
Koalitionspartner Christian Lindner (FDP), Ricarda Lang (Grüne), Lars Klingbeil (SPD)
Foto: Michael Kappeler / dpaDie Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zweifelt daran, dass alle von der Koalition vorgesehenen beschleunigten Autobahnprojekte auch wirklich schneller realisiert werden. »Sehr wahrscheinlich werden nicht alle dieser 144 Autobahnprojekte am Ende beschleunigt gebaut«, sagte Lang den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Planung werde »nur dann beschleunigt, wenn die zuständigen Länder sagen: Wir wollen das«, fügte sie hinzu. Die Grünen sind derzeit an zwölf Landesregierungen beteiligt. Mit der absehbaren CDU/SPD-Koalition in Berlin wären es dann noch elf.
Es sei sinnvoll, einzelne Projekte vor Ort genau zu prüfen, betonte Lang. »Zum Beispiel, ob bereits geplante Projekte für weniger Stau oder Unfallgefahren sorgen und deswegen beschleunigt angegangen werden sollten. Oder ob man sich ein Projekt zum Beispiel aus Umweltschutzgründen oder wegen des Lärmschutzes für Anwohnende noch mal anschauen sollte.«
Im Koalitionsausschuss hatten sich SPD, Grüne und FDP auf ein 16-seitiges Papier verständigt, das unter anderem den beschleunigten Ausbau der Autobahnen an 144 Stellen, Milliardeninvestitionen in das Schienennetz und eine Lockerung der Klimaschutzregeln vorsieht. Lang bemängelte, mit den Beschlüssen des Koalitionsausschusses »halten wir die Klimaziele im Verkehr nicht ein«. »Da bleibt eine Lücke, für die es Lösungen braucht.«
Die Ambitionen der Koalition insgesamt beim Klimaschutz reichen Lang nicht aus. Es mache ihr »große Sorgen, wenn soziale Gerechtigkeit zur Ausrede verkommt, statt dass sozial gerechte Klimapolitik umgesetzt wird«, sagte die Politikerin. Sie wünsche sich, dass »alle drei Ampelpartner eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz verspüren« und »dann auch konkret handeln«, sagte die Parteichefin. Insbesondere die Haltung der SPD habe sie beim jüngsten Koalitionsgipfel »ein bisschen überrascht«. Das nun veränderte Klimaschutzgesetz sei schließlich »ein Erfolg« der Großen Koalition gewesen.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai widerspricht skeptische Äußerungen zur Klimapolitik der Koalition: »Im Gegenteil: Die Vereinbarungen des Koalitionsausschusses zur Klimaschutzpolitik sind ein Paradigmenwechsel für Deutschland: Das Klimaschutzgesetz wird aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft überführt«, sagte Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur dpa. Statt unrealistischer Jahresziele einzelner Sektoren zähle künftig das sektorübergreifende Ziel der Klimaneutralität ab dem Jahr 2045.
Djir-Sarai nahm bei seinem energischen Konter in erster Linie Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Visier. »Dieses Ziel kann – auch im Verkehrssektor – nur erreicht werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg dorthin mitgenommen werden«, sagte Djir-Sarai. »Das sollte auch Herr Habeck endlich verstehen. Alles andere führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.« Und: »Der Klimaminister Habeck sollte aufhören, Sündenböcke zu suchen.«
»Bocksture Blockade«
Zustimmung für Habecks skeptische Äußerungen kommt von Umweltverbänden. Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD, sagte, Habeck habe recht, wenn er sage, dass die im Verkehrsbereich vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichten, um die Klimaziele zu erreichen: »Der VCD teilt die Skepsis, dass die Ampel-Koalition den Klimaschutz im Verkehr damit faktisch aufgegeben hat.« Ohne wirksame Instrumente und veränderte Rahmenbedingungen bleibe es bei wohlklingenden Absichtserklärungen.
»Es ist offensichtlich, dass die Ergebnisse des Koalitionsausschusses es noch mal schwieriger machen, die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen«, sagte Benjamin Stephan, Greenpeace-Mobilitätsexperte, der dpa. »Das ist der traurige Erfolg der bocksturen Blockade der FDP, einer SPD, die sich im Zweifel dann doch gegen das Klima und für eine alte Technologie wie den Verbrenner und mehr Autobahnen stellt sowie einer Grünen Partei, die sich nicht gegen diese Übermacht wehren konnte oder wollte.«