Sie retten Flüchtlinge auf dem Mittelmeer, kämpfen für Frauenrechte und setzen sich für den Schutz von Ökosystemen ein: Die diesjährigen Alternativen Nobelpreisträger erleben bei ihrer Arbeit oft immenses Leid und politischen Gegenwind. Nun ehrt sie die Right-Livelihood-Stiftung.
Für ihren Einsatz für Flüchtlinge und Migranten auf dem Mittelmeer wird die europäische Hilfsorganisation SOS Méditerranée mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Außerdem zählen die Frauenrechtsaktivistin Eunice Brookman-Amissah aus Ghana, die Umweltschützerin Phyllis Omido aus Kenia und die kambodschanische Umweltaktivistengruppe Mother Nature Cambodia zu den diesjährigen Preisträgern des renommierten Right Livelihood Awards, teilt die gleichnamige Stiftung in Stockholm.
Die vier Preisträger seien Zeugen unsäglichen Leids und setzten sich dafür ein, Leben zu retten, die Natur zu bewahren sowie die Würde und Existenzgrundlagen von Menschen in aller Welt zu schützen, erklärte die Stiftung. Sie kämpften allesamt für das Recht aller Menschen auf Gesundheit, Sicherheit, eine saubere Umwelt und Demokratie, sagte Stiftungsdirektor Ole von Uexküll. Und sie machten sich für Menschen stark, wenn andere deren Leid ignorierten. Zugleich bewiesen die Preisträger, dass jeder etwas bewegen könne, betonte von Uexküll. "Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft in einer Zeit wie dieser: Dass jeder von uns die Macht hat, Veränderungen zu schaffen. Das ist, was wir von den Preisträgern lernen."
Der Right Livelihood Award, der gemeinhin als Alternativer Nobelpreis bekannt ist, wird seit 1980 jeweils kurz vor den Nobelpreisen vergeben. Die Right-Livelihood-Stiftung ehrt damit jährlich mutige Persönlichkeiten und Organisationen, die sich für Menschenrechte, Gerechtigkeit, Umwelt und Frieden einsetzen. Die Auszeichnung steht dabei in kritischer Distanz zu den eigentlichen Nobelpreisen, deren Preisträger ab Montag in Stockholm und Oslo verkündet werden.
Neuer Rückenwind für Seenotretter?
Dass SOS Méditerranée diesmal unter den Ausgewählten ist, könnte der zivilen Seenotrettung von Schutzsuchenden auf ihrem Weg von Afrika nach Europa neuen Rückenwind verleihen. Die Organisation, die Büros in Genf, Berlin, Marseille und Mailand hat, wird explizit für ihre lebensrettenden Such- und Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer ausgezeichnet, der nach Stiftungsangaben tödlichsten Migrationsroute der Welt. "Der unerschütterliche Einsatz der Organisation rettet nicht nur Leben, sondern erinnert die Öffentlichkeit sowie europäische Institutionen und nationale Regierungen immer wieder an die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer", erklärte die Stiftung.
Eine Gewinnerin des Alternativen Nobelpreises hat eine klare Botschaft für die deutsche Bundesregierung: "Helft uns, Leben zu retten", sagte die Direktorin der Seenotrettungsorganisation SOS Méditerranée Schweiz, Caroline Abu Sa'da in Genf. Die europäische Organisation rettete in diesem Jahr im Mittelmeer bereits fast 2000 schiffbrüchige Migranten mit ihrem Schiff "Ocean Viking". Menschen auf der Flucht vor Gewalt oder auf der Suche nach einem neuen Leben zur Unterstützung ihrer Familien sollten niemals Todesgefahren ausgesetzt sein, sagte Sa'da. Dass Rettungsmissionen nur noch mehr Migranten auf die gefährlichen Fluchtrouten lockten, sei durch zahlreiche Studien widerlegt worden. Rettungsaktionen zu unterbinden, löse keine Probleme. "Ich will nicht in einer Gesellschaft leben, die Menschen sterben lässt, um politisch zu punkten", sagte sie.
Rund 140.000 Menschen seien bislang in diesem Jahr über das Mittelmeer geflüchtet und in Europa angekommen. Im Vergleich zu den 450 Millionen Einwohnern in der EU sei das nichts. "Es ist eine Krise des politischen Willens", sagte Sa'da. "Ob Flüchtlinge oder Migranten - niemand sollte sterben." Der Preis helfe hoffentlich, die Legitimität der Rettungsaktionen privater Organisationen zu unterstreichen und womöglich mehr Geld aufzubringen. SOS Méditerranée mit Büros in Genf, Berlin, Marseille und Mailand finanziert sich durch private Spenden. Ein zweites Boot zu beschaffen, wäre hilfreich. "Mein größter Traum wäre es aber, die Organisation abzuschaffen", sagte Sa'da. "Das geht erst, wenn es eine koordinierte Such- und Rettungsaktion der europäischen Länder gibt."
"Hoffnung für künftige Generationen"


Die Frauenrechtsaktivistin Eunice Brookman-Amissah aus Ghana.
(Foto: picture alliance/dpa/Right Livelihood Foundation)
Die beiden weiteren Preisträgerinnen, die Ghanaerin Eunice Brookman-Amissah und die Organisation Mother Nature Cambodia sind die ersten aus ihren Ländern überhaupt. Brookman-Amissah ist eine Ärztin und Aktivistin, die sich seit Jahrzehnten dafür starkmacht, Afrikanerinnen sichere Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen. Mit ihrem Einsatz hat sie gesellschaftliche Debatten angestoßen und den Weg für liberale Abtreibungsgesetze in mehreren afrikanischen Ländern geebnet.


Aktivisten der Gruppe Mother Nature Cambodia, die sich für Umweltschutz in Kambodscha einsetzt.
(Foto: picture alliance/dpa/Right Livelihood Foundation)
Die Organisation Mother Nature Cambodia steht in einer ganz anderen Weltregion für ihre Sache ein. Trotz sehr begrenztem Handlungsspielraum im autokratisch regierten Kambodscha kämpfen die jungen Aktivisten zusammen mit Lokalgemeinschaften für die Umwelt und sichere Lebensgrundlagen der Menschen - unerschrocken und mit Erfolg, wie Right Livelihood betonte. Unter anderem mithilfe sozialer Medien habe die Gruppe maßgeblich zur Aufdeckung und Beendigung von Umweltverstößen beigetragen. Sie sei somit zu "einem Leuchtturm der Hoffnung für künftige Generationen geworden".


Die Umweltschützerin Phyllis Omido aus Kenia in ihrem Büro.
(Foto: picture alliance/dpa/Right Livelihood Foundation)
Auch Phyllis Omido setzt sich in ihrer Heimatregion an vorderster Front für den Umweltschutz und die Gesundheit ihrer Mitmenschen ein. Selbst von Vergiftungen durch Blei betroffen, kämpfte die Kenianerin erfolgreich für eine Stärkung des Umweltrechts und für die Schließung giftiger Industrieanlagen.
Der Right Livelihood Award ist mit lebenslanger Unterstützung für die Arbeit der Preisträger verbunden. Die Auszeichnungen werden am 29. November feierlich in Stockholm überreicht. Früher haben den Preis unter anderen die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, der US-Whistleblower Edward Snowden und die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg erhalten. Meist ehrt die Stiftung aber international eher unbekannte Persönlichkeiten und Organisationen, um ihnen so mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.