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Pfund-Schwäche und Brexit: "Großbritannien ist kräftig zurückgefallen"

Kaum hat der neue britische Finanzminister sein Programm vorgestellt, ist die Währung auf Talfahrt gegangen. Im Podcast "Die Stunde Null" erzählt Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, über eine Regierung in Finanznöten und die Aussichten für Deutschland nach der Rezession.

Stunde Null: Nachdem der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng sein Programm zu Steuersenkungen und Energiehilfen vorgestellt hatte, ist es zu einer massiven Reaktion gekommen. Das Pfund stürzte im Verhältnis zu anderen großen Währungen ab. Haben die Märkte überreagiert?

Holger Schmieding: Grundsätzlich haben die Märkte recht. Die Briten gehen jetzt wesentlich mehr ins Haushaltsdefizit als gedacht. Es gab ja bereits vor etwa drei Wochen die Ankündigung von Premierministerin Liz Truss, die Haushalte und Unternehmen weit mehr zu unterstützen, als sie das vorher angekündigt hatte. Jetzt kommt zu dieser Überraschung noch dazu, dass sie auch die Steuern senken will. Also deutlich mehr Staatsausgaben und niedrigere Steuern. Das war dann wohl zu viel für die Märkte.

Die britische Regierung argumentiert ja, dass es ihr darum geht, eine Rezession zu vermeiden und dass das der Weg ist, den sie gehen will.

Natürlich ist es so, dass vor allem Maßnahmen, die den Anstieg der Energiepreise für Haushalte und Unternehmen eingrenzen, die Rezession dämpfen. Sie dämpfen den Inflationsdruck. Das hilft tatsächlich. Steuersenkungen wirken dagegen erst langfristig. Es braucht sehr lange, bis die Unternehmen darauf mit mehr Investitionen reagieren. Gerade in einer Rezession, in der Großbritannien genau wie Deutschland wahrscheinlich jetzt bereits steckt.

Jetzt hat sich die britische Regierung mit diesem Programm in eine Ecke manövriert. Ein schwaches Pfund kann ja für die Wirtschaft zum Problem werden.

Das schwache Pfund ist kein sehr großes Problem. Natürlich werden Einfuhren dadurch etwas teurer, aber die Wirtschaft kann etwas günstiger exportieren. Aber natürlich besteht ein Risiko, wenn das Ganze noch weitergeht und wenn damit möglicherweise die Zinsen noch stärker steigen müssen. Das kann dann zur Folge haben, dass sich Anleger aus Großbritannien zurückziehen.

Der Versuch der britischen Regierung, die Rezession abzuwenden, ist also im Grunde zum Scheitern verurteilt, wie Sie sagen. Was ist denn mittelfristig für das Land zu erwarten?

Eigentlich kommt es gar nicht so sehr auf das an, was jetzt gerade passiert. Viel wichtiger ist der Brexit und seine Folgen. Wir sehen seit dem Brexit-Referendum vom Juni 2016, dass Unternehmen aus Großbritannien und aus der ganzen Welt deutlich weniger im Land investieren als vorher. Großbritannien ist als Standort für Investitionen gegenüber der Eurozone kräftig zurückgefallen, nachdem es bis 2016 eigentlich insgesamt attraktiver war. Das Land ist eben derzeit kein guter Standort, um dort zu produzieren oder dort Dienstleistungen anzubieten, die dann nach Europa exportiert werden sollen.

Das aktuelle Programm gilt ja auch als Versuch, aus der Brexit-Klemme auszubrechen. Eignet es sich dafür?

Ich halte es für ungeeignet. Das Programm wird ein bisschen was bringen, die Deregulierung wird etwas bringen. Aber im Vergleich zu dem Schaden, den die Unsicherheit über das künftige Verhältnis Großbritanniens zur EU anrichtet, ist das eher zweitrangig. Und da fehlt bisher bei Liz Truss offenbar die Einsicht, was das Land wirklich voranbringen würde. Es ist für sie als britische Konservative natürlich auch schwierig zuzugeben, dass es mit dem Brexit nicht so gut läuft, wie einmal versprochen wurde.

Das ganze Gespräch mit Holger Schmieding hören Sie in der neuen Folge von "Die Stunde Null"

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