Übernahme-Hickhack Elon Musk kauft Twitter nun doch – und plant eine „Alles-App“ namens „X“
Elon Musk sieht Twitter als Basis für eine Alles-App, die er X nennt. Konkreter wird er nicht
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Es scheint, als würde Elon Musk Twitter nun doch kaufen. Warum, erklärt er in einem Tweet. Laut Musk könne Twitter dabei helfen, „X, die Alles-App“ schneller zu verwirklichen. Doch was verbirgt sich dahinter?
Der Twitter-Kauf durch Elon Musk ist ein Hickhack sondergleichen. Erst wollte Musk nur ein Mitspracherecht, dann entschied er sich – vielleicht auch durch Zuspruch von Springer-Chef Döpfner – für einen Kauf. Dann wollte er doch nicht mehr, jetzt wieder. Ursprünglich waren seine Absichten simpel gehalten: Musk wollte der freien Rede eine Plattform bieten, die ohne jegliche Form der Zensur funktioniert. Doch nun, so scheint es, hat Musk andere Pläne mit dem sozialen Netzwerk.
„X, die Alles-App“
In einem Tweet, der kurz nach der offiziellen Ankündigung bei der US-Börsenaufsicht folgte, erklärt Musk den Kauf. Er schreibt: „Twitter ist ein Beschleuniger für die Erschaffung von X, der Alles-App.“ Ein anderer Nutzer entgegnet, es wäre doch einfacher, diese App aus dem Nichts neu aufzubauen. Musk erklärt weiter: „Twitter beschleunigt die Entwicklung von X wohl um drei bis fünf Jahre, aber ich kann mich irren.“
Doch was verbirgt sich hinter „X“? Zunächst einmal handelt es sich dabei um eine alte Firma Musks. „X“ war ein Online-Finanzdienstleistungsunternehmen, welches im März 1999 von Elon Musk mitbegründet wurde, später mit einem Konkurrenten fusionierte und heute als Paypal bekannt ist. Die Domain „X.com“ wurde 2017 von Musk zurückgekauft, sie befand sich bis dahin im Besitz von Paypal. Er erklärte damals, die Domain habe für ihn großen sentimentalen Wert – doch es scheint, als habe er weitere Pläne.
Plant Musk ein „West-Wechat“?
Basierend auf früheren Kommentaren von Musk, was „X“ betrifft, hat „Bloomberg“ eine Theorie erarbeitet, was diese „Alles-App“ mal werden könnte. Eine Möglichkeit: Elon Musk plant eine „westliche Version“ der chinesischen App „Wechat„. Musk hatte „Wechat“ in der Vergangenheit offenbar dafür bewundert, aus einem simplen Messenger eine Art „Mini-Internet“ geschaffen zu haben, das täglich von mehreren Milliarden Chinesen für Zahlungen, Unterhaltungen und soziale Interaktionen genutzt wird. Tatsächlich ist ein Leben in China ohne „Wechat“ kaum noch denkbar.
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„Wechat“ ist also sehr nah dran an einer „App für alles“, wenn man sich anschaut, was damit möglich ist. Neben den erwähnten Diensten wie Zahlungen und Unterhaltungen, beinhaltet die App auch einen gigantischen Business-Bereich, in dem Menschen einkaufen, Tische in Restaurants buchen oder Essen bestellen können. Möglich wird das, da „Wechat“ zusätzliche Programme erlaubt und Schnittstellen bietet, um eigene Dienstleistungen an das Ökosystem zu koppeln.
Außerdem ist „Wechat“ für viele Chinesen das einzige News-Portal. Nachrichten, Videos und alle erdenklichen Inhalte lassen sich dort finden, ein Verlassen der Plattform ist eigentlich nicht nötig. Im Grunde verbindet „Wechat“ also sehr viele Apps, für die es außerhalb von China meist einzelne Anbieter gibt, die ohne gemeinsame Basis agieren.
Twitter bringt Nutzer – sonst aber wenig
Mit Twitter hätte Musk eine nennenswerte Nutzermenge, auf der er seine zusätzlichen Dienste aufbauen könnte. Denn eine solche App ganz ohne vorhandenes Publikum aus dem Boden zu stampfen, bleibt meist Wunschdenken.
Im „westlichen Wechat“ müsste Musk allerdings auf eine Kernfunktion von „Wechat“ verzichten, wenn er das mit der „freien Rede“ ernst meint. Denn „Wechat“ gilt als überaus effektives Überwachungsinstrument, bei dem zahllose Moderatoren und Kontrollsysteme die Nachrichten auf unerwünschte Inhalte prüfen.
Quelle: Bloomberg
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