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Russland unter Putin: »Wir sind zufrieden, wenn man vor uns Angst hat«

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Warum empört sich das russische Volk nicht?

Erkenntnissen der norwegischen Armee zufolge sind bereits etwa 180.000 seiner Soldaten in der Ukraine gefallen oder verletzt worden. Zum Vergleich: Im sowjetischen Afghanistan-Feldzug wurden etwa 15.000 russische Tote gezählt. Damals sah sich die Führung in Moskau erstaunlich deutlicher Kritik ausgesetzt. Warum also nicht heute? Der Bestsellerautor Dmitry Glukhovsky hat dafür eine düstere Erklärung.

»Wieso erleiden und erdulden die Russen jetzt die riesigen Verluste? Weil dieser Krieg als Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs dargestellt wird«, sagt er, »und wenn wir während es Zweiten Weltkriegs 20 Millionen Menschen verloren haben, dann erscheinen 180.000 plötzlich nicht als so viel. Es handelt sich schließlich um die Fortsetzung unseres größten existenziellen Kampfes gegen das Böse in der Welt.«

Glukhovsky kennt sich aus mit großen Geschichten: Durch seinen Science-Fiction-Roman »Metro 2033« wurde er weltbekannt. Das erste Buch verschenkte er noch im Internet. Inzwischen ist daraus ein eigenes kleines Imperium geworden, das zwei Fortsetzungen in Buchform und zwei weitere als Computerspiel beinhaltet. Nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte, floh er ins Exil. Inzwischen steht Glukhovsky auf der Fahndungsliste der russischen Behörden. Sein eigenes Heimatland stuft ihn heute als »ausländischen Agenten« ein.

Es sei schwer, heute eine Utopie für Russland zu entwickeln, weil Dystopien viel näher lägen, sagt der Autor. Im Podcast führt er aus, wie Wladimir Putin Russland zu einem privaten Feudalstaat umgebaut hat, einer kriminellen Monarchie. Er erklärt, warum die Invasion der Ukraine aus seiner Sicht lange vorbereitet wurde – und was Putin damit erreichen wollte.

»Dafür hatten wir schon seit Jahren unser unabhängiges Zahlungssystem«, sagt er. »Du eroberst die Ukraine, du schließt Belarus an und dann erschaffst du eine Isolierung der slawischen Welt. Und ich glaube, die Idee war nicht mehr von Westen, sondern von China abhängig zu sein. Oder eine Partnerschaft mit China schließen und dann von der ganzen Welt unabhängig zu sein.«

Offensichtlich ist jedenfalls, dass die aktuelle Situation das Selbstbild der Russen herausfordert. Die Menschen fühlten sich weiter Europa zugehörig, sagt Glukhovsky. Den Europäern aber seien sie längst suspekt. Die Folgen seien, so der Schriftsteller, teils beinahe bizarr.

»Die Russen sind doch ein Teil europäischer Zivilisation. Die Chinesen sind uns komplett fremd. Vielleicht haben wir gemeinsame Interessen, aber für uns sind sie etwas außerirdisch. Und die lustige Sache mit den Russen ist, dass die Russen genau wie die Europäer aussehen. Aber es ist wie das Zombie-Phänomen: Sie sehen aus wie wir, aber du kannst nicht voraussagen, wie sie sich verhalten werden.«

Warum aus seiner Sicht keine Hoffnung auf eine Revolution des Volkes besteht, weshalb man auch keine großen Proteste erwarten könne und wann Putin den totalen Krieg erklären wird – darüber spricht Dmitry Glukhovsky in dieser Episode des SPIEGEL-Auslandspodcast Acht Milliarden.

Die aktuelle Folge hören Sie hier:

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