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Teuner & Oetker gehen essen: Göttliche Rösti - aber nicht aus der Schweiz

Wann ntv-Chefmoderator Christoph Teuner mit Freudentränen in den Augen auf den Tisch springt? Das verrät er Ihnen selbst, auch wenn er sich damit eventuell die gesamte Schweiz zum Feind macht: Es hat was mit Kaviar, Tatar und Rösti zu tun.

"Warum soll ich eine super Möhre in eine stickstoffgefrorene Möhrenkugel verwandeln? Und mir dann sagen: Wow, hab' ich mir da wieder was Tolles ausgedacht! Nee, so bin ich nicht." Sagt Clemens Rambichler, der Protagonist dieser kleinen Geschichte. Recht hat er. Das nun Folgende kreist um diesen Gedanken, kreist um einen einzigen Gang, den Rambichler in seinem Restaurant "Sonnora" jedes Jahr tausende Male auftischt, der fürchterlich altmodisch und simpel erscheint und der durch seine Einfachheit in Perfektion zu einem iconic dish für Gourmets in ganz Europa geworden ist. Um klarer zu machen, was ich meine, ein Zitat von einem großen Meister eines anderen Fachs, vom musikalischen Jahrhundertgenie Daniel Barenboim. Über Mozart meint der: "Mozart sagt die komplexesten und tiefsinnigsten Dinge auf die einfachste Art."

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Die Herrscherin über den Weinkeller des Sonnora: Magdalena Brandstätter.

(Foto: imago stock&people)

Ich schreibe jetzt also nicht darüber, wie ein 29-Jähriger nach dem überraschenden Tod seines Chefs ein Drei-Sterne-Restaurant irgendwo im Nirgendwo zwischen Trier und Bonn übernahm und die Höchstbewertung nun schon seit fünf Jahren mit Grandezza hält. Ich schreibe nichts über das zauberhaft klassische Menü "Sonnora", das Langustinen mit Limonen-Butter umfasst, Carabineros mit Wurzelgemüse-Vinaigrette, Steinbutt mit Jakobsmuscheln und Champignonsud, sautiertes Kalbsbries mit Gartenkräuter-Hollandaise und Kalbskopf-Jus und schließlich Challans-Ente mit Pinot-Noir-Soße, geschmortem Chicorée und Kampot-Pfeffer. Jeder Gang berauschend gut. Momente der Entrückung!

Nein, ich konzentriere mich auf die "kleine Torte vom Rinderfilet-Tatar mit N25-Kaviar und Kartoffelrösti". Ein Gericht, das alles hat und das, wenn ich es esse, in mir den Drang auslöst, auf den Tisch zu klettern und, Freudentränen in den Augen, mein Glück in die Welt hinauszuschreien. So perfekt ist die Kombination aus salzig-meerig-nussig-knackigem Kaviar, sämig-fleischig-anmutig-rustikalem Tatar und butterig-knusprig-kartoffelig-leichter Rösti. Wie sagt Rambichler so schön über diesen Teller, den noch Helmut Thieltges kreiert hat: "Wenn ich zeige, wie ich das zubereite, ist die Magie weg. So einfach ist das." Naja. Kommt auf die Perspektive an. Wem kulinarische Details zu langweilig sind, möge nun mit den Augen hinunterscrollen bis zur Abschlussbemerkung und dem Wein-Tipp. Er versäumt etwas, denn die Präzision im Unspektakulären ist es ja gerade, die den Unterschied macht.

Ein heiß-kaltes Kunstwerk

Das Fleisch ist Filet von der deutschen Färse. Zehn bis zwölf davon verarbeiten sie im "Sonnora" jede Woche, nur für diesen Gang. "Es sollte möglichst schlachtfrisch, nicht gereift und wenig marmoriert sein." Zu viele Fettäderchen würden das handgeschnittene Tatar schmierig und zu lange Reifung ihn zu mürbe machen. Zum Fleisch gesellen sich ein wenig scharfer Senf, winzige Mengen mikroskopisch fein geschnittener Schalotte und sehr kleine Kapern. "Damit es schön rund wird im Geschmack, kommt eventuell noch ein Esslöffel Ochsenschwanz-Essenz dazu", ergänzt Rambichler.

Der Kaviar ist chinesische Zuchtware, die der Kaviar-Spezialist Hermes Gehnen importiert. "Er schickt mir Fotos von den Chargen, damit ich mir aussuchen kann, welche ich will. Momentan gibt es weltweit kaum besseren handverlesenen Kaviar." Eine vierstellige Summe blättert Rambichler pro Kilo hin; genauer will er nicht werden. Rund 100 Kilo ordert er im Jahr. In der À-la-carte-Version der Torte thronen satte 20 Gramm Kaviar auf exakt 50 Gramm Tatar.

So, und jetzt mache ich mir wahrscheinlich die gesamte Schweiz zum Feind: Ich habe dort noch nie nur annähernd so gute Rösti gegessen wie die, die Fundament der Torte sind. Ich versteige mich zu der Behauptung: Nur der liebe Gott kann Rösti besser machen. Rambichler nimmt dafür mehligkochende Agria. Sie wird grob gerieben, gesalzen, gepfeffert und kräftig geknetet. Abhängig von der Jahreszeit und der Qualität der Kartoffeln kommen manchmal noch ein bisschen Speisestärke und eine Messerspitze Knödelweiß dazu. Das ist ein Antioxidationsmittel aus der leider längst vergangenen Zeit, in der Köche und Hausfrauen Kartoffelknödel immer frisch gemacht haben. Rohe, geriebene Kartoffeln werden nun mal sehr schnell grau an der Luft. "Dann muss das Ganze erst einmal 15 Minuten stehen", sagt Rambichler. Schließlich wird die Masse ausgedrückt und mit viel Fingerspitzengefühl 1,5 Zentimeter hoch in eine Tortenform gepresst. Alles wird in geklärter Butter ausgebacken, dabei vorsichtig ein paar Mal gewendet und am Ende noch einmal zart ausgedrückt.

Fehlt noch die Schalotten-Crème-Fraîche, die hauchdünn zwischen Fleisch und Kaviar eingearbeitet wird. "Wir nehmen jeweils die gleiche Menge von Crème Fraîche mit 38 Prozent Fettgehalt und einer Crème aus Isigny mit 42 Prozent." Diese Mischung wird mit Salz, Cayennepfeffer und ultrafeingeschnittenen Schalotten sämig gerührt.

Dann deutet Rambichler an, dass die Fertigstellung doch nicht so einfach ist - das Schichten nicht und das Timing auch nicht. Die Torte muss schließlich aussehen wie aus einem Guss und perfekt glatte Kanten haben. Die Rösti muss heiß, das Tatar kühl und der Kaviar kalt sein, wenn das kleine Kunstwerk vor dem Gast auf den Tisch gestellt wird.

Müde von dem vermeintlichen Kleinkram? Gut, ich komme zum Schluss. Rambichler bewahrt Bewahrenswertes: großes Kochhandwerk mit Wurzeln, die viele Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückreichen. Allein dafür verdient er einen Orden in diesen Zeiten.

Die Weinempfehlung kommt von Rambichlers Frau Magdalena Brandstätter, die Herrscherin über den Keller des "Sonnora" ist. Zu den Weißweingerichten empfiehlt sie einen 2009 Kreuzwingert Riesling feinherb vom Weingut Haart in Piesport. "Ein klassischer, eleganter Mosel-Riesling mit feinem Süße-Säure-Spiel, einer schönen Zitrus-Aromatik und dezenter Restsüße". (78 Euro; erhältlich beim Weingut.)

Perfekt zur Ente sei ein 2018 Pena Caballera von den Bodegas Maranones. "Ein eleganter, reinsortiger Garnacha, mit würzigen Komponenten von Pfeffer und orientalischen Gewürzen, dabei sehr mineralisch und elegant". (88 Euro, zu bekommen bei "Wein am Limit").