Vor einigen Wochen ging ein Empörungsgewitter auf Markus Lanz nieder, den fähigsten Polit-Talker des Landes. Auf einer Bühne hatte er es gewagt, die Deutschen als „Guavendicksafttruppe“ und „Hafermilchgesellschaft“ zu bezeichnen. Was er damit meinte: Die Gesellschaft sei zu gefühlig geworden.
Die Meute im Internet tobte, Kolumnisten regten sich auf. Ein nicht kleiner Teil der Gesellschaft war erzürnt über einen halbwegs originellen, aber harmlosen Spruch, und bot damit den besten Beleg für Lanz‘ Beobachtung der hypersensiblen Gesellschaft.
Gefühle sind eigentlich eine recht private Sache, sie gehen ja in einem selbst vor. Doch Gefühle sind Gegenstand des öffentlichen Lebens geworden, da hat Lanz recht. Sie werden in Diskussionen präsentiert, als Argumentersatz. Triggerwarnungen stehen vor TV-Sendungen. Sensible Sprache soll vor Verletzungen schützen. Gefühle, vor allem verletzte, müssen mitgedacht werden.
Wissenschaftssendungen und Klimagefühle
Gut und längst überfällig, dass sich die Wissenschaftssendung des WDR, „Quarks“, einem dieser Zeitgeistthemen angenommen hat: den sogenannten Klimagefühlen. Gemeint ist damit die Angst vor dem Klimawandel und seinen Folgen. Auf der Webseite und in den sozialen Netzwerken informiert die „Quarks“-Redaktion darüber, dass der Klimawandel Scham, Schuld, Wut, Ärger und Trauer auslösen könne.
Dabei soll Angst an sich gar nicht so schlimm sein. „Denn nur, wer Angst oder Wut am eigenen Leibe erfährt, schätzt die Klimakrise als dringend und handlungsbedürftig ein“, heißt es auf der Webseite. Panikattacken gegen den Klimawandel? Klingt auf eine perverse Art neoliberal-effektiv.
Als Wissenschaftsredaktion könnten die Quarkssalber auch darüber aufklären, dass sich Betroffene, wenn wir es hier tatsächlich mit einem medizinischen Phänomen zu tun haben, lieber therapeutische Hilfe suchen sollten als sich der „Letzten Generation“ anzuschließen. Aber, nun ja.
Auch das WDR-Format „klima.neutral“, das seine aktivistischen Ambitionen immerhin nicht zu verbergen versucht, hat neulich Tipps auf Instagram geteilt, wie man mit Klimagefühlen umgehen sollte. Punkt eins besagt zum Beispiel, dass Angst an sich nichts Schlechtes sei, sondern eben eine ganz normale Reaktion auf eine Bedrohung.
Alternativ könnte man hinterfragen, ob die Angst nicht eine geradezu zwangsläufige Folge ist von alarmistischer Wortwahl. I want you to panic und so weiter.
WDR-Formate besser nur noch beschwipst konsumieren
Und vielleicht ist es nicht nur intelligent, die eigenen Gefühle als Bewertungsgrundlage fürs Weltgeschehen zu sehen. Auch wenn es einen erfolgreichen Podcast mit dem lauschigen Namen „Feel the News“ gibt, in dem ein prominentes Prenzlauer-Berg-Ehepaar darüber sinniert, wie es ihnen selbst beim Nachrichtenkonsum geht (Spoiler: eher betroffen). Aber in der Regel lässt sich der CO-2-Ausstoß nicht mit Betroffenheit, Panik oder Hilflosigkeit reduzieren.
Ein weiterer Tipp der „klima.neutral“-Redaktion ist es, Pausen einzulegen, um „Selbstfürsorge zu praktizieren“ und sich dann „im eignen Tempo“ für Klimaschutz engagieren. Duftkerzen an. Gesichtsmaske drauf. Und dann geht’s an die Mülltrennung?
Wem diese Tipps nicht allzu hilfreich erscheinen, der kann es vielleicht mit folgenden probieren:
1. WDR-Formate nur noch beschwipst, (bald legal) bekifft oder gar nicht mehr konsumieren.
2. Die eigene Bescheuertheit kurz einnorden und den nächstbesten Passanten auf der Straße fragen, ob er unter Klimaangst leidet. Die Antwort wird mit hoher Wahrscheinlichkeit lauten: „Bitte was?“
3. Drei Sekunden nachdenken und zu dem Schluss kommen, dass „Guavendicksafttruppe“ eine wirklich harmlose Formulierung ist für eine Gesellschaft, die so sehr um sich selbst kreist.