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US-Wahl 2024: Donald Trump steht laut Historiker für "brutale Härte"

Die USA sind die einzige Supermacht – noch. Denn China steigt auf, die US-Gesellschaft ist nicht erst seit Donald Trump zerstritten. Doch der Historiker Karl Schlögel warnt davor, die USA zu unterschätzen.

Mit dem Amerikanischen Jahrhundert prägten die USA eine ganze Ära, doch diese ist längst vergangen. Russland bekriegt mittlerweile die Ukraine, China fordert den Westen heraus, und Donald Trump strebt erneut ins Weiße Haus. Zudem ist die Gesellschaft der Vereinigten Staaten nach wie vor tief gespalten. Müssen wir die USA abschreiben? Nein, sagt Karl Schlögel, einer der führenden deutschen Historiker und Kenner der Vereinigten Staaten. Denn eine besondere Kraft der USA sei längst nicht erschöpft.

t-online: Professor Schlögel, seit Jahrzehnten erforschen Sie die Geschichte Osteuropas, nun haben Sie ein Buch über die Vereinigten Staaten von Amerika geschrieben. Wieso?

Karl Schlögel: Es gab nie den Vorsatz, ein Amerika-Buch zu schreiben, es hat sich einfach an einem bestimmten Punkt ergeben. Diese Region der Welt ist mir allerdings auch nicht unvertraut; neben meinen zahlreichen Aufenthalten in Mittel- und Osteuropa war ich immer wieder parallel in den USA, das erste Mal 1970. Zuvor bin ich allerdings 1966 und 1969 schon in der Sowjetunion gewesen.

Damals, vor gut einem halben Jahrhundert, waren Sie ein linker Aktivist, der Faszination für die sogenannte Kulturrevolution in China hegte. Warum zog es Sie auf die andere Seite des Atlantiks?

Man hätte mich ohne Weiteres als linksradikalen Studenten bezeichnen können. Wer es zu der Zeit des Vietnamkrieges ernst meinte mit dem Kampf gegen den Imperialismus, ging eben in die USA: in "the belly of the beast", den "Bauch der Bestie".

Wie haben Sie die USA damals erlebt?

Es hat mich in die Zentren der Antikriegs- und Bürgerrechtsbewegung gezogen, trotz Vietnamkrieg und Rassismus war dieses Amerika von großer Faszination. Die USA sind ein ungeheuer forderndes, großartiges und großzügiges Land – das war mein Eindruck, der bis heute eigentlich nie erschüttert worden ist. In einer Art Langzeitbeobachtung habe ich die Vereinigten Staaten daraufhin immer wieder besucht. Mein Buch "American Matrix" ist der Versuch, eine Art Summe aus den Beobachtungen all dieser Jahre zu formulieren.

Karl Schlögel, Jahrgang 1948, lehrte bis zu seiner Emeritierung 2013 Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sein Buch "Terror und Traum. Moskau 1937" wurde mit dem Preis des Historischen Kollegs ausgezeichnet, ferner ist der Historiker Träger des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung. Gerade ist Schlögels neues Buch "American Matrix. Besichtigung einer Epoche" erschienen.

Herausgekommen ist eine Studie über das sogenannte Amerikanische Jahrhundert und die "Soft Power", die "weiche Macht", der Vereinigten Staaten.

Immer habe ich die Fähigkeit der USA bewundert, in historisch bemerkenswert kurzer Zeit einen gesellschaftlichen Raum zu produzieren, eine Zivilisation, die global ausstrahlte und große Teile unserer Welt bis heute prägt. Mein Buch ist, wenn Sie so wollen, der Versuch, sich an meiner eigenen Amerika-Faszination abzuarbeiten.

Wer eine Geschichte der Vereinigten Staaten entlang von Chronologie und politischen Ereignissen erwartet, wird allerdings enttäuscht werden.

Ich bin überzeugt, dass sich eine Geschichte, auch eine große Geschichte, nicht nur entlang klassischer Zugänge wie der chronologischen Abläufe, Etappen, politischen Institutionen und so fort schreiben lässt, sondern ebenso, indem man eine historische Landschaft liest. "Im Raume lesen wir die Zeit", das ist mein Terminus technicus dafür. Ich habe versucht, die amerikanische Geschichte durch die Interpretation ihres Raumes zu lesen. Dazu gehören Städte und Landschaften, aber auch Gemeinplätze, die meist nicht der Rede wert sind, weil sie sich von selbst verstehen, aber für das Funktionieren von Gesellschaften zentral sind – Flughäfen, Buslinien, Supermärkte. Leider kommen sie aber in der Geschichtsschreibung oft nicht vor oder sind abgedrängt in Spezialdisziplinen.

Die Geschichte der Eisenbahn wäre ein solcher Fall. Es gibt ganze Bibliotheken, die sich mit ihrer Geschichte beschäftigen, aber meist reduziert auf eine bloße Verkehrsgeschichte. Die Eisenbahn aus dieser engen Spezialisten-Ecke herauszubringen und ihre Geschichte selbst als ein Dokument von Nationsbildung zu beschreiben, als Produktion eines neuen, transkontinentalen Raums, den es vorher nicht gegeben hat, das war meine Absicht.

Der Bau der Eisenbahn auf dem nordamerikanischen Kontinent war für die Ureinwohner eine Katastrophe.