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Wagner-Söldner im ntv-Interview: "Ich bin der Einzige, der überlebt hat"

Sergej P. ist einer von Tausenden russischen Häftlingen, die die Söldnergruppe Wagner für den Krieg in der Ukraine rekrutiert hat. Nach drei Tagen im Einsatz gerät er in ukrainische Gefangenschaft. Im ntv-Interview erzählt er von seinen Motiven. Einen Weg zurück nach Russland sieht er indes nicht.

In den vergangenen Monaten haben das russische Verteidigungsministerium und die Söldner-Gruppe Wagner für den Krieg in der Ukraine Tausende Häftlinge rekrutiert. Wie viele Gefangene in das Kampfgebiet geschickt wurden, ist zwar nicht bekannt. Nach Angaben des oppositionellen Portals "Mediazona" ging jedoch allein im September und Oktober die Zahl der Inhaftierten in russischen Strafkolonien um 23.000 zurück.

Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin lockt die Häftlinge mit dem Versprechen einer Begnadigung - sollten sie den Einsatz an der Front überleben. Wer aber in die ukrainische Gefangenschaft gerät und dann bei einem Austausch zurück nach Russland kehrt, riskiert eine brutale Vergeltung. So wurde Mitte November der ehemalige Söldner Jewgenij Nuschin nach seiner Rückkehr nach Russland vor laufender Kamera exekutiert - Prigoschin begrüßte den Mord an dem "Verräter", wie er den einstigen Kämpfer nannte.

Sergej P. befürchtet ein ähnliches Schicksal. Auch er sei in einem russischen Gefängnis von der Söldnergruppe rekrutiert und in den Krieg geschickt worden, erzählt der Mann in einem Interview mit ntv, das mit Hilfe staatlicher ukrainischer Stellen zustande kam. Jetzt befindet sich P. in der Gefangenschaft in der Ukraine - und will auf keinen Fall zurück in die Heimat, obwohl er dort Familie hat. In Russland droht dem Mann möglicherweise eine außergerichtliche Hinrichtung.

"Konkret von Krieg war nicht die Rede"

Als er in den Krieg gezogen war, erhoffte sich P. jedoch etwas anderes. Wagner-Mitglieder, die in seinem Gefängnis Häftlinge rekrutiert haben, hätten "gesagt, dass wir, wenn wir uns freiwillig der Gruppe anschließen, begnadigt werden. Wir bekämen Gehalt und unser Strafregister würde gelöscht", erklärt P. Die Häftlinge hätten 24 Stunden zum Überlegen gehabt, sagt er weiter. Aus Sicherheitsgründen will der Mann nicht seinen vollen Namen nennen. ntv konnte seine Identität zweifelsfrei klären, schützt sie aber aus Sicherheitsgründen.

Dass er seine Gefängnis-Zelle gegen Schützengraben in der Ukraine tauschen wird, war dem Mann seinen Worten zufolge zuerst nicht ganz klar. "Von Krieg wurde nicht gesprochen, generell war es nicht konkret. Es wurde von Dörfern gesprochen, von irgendwelchen Säuberungen", behauptet der ehemalige russische Häftling, der sich nun in der ukrainischen Gefangenschaft befindet. "Konkret von Krieg war nicht die Rede."

Einheit nach nur drei Tagen "aufgerieben"

Vor dem Einsatz an der Front erhielt P. zwar eine militärische Schulung, diese fiel jedoch sehr kurz aus. Die rekrutierten Häftlinge seien nach Rostow am Don gebracht worden, eine Stadt in Südrussland unweit der ukrainischen Grenze. "Dort putzen wir Waffen, aber ohne Patronen - die Waffen waren leer", sagt P. im ntv-Interview. "Wir sind gerannt und gesprungen." Schießübung habe es nicht gegeben: "Es gab nichts zum Schießen, nur Waffen."

Danach wurde P. innerhalb einer Gruppe von zehn Männern in die Ukraine geschickt. "Unsere Aufgabe war es, in den Wald zu gehen, um ein Gebiet zu erobern". Doch den Befehl konnten die neuen Wagner-Kämpfer nicht erfüllen. Nach drei Tagen im Wald sei seine Einheit "aufgerieben" worden, erzählt P. nun. "Ich bin der Einzige, der überlebt hat".

Schließlich wurde der Mann von den ukrainischen Streitkräften gefangen genommen. Seit Monaten mehren sich Berichte darüber, dass Russland unerfahrene Wehrpflichtige und rekrutierte Häftlinge als Kanonenfutter, das die Ukrainer aus ihren Stellungen locken soll, einsetzt.