenn es richtig schnell gehen soll, müssen Nutzer einiges beachten .

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Ihr Christoph Hickmann, stellvertretender Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros