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Proteste gegen Null-Covid: Chinas Bevölkerung stößt an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit

Proteste gegen Null-Covid Chinas Bevölkerung stößt an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit

Die Wut über Xi Jinpings Null-Covid-Politik treibt Chinesen und Chinesinnen auf die Straßen. Es rumort in Chinas unpolitischer Gesellschaft. In welche Richtung entwickelt sich der Protest?

Aus der chinesischen Millionenstadt Hangzhou meldet ein Augenzeuge an diesem Morgen eine für ihn befremdliche Szenerie: Auf der Straße entlang des Personenverkehrszentrums geht eine Gruppe von mehr als hundert Leuten im Regen spazieren. Sie sprechen kein Wort. Sie halten keine Schilder hoch. Gespenstisch. Mehrere Polizisten und zwei Verkehrspolizisten verfolgen die Menschen den ganzen Weg. Hartnäckig und ausdauernd.

Der Social-Media-Nutzer aus Hangzhou stellt seine Beobachtung mit den Protesten gegen die Null-Covid-Politik unter Xi Jinpings Regierung in Zusammenhang, die am Wochenende von Shanghai bis nach Peking an mindestens 16 Orten landesweit aufgeflammt sind. Eine Leserin twittert dazu die Erklärung für das Schweigen der stummen Demonstration: "Wir alle wissen doch, dass wir einer gewissen Partei alle Worte der Zustimmung und Ablehnung überlassen haben. Daher müssen wir nicht reden. Mit unseren Körpern zeigen wir unsere Meinung."

Offensichtlich hat sich die Stimmung in China gedreht. Die Zustimmung zu Xi Jinpings ganz eigenem Weg durch die Corona-Pandemie nimmt rasant ab. Während die Behörden Rekorde bei den Neuinfektionen registrieren, bereits neue Lockdowns und massive Eingriffe in den Lebensalltag drohen, gehen die Menschen in Ürümqi, Zhengzhou, Guangzhou, Peking und Schanghai für ihre Freiheit auf die Straße. Auslöser der Proteste war ein tödlicher Wohnhausbrand in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi, bei dem am Donnerstag zehn Menschen starben. Aus Angst, gegen die Ausgangssperren zu verstoßen, waren Bewohner gar nicht oder zu spät aus dem brennenden Gebäude geflohen. Lockdown-Gitterzäune hielten die Feuerwehr auf.

Der Unterschied zu Deutschland

Proteste gegen Corona-Beschränkungen gab es auch in Deutschland, aber damit enden die Parallelen schon. Die Querdenker-Demos in Deutschland waren nicht leise, sondern laut. Selbst ein Fackelauflauf vor dem Haus von Sachsens Gesundheitsministerin wurde geboten.

Mit der Lockerung der Corona-Regeln im März 2022 gingen die Proteste in Deutschland zurück. China, das einen weitaus rigideren Kurs verfolgt, konnte dagegen bislang auf die stoische Geduld seiner Bevölkerung vertrauen. Nur vereinzelt hatte sich Widerstand gezeigt. Das prominenteste Beispiel aus jüngster Zeit ist das Protestbanner an der Sitong-Brücke in Peking kurz vor dem 20. Parteitag: Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen keine Lockdowns, hieß es darauf.

Widerstand des weißen Blatts

Schon am Samstagabend war es in Schanghai zu Protesten gekommen. Hunderte von Menschen versammeln sich zu einer Kerzenmahnwache auf der Ürümqi-Straße. Viele von ihnen halten weiße Papierbögen hoch - ein symbolischer Protest gegen die Zensur. In Sprechchören rufen sie immer wieder: "Xi Jinping, lege dein Amt nieder." Wie bei den Studentenprotesten von 1989 werden auch diesmal Aktionen von Studierenden organisiert. Am Sonntag formiert sich Protest vor der elitären Tsinghua Universität in Peking. Ein Student hält ein weißes Blatt hoch. Die Kommilitonen rufen in Endlosschleife: "Demokratie, Rechtssystem, Meinungsfreiheit."

In der Provinz Shanxi westlich von Peking wird ein Mann erst von den anwesenden Polizisten daran gehindert, auf einem öffentlichen Platz ins Mikrofon zu sprechen. Nachdem das Publikum sich für ihn einsetzt, fordert er sein Recht auf Arbeit, um sein Zuhause behalten zu können. Überall sieht man Masken. Auch wenn der Widerstand als Reaktion gegen die strikte Corona-Politik entstanden ist, sind sich die Chinesen und Chinesinnen des Ansteckungsrisikos sehr bewusst. Oder dient die Maske dazu, nicht erkannt zu werden?

Protest bringt Punktabzug

Es ist die Flucht aus der ausweglosen Spirale einer verfehlten Corona-Politik, die viele Chinesen nun auf die Straßen treibt, sie antreibt. Und es ist die Flucht nach vorn, nachdem durch die Teilnahme an den ersten Protesten im Überwachungsstaat China ernste Repressalien zu befürchten sind. Im sogenannten Social-Credit-System, das gutes Verhalten belohnt und schlechtes bestraft, zieht die Teilnahme an illegalen Protestaktionen - und jeder Protest ist illegal - einen empfindlichen Punktabzug nach sich, der zu Nachteilen im Alltagsleben wie Reisebeschränkungen und Schlimmerem führt.

Auch die Corona-App wurde zu einem Überwachungsinstrument ausgebaut. Die kommenden Tage werden zeigen, wie die Regierung mit dem ungewohnten Widerstand umzugehen vermag. Vorerst berichten die Menschen aus Hangzhou, Schanghai und Peking von einem stark erhöhten Polizeiaufkommen. Proteste gab es am Montag nicht - auch keine Berichte darüber in den chinesischen Medien.