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Renner im Interview: "Die Razzia wirkt wie eine PR-Aktion"

Als Sondereinsatzkommandos am Mittwochmorgen in der Dunkelheit bei den rechten Terrorverdächtigen anrücken, sind zum Teil TV-Kameras da, um den Einsatz zu filmen. “Manche Pressevertreter wussten schon seit zwei Wochen von der Razzia”, sagt die Linken-Abgeordnete Martina Renner. Dass die Infos im Vorfeld so breit gestreut wurden, hält die Extremismus-Expertin für unverantwortlich.

ntv.de: Der Einsatz gegen die mutmaßliche Terrorgruppe um den Prinzen und die AfD-Frau war sehr bildstark. Kolleginnen und Kollegen konnten sich schon vorher in Position bringen ...

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Martina Renner ist Sprecherin für Antifaschistische Politik der Linken-Fraktion im Bundestag.

(Foto: picture alliance/dpa)

Martina Renner: Ich selbst wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon, und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten. Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs.

Sogar die Namen waren bekannt?

Ja. Dabei waren die Pläne für die Razzia vom Generalbundesanwalt als geheim eingestuft worden. Es sollten also keine unbefugten Dritten davon erfahren, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Geheimhaltung ist aber schwierig, wenn man vorher Zielpersonen und Uhrzeiten durchgibt. Hier wurde riskiert, dass eine monatelang geplante Aktion am Ende schief geht.

Alle Personen, die per Haftbefehl gesucht wurden, konnten offenbar festgenommen werden, niemand war flüchtig. Dieser Erfolg spricht nach Darstellung von Innenministerin Nancy Faeser dafür, “dass vorher nichts rausgedrungen ist”. Stimmen Sie ihr zu?

Nein, das lässt sich derzeit überhaupt noch nicht beurteilen. Die Mitglieder der Gruppe halten ihr Handeln, auch die geplante Gewalt, für legitim. Sie fantasieren sich dazu ein “Recht auf Widerstand” herbei, das den Terror begründen soll. Dazu würde nicht unbedingt passen, dass man dann vor der Polizei flüchtet und untertaucht. Um zu beurteilen, ob die Umstürzler vorher vor der Razzia wussten, wird man erst die beschlagnahmten Datenträger und weiteres Material auswerten müssen. Wenn dort in auffälliger Weise Material gelöscht wurde, Dinge verschwunden sind, dann würde das dafür sprechen, dass die mutmaßlichen Terroristen die Razzia erwartet haben.

Welche weiteren Risiken birgt ein Zugriff, der vorher kommuniziert wird?

Wer riskiert, dass die Daten über einen Zugriff bis zu dem Beschuldigten durchsickern, riskiert auch, dass der morgens vielleicht mit einer Waffe aus der Tür tritt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man bei Reichsbürgern befürchten muss, dass sie sich gegen eine Festnahme wehren - auch mit Waffen. Insgesamt waren und sind heute 3000 Beamte bei der Razzia im Einsatz, nicht alle davon sind Spezialkräfte. Wer immer die Daten über diesen Eingriff so offen streute, hat damit die Einsatzkräfte gefährdet.

Aus welchen Gründen sollte ein Mitglied einer beteiligten Behörde oder die Behörde selbst ein solches Risiko eingehen?

Die Infos waren derart breit gestreut, dass es wie eine PR-Aktion wirkt. Die kann den zuständigen Behörden und Ministerien als Arbeitsnachweis dienen. Sie zeigt, dass die Politik nicht nur Aktionspläne gegen rechts verabschiedet, sondern gegen die Terrorgefahr auch erfolgreich vorgeht. Das steht aber mit dem Risiko, das dadurch für den Einsatz und die Einsatzkräfte entstanden ist, in absolut keinem Verhältnis. Terrorabwehr müssen staatliche Stellen mit höchster Sensibilität betreiben, auf keinen Fall darf sie zur Show werden.

Mit Martina Renner sprach Frauke Niemeyer