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Unruhe im Kreml – Wie lange hält sich Putin noch an der Macht?

Der Ukraine-Krieg dauert an, für Wladimir Putin wird die Situation immer schwieriger. (Archivfoto)

© Stefano Porta/dpa

Innerhalb des Kremls spitzt sich die Situation zu, der Ukraine-Krieg fordert seinen Tribut. Ein Experte rechnet nicht damit, dass Putin die Krise überlebt.

Moskau – Der Ukraine-Krieg läuft für Russland alles andere als erfolgreich, in den Medien häufen sich die Berichte über Putins rapide schlechter werdenden Gesundheitszustand und in Moskau werden angeblich sogar Putschpläne geschmiedet. Was ist los im Kreml?

Anders Åslund, Wirtschaftswissenschaftler und Osteuropa-Experte, erinnert die aktuelle Situation an die letzten Tage der Sowjetunion. Damals behaupteten linke Sowjetolog:innen aus dem Westen, die Berichte von Dissident:innen und Geflüchteten sei nicht der Rede wert, da man nur auf offizielle Informationen bauen könne. Doch je weiter der Krieg in der Ukraine fortschreitet, desto weniger offizielle Informationen gibt es aus dem Kreml – welche, unabhängig vom Wahrheitsgehalt, vor wenigen Wochen zumindest noch regelmäßig veröffentlicht wurden.

Laut Åslund ist dies ein Indiz dafür, dass sich die russische Invasion immer mehr als „grandioser Fehlschlag“ herausstellt. Das Ziel von Wladimir Putin – die gesamte Ukraine – war laut dem Experten von Anfang an zu arrogant und realitätsfremd. Die schätzungsweise 200.000 Soldaten scheinen dafür jedenfalls zu dürftig. Als Putin dann entschloss, selbst das Kriegszepter in die Hand zu nehmen, ähnlich wie schon Zar Nikolaus II. und Adolf Hitler, wurde die Misere nur noch größer.

Russland: Wladimir Putin lebt Korruption vor

Doch die Probleme des russischen Militärs lassen sich nicht alleine auf den russischen Präsidenten zurückführen. Auch dem früheren Putin-Kumpel und amtierenden Verteidigungsminister Sergei Schoigu wird Korruption im großen Stil nachgesagt, selbst Angeltrips auf fernen Inseln soll er sich vom russischen Staat bezahlt haben lassen. Åslunds Einschätzung zufolge kaum verwunderlich: Wer eine autoritäre Kleptokratie vorlebt, hinterlässt eine maximale korrumpierte Gefolgschaft.

Doch der Dunstkreis von Wladimir Putin scheint nur nicht aus bestechlichen, sondern auch sich fügenden Ja-Sager:innen zu bestehen. Sonst wäre es kaum zu erklären, so Åslund in einem Gastbeitrag für die Zeitung Kyiv Post, wieso das Staatsoberhaupt die Androhung schwerer Sanktionen aus dem Westen schlicht ignorierte. Doch ob Torheit oder Naivität: Fakt ist, dass Russland seitdem zunehmend mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hat.

Radikalisierung im Kreml: Komplett überzeugt von Wladimir Putins Plänen?

Auffällig ist auch, dass sich die bis vor wenigen Monaten noch als gemäßigt geltende Persönlichkeiten im Kreml, wie der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew oder der ehemalige Ministerpräsident Sergei Kirienko, plötzlich radikalisiert hatten. Möglicherweise gehen gewisse kontroverse Äußerungen auf eine tatsächliche Kriegsüberzeugung zurück – eventuell aber auch nur auf den Wunsch nach existenzieller Selbsterhaltung.

Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow sollen bei Putin inzwischen in Ungnade gefallen sein. Der Grund: Das Versagen des russischen Militärs im Nachbarland. Bisher scheute sich der russische Präsident nicht hochdekorierte Generäle und Militärs aus ihren Ämtern zu entlassen, noch befinden sich die beiden offiziell allerdings im Amt.

Experte theoretisiert: Wladimir Putin hat möglicherweise gar nicht mehr das Kommando

Åslund wirft zudem die Theorie auf, dass selbst Wladimir Putin mittlerweile kaum noch weiß, wie die wirkliche Situation aussieht. Der Präsident gilt als paranoid und vermeidet es bekanntermaßen, seine engen Mitarbeiter:innen persönlich zu treffen und zieht es vor, Besprechungen virtuell abzuhalten. Während Putins Gesundheitszustand und die Angst vor einer Corona-Infektion eine Rolle spielen könnte, fürchtet das Staatsoberhaupt möglicherweise aber auch ein Attentat aus den eigenen Reihen.

„Inzwischen soll der noch verrücktere [Nikolai Platonowitsch] Patruschew das Kommando haben, während es rechtlich gesehen Ministerpräsident Michail Mischustin sein müsste“, schreibt Åslund in seinem Artikel. Patruschew gilt nicht nur als rechte Hand von Putin, sondern auch als Hardliner, der einen großen Hass gegen die Ukraine und den Westen hegen soll.

Was in den nächsten Monaten auch in der Ukraine und im Kreml passieren wird, es wäre dem Osteuropa-Experte zufolge „sehr überraschend, wenn Putin den größten russische Militärverlust seit 1905 überleben würde“. (nak)