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Russland-Wahlen im Krieg: "Regime muss jetzt seine Kontrolle demonstrieren"

Mitten im brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind Millionen Russen in Moskau und etlichen Regionen zu Wahlen aufgerufen. Was bedeuten sie für das Land und wie gefährlich können sie für Putin werden?

Das Wichtigste im Überblick

In Russland wird an diesem Sonntag gewählt. Dutzende Gouverneure und Regionalparlamente stehen zur Abstimmung. Und obwohl in Russland die politische Macht auf Moskau zugeschnitten ist, haben die Regionen große Bedeutung: Vom Kreml installierte Gouverneure sollen die Macht auch jenseits des Urals und im Fernen Osten stabil halten.

Können die diesjährigen Abstimmungen mitten im Krieg und angesichts wirtschaftlicher Turbulenzen Kremlherrscher Wladimir Putin gefährlich werden? Welche Rolle spielt der inhaftierte Oppositionspolitiker Alexej Nawalny? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wen wählen die Menschen in Russland diesen Sonntag?

In der Hauptstadt Moskau steht der Bürgermeister zur Wahl, russlandweit werden in insgesamt 22 Regionen die Gouverneure neu bestimmt, in 16 Gebieten die Regionalparlamente. Bekannte Parteien sind etwa die Kremlpartei Einiges Russland, die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), die rechtsaußen einzustufende Liberal-Demokratische Partei (LDPR) und die liberale Jabloko-Partei.

Außerdem rufen die russischen Besatzer zu Abstimmungen auf der Krim und in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson auf. Diese Scheinwahlen erfolgen unter Missachtung des Völkerrechts.

In Moskau gilt die Wiederwahl von Amtsinhaber Sergej Sobjanin (Einiges Russland) als sicher. Der 65-Jährige ist dafür bekannt, vor Wahlen die Stadt zu verschönern, etwa mit großen Blumenbeeten, der Sanierung von Straßen oder der Einweihung neuer U-Bahnlinien.

Wie laufen die Wahlen ab?

Die Wahlen werden in Wahllokalen und in 25 Gegenden zusätzlich online abgehalten. In den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten in der Ukraine laufen die Scheinwahlen bereits seit Ende August. In einzelnen Regionen wird an drei Tagen gewählt. Alle Abstimmungen enden am Sonntag, 10. September.

Wie frei sind die Abstimmungen?

Beobachter rechnen mit groben Wahlverstößen, etwa Mehrfachzählungen oder dem Verschwinden von Wahlzetteln. Unabhängige Wahlbeobachter werden wohl nicht oder nur sehr eingeschränkt zugelassen. Besonders das virtuelle Abstimmen gilt als anfällig für Fälschungen. Eine Lokalpolitikerin aus dem Raum Moskau, die ihren Namen zur ihrer eigenen Sicherheit nicht veröffentlicht sehen will, sagte Anfang September bei einer Informationsveranstaltung: "Mit ein paar Knöpfen ist die reine Manipulation möglich." Fälle von Fälschungen seien weithin bekannt.

Im Vorfeld der Wahlen gab es zudem etliche Einschüchterungsversuche und Verhaftungen von Kandidatinnen und Kandidaten in den Regionen sowie Metropolen wie Moskau. Abgeordneten der Kommunistischen Partei in Nowgorod etwa wurde mit Kündigung gedroht, sollten sie ihren lokalen Kandidaten unterstützen.

In Sankt Petersburg wurde ein Politiker der liberalen Oppositionspartei Jabloko verhaftet, während er Flugblätter verteilte. Eine andere Politikerin darf nicht zur Wahl antreten, weil gegen sie wegen einer weiß-blau-weißen Flagge ermittelt wird. Diese benutzen Antikriegsaktivisten in Russland.

Rund 25 Prozent der Personen, die sich in einem aufwendigen Verfahren zur Wahl registriert hatten, wurden anschließend disqualifiziert, oft unter fadenscheinigen Begründungen. Von der Regierungspartei Einiges Russland hingegen können alle Kandidatinnen und Kandidaten antreten.

Wahlbeobachter konstatieren, dass der Kreml so den Ablauf der Wahlen so genau wie möglich kontrollieren will. Denn: Je mehr Kandidatinnen und Kandidaten anderer Parteien antreten, desto geringer die Chancen für die Pro-Putin-Partei Einiges Russland. Unabhängige Politikerinnen und Politiker wurden in diesem Jahr gar nicht zugelassen.

Bekannte Oppositionspolitiker, die Putin tatsächlich Konkurrenz machen könnten, unter ihnen Ilja Jaschin, Wladimir Kara-Mursa oder Alexej Nawalny, sitzen derweil im Gefängnis. Der Co-Vorsitzende der unabhängigen Wahlbeobachtungsorganisation Golos, Grigori Melkonjanz, wurde kurz vor der Wahl festgenommen. Golos deckt regelmäßig Wahlfälschungen auf.