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Ukraine erinnert an Völkermord: Holodomor-Gedenken zieht Parallele zur Gegenwart

Vor 90 Jahren verursachte die Politik der Sowjetführung eine verheerende Hungerkatastrophe, auch in der Ukraine. Millionen Menschen starben. Im Gedenken verweisen ukrainische Politiker auf die russische Aggression von heute. Lob erhält eine geplante Resolution des Bundestags zum Holodomor.

Inmitten des russischen Angriffskriegs hat die Ukraine der von der Sowjetführung vor 90 Jahren verursachten Hungersnot Holodomor gedacht. Auch die Regierungschefs von Belgien und Polen, Alexander De Croo und Mateusz Morawiecki, sowie Litauens Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte reisten nach Kiew, um ihre Unterstützung zu zeigen. Belgien, Deutschland und Frankreich sagten weitere Millionenhilfen zu.

Der ukrainische Begriff Holodomor bedeutet Tötung durch Hunger und bezieht sich auf die Jahre 1932 und 1933. Damals hatte der sowjetische Machthaber Josef Stalin durch eine Zwangskollektivierung der Landwirtschaft eine große Hungersnot ausgelöst, an der allein in der Ukraine mehrere Millionen Menschen starben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, sein Land lasse sich nicht "brechen". Die Ukrainer hätten "Schreckliches durchgemacht", erklärte Selenskyj er in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Video. Er verwies auf die jüngsten Zerstörungen der ukrainischen Energieinfrastruktur durch die russische Angriffe: "Einst wollten sie uns durch Hunger zerstören, nun durch Dunkelheit und Kälte."

Nach massiven russischen Angriffen auf die Energie-Infrastruktur müssen Millionen von Ukrainern derzeit ohne Strom und fließendes Wasser auskommen - und das im Winter, in dem die Temperaturen derzeit häufig unter den Gefrierpunkt sinken. Auch die Hauptstadt Kiew war massiv betroffen. Mittlerweile ist die Stromversorgung nach Angaben der Behörden aber zu 75 Prozent und die Heizung zu 90 Prozent wiederhergestellt.

Makeiev lobt Bundestags-Resolution

Der neue ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, begrüßte derweil die vom Bundestag geplante Resolution zum Holodomor. Es gehe um die Anerkennung der Wahrheit, sagte Makeiev dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Der Wahrheit, die man jahrzehntelang zu vertuschen versuchte. Und der Wahrheit, die nie verjähren kann." Die Resolution, die am Mittwoch im Bundestag behandelt werden soll, sieht laut Entwurf eine Anerkennung des Holodomor als Völkermord vor. Sie wird gemeinsam von den Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP sowie der CDU/CSU-Fraktion getragen.

Die Anerkennung des Holodomors als Völkermord werde Millionen von Menschen Gerechtigkeit zurückgeben und die Wahrheit über die Verbrechen Stalins und der Sowjetführung verankern, erklärte der Botschafter. Diese Anerkennung durch den Bundestag sei auch "für das Verständnis und die Verarbeitung des historischen Kontexts der heutigen russischen genozidalen Kriegsführung extrem wichtig", fügte der ukrainische Diplomat hinzu.

Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte in einer Videobotschaft an die Opfer des Holodomor. Hunger dürfe nie wieder als Waffe eingesetzt werden, sagte der SPD-Politiker anlässlich einer neuen Initiative "Getreide aus der Ukraine". Daher dürfe die derzeitige Nahrungsmittelkrise nicht hingenommen werden. Millionen Menschen seien davon betroffen. Deshalb stelle die Bundesregierung in Abstimmung mit dem Welternährungsprogramm weitere 15 Millionen Euro für Getreidelieferungen aus der Ukraine bereit.

Weitere Hilfszahlungen

Die Regierungschefs Morawiecki und Simonyte sicherten ihrem ukrainischen Kollegen Denys Schmyhal ihre weitere Unterstützung der Ukraine in dem seit neun Monaten anhaltenden Angriffskrieg durch Russland zu. Belgiens Regierungschef De Croo versprach weitere 37,4 Millionen Euro, um der Ukraine über den Winter zu helfen. Frankreich kündigte zusätzliche Unterstützung in Höhe von sechs Millionen Euro für ukrainische Getreideexporte an.

An der Holodomor-Gedenkstätte im Zentrum Kiews versammelten sich unterdessen orthodoxe Priester zu einer stillen Zeremonie für die Opfer der Hungersnot. Diese sei künstlich herbeigeführt worden, sie sei ein Völkermord an den Ukrainern gewesen, sagte der Priester Oleksandr Schmurygin der Nachrichtenagentur AFP. Und nun "wiederholt sich die Geschichte durch den massiven und grundlosen Krieg Russlands".

"Stalins System, der repressive Staat, wollte die Ukraine als Nation zerstören", sagte auch der 39-jährige Rechtsanwalt Andryi Sawtschuk. "Heute sehen wir, dass Stalins Bemühungen von Präsident Wladimir Putin fortgesetzt werden". Russland weist den Vorwurf des Genozids an den Ukrainern zurück. Es weist darauf hin, dass die von Stalin provozierte große Hungersnot auch für Millionen von Opfern unter Russen, Kasachen und anderen Völkern verantwortlich war.