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Streit ums Gendern: Sprachdiktate sind ein Holzweg

Streit ums Gendern Sprachdiktate sind ein Holzweg

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Sabine Mertens, die Sprecherin der Initiative, bezeichnet sich auf deren Webseite konsequenterweise als "Sprecher".

(Foto: dpa)

Wer geschlechtersensible Sprache ablehnt, tut das häufig mit dem Verweis, dass der Mehrheit etwas aufgezwungen werden solle. So argumentiert auch die Hamburger Initiative. Nur: Für den Zwang will sie erst sorgen.

Dass Sprache sich verändert, ist eine Binsenweisheit. Die mehr als 800 Jahre alten Zeilen "Ich saz ûf eime steine / und dahte bein mit beine" von Walther von der Vogelweide sind für viele Leserinnen und Leser heute kaum noch verständlich, und selbst weitaus jüngere Romane aus dem 19. Jahrhundert klingen altbacken für ein modernes Publikum. Die Frage ist immer nur, wie Änderungen sich vollziehen - und ob man sich darüber aufregen muss.

Eine Hamburger Initiative hat sich eindeutig für das Aufregen entschieden. Sie will der Verwaltung der Hansestadt per Volksinitiative das Gendern verbieten, weil dies "diskriminierend, integrationsfeindlich und vorurteilsbeladen" sei. Die von der Initiative aufgezählten Gründe verdeutlichen, dass das Gendern ihren Initiatoren und auch ihren Initiatorinnen extrem auf die Nerven geht.

Dass Menschen sich übers Gendern ärgern, ist natürlich kein Problem. Schwierig wird es, wenn aus dem Ärger Verbote werden. Genau darum geht es in Hamburg: Der Verwaltung und den Bildungseinrichtungen der Stadt soll untersagt werden, Formen wie "Bürger*innen" oder das ältere "Bürger/innen" zu verwenden. Wendungen wie "Bürgerinnen und Bürger" sieht die Initiative ebenfalls skeptisch und betont, dass "nur das generische Maskulinum" eine "geschlechtsübergreifende Bedeutung" biete. Konsequenterweise bezeichnet sich die Sprecherin der Initiative auf deren Webseite als "Sprecher".

"Sexistisch und menschenfeindlich" - wirklich?

Das kann man machen, man kann es aber auch albern finden, und einige Leserinnen und Leser dieses Textes werden sich vielleicht an dem Wort "man" stören, das hier nun schon drei Mal verwendet wurde. Es ist auch möglich, jahrelang ergebnislos über solche Dinge zu streiten. Im Kern geht es allerdings nicht darum, ob das generische Maskulinum inklusiv oder ausgrenzend ist. Sondern darum, ob es sinnvoll und richtig ist, Sprache zu diktieren.

Anders als die Erregung der Hamburger Initiative nahelegt, will der Hamburger Senat seiner Verwaltung das Gendern keineswegs vorschreiben, sondern eine geschlechtersensible Sprache ermöglichen. Ausdrücklich handelt es sich um "Anregungen". Es mag sein, dass geschlechtersensible Sprache "die Sprache einer Minderheit in der Sprachgemeinschaft" ist, wie die Initiative auf ihrer Webseite schreibt. Sie aber "sexistisch und menschenfeindlich" zu nennen, riecht stark danach, dass hier eine andere, eine radikale Minderheit der Gemeinschaft ihre Regeln aufzwingen will. Denn einen Zwang gibt es bisher nicht - für den will erst die Initiative sorgen.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung, dessen Regeln die Initiative durchsetzen will, empfiehlt zwar nicht, Sternchen, Doppelpunkte oder ähnliches in das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufzunehmen. Er empfiehlt dies jedoch "zu diesem Zeitpunkt" nicht und weist darauf hin, dass "die Entwicklung noch nicht abzusehen ist" (pdf). Während die Hamburger Initiative sich mit dem erfundenen Wort "Bürgernde" (für Bürgerinnen und Bürger) über die Verwendung substantivierter Partizipien lustig macht, benutzt der Rat für deutsche Rechtschreibung diese selbst: Für "die Lesenden bzw. Hörenden" solle "die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen" sichergestellt sein, heißt es dort.

Sprache braucht Regeln, das ist unbestritten. Diese Regeln in politisch umstrittenen Bereichen per Verordnung diktieren zu wollen, ist aber ein Holzweg. Egal, wie man oder frau zum Gendern steht: Allein aus Gründen der sprachlichen Freiheit wäre es begrüßenswert, wenn die Initiative scheitert.