Wie versprochen, so zerbrochen?
Seit acht Jahren streitet die EU über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Erstmals gibt es seit diesem Frühjahr Hoffnung auf eine Einigung – und damit sinkende Flüchtlingszahlen auch in Deutschland.
Doch diese Einigung steht plötzlich wieder in den Sternen. Grund: Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez (51, Sozialist) hat überraschend das Parlament aufgelöst und Neuwahlen für den 23. Juli angekündigt.
Ausgerechnet der Mann, auf den auch Deutschland so viele Hoffnungen setzt. Denn: Spanien übernimmt ab Juli die EU-Ratspräsidentschaft.
Und Sánchez hatte diesbezüglich betont: Der Abschluss des Migrationspakets sei eine der größten Herausforderungen der spanischen Ratspräsidentschaft. Ziel der Einigung sei u.a.: EU-Staaten wie Deutschland sollen Asylbewerber in die Länder zurückschicken können, in denen sie zuerst in die EU gekommen sind (z.B. Italien).
Dieser Plan schien kurz vor dem Abschluss, hätte Deutschlands Kommunen massiv entlastet. Jetzt ist alles wieder offen!
Hat also auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) zu viel versprochen, als sie Ende April in einem ARD-Interview eine Einigung nach jahrelangem Streit in Aussicht stellte?
Fest steht: Im Vorfeld des Flüchtlingsgipfels im Mai im Kanzleramt hatte Faeser von Fortschritten bei der Abstimmung mit den europäischen Partnern gesprochen. Sie hatte unter anderem Asylverfahren an den EU-Außengrenzen in Aussicht gestellt, die nur noch 12 Wochen dauern sollen.
Auch den Widerstand gegen eine bessere Sicherung der Außengrenzen hat die Bundesregierung aufgegeben, nicht zuletzt aus der Einsicht, dass nur so schärfere Kontrollen an den deutschen Grenzen, etwa zu Polen, vermieden werden können.
Zudem versucht Faeser seit Monaten, die Mittelmeeranrainer für bewachte Transitzentren zu gewinnen, in denen Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive bis zu ihrer Abschiebung festgehalten werden sollen. Statt sie nach Deutschland durchzuwinken.
Parteifreunde: Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) und Spaniens Noch-Regierungschef Pedro Sanchez (51, r.)
Foto: EPA
Umgekehrt sollte Ankunftsländern wie Italien und Spanien eine bessere „Abnahme“ von registrierten Flüchtlingen mit Bleibeperspektive in Aussicht gestellt werden. Ein EU-Verteilungsmechanismus, der bislang vor allem am Widerstand Ungarns scheitert.
Doch dann das: Bei den spanischen Regional- und Kommunalwahlen haben die regierenden Sozialisten von Sánchez am Wochenende eine herbe Niederlage erlitten. Unter anderem verloren sie die Metropolen Madrid und Barcelona.
Sánchez beschloss daraufhin, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen: Statt wie bisher geplant Ende des Jahres soll nun bereits am 23. Juli neu gewählt werden.
Das Problem: Spanien übernimmt am 1. Juli die Ratspräsidentschaft und muss den Flüchtlingspakt, für den die Zustimmung von Rat, Kommission und EU-Parlament nötig ist, durchbringen.
Kann das gelingen, wenn Spanien in den nächsten Monaten vor allem mit sich selbst beschäftigt ist? Unklar, sagt Lena Düpont (37, EVP), migrationspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.
Düpont zu BILD: „Der Zeitplan für eine Einigung auf einen EU-Pakt zu Migration und Asyl noch in dieser Legislaturperiode ist extrem eng. Es ist daher völlig unverantwortlich von Pedro Sánchez, in einer so sensiblen Situation taktische innenpolitische Manöver über europäische Interessen zu stellen.“
Weiter sagt sie mit Blick auf die SPD-geführte Bundesregierung: Diese Unsicherheit schade „letztlich auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser.“
Der dienstälteste EU-Abgeordnete Markus Ferber (58, CSU) bleibt zuversichtlich, sagt zu BILD: „Ich bin mir sicher, dass auch eine neue spanische Regierung unter der Führung der ‚Partida Popular‘ sich für eine schnelle Einigung beim Migrationsabkommen einsetzen wird. Im Europäischen Parlament jedenfalls waren die Abgeordneten der ‚Partida Popular‘ immer für dieses Abkommen.“