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Wirre Theorien im Schach-Skandal: "Anal-Perlen? Das ist nicht ernstzunehmen"

Großmeister Hans Niemann steht im Verdacht, gegen Weltmeister Magnus Carlsen betrogen zu haben. Die Indizien sind erdrückend, Beweise gibt es aber nicht. Und so wuchern wilde Theorien. Eine besonders prominente schließt der internationale Schachmeister Georgios Souleidis aus.

Zwei Schach-Streamer aus Kanada haben in den vergangenen Wochen eine wilde Theorie zu den Betrugsvorwürfen gegen den amerikanischen Großmeister Hans Niemann aufgebracht. Sollte der 19-Jährige tatsächlich bei einer Präsenzpartie gegen Weltmeister Magnus Carlsen Anfang September betrogen haben, so könne er das mithilfe von vibrierenden Analperlen gemacht haben. So absurd die Vorstellung ist, so sehr fasziniert sie die Menschen, die diesen Schach-Skandal seit Wochen intensiv verfolgen. Sogar der Visionär Elon Musk war amüsiert. Aber ist wirklich vorstellbar, dass ein Spieler auf diese Weise betrügt?

Der internationale Schachmeister Georgios Souleidis, auch bekannt durch seinen sehr erfolgreichen Youtube-Kanal "The Big Greek", hält die wilde Theorie für Nonsens. "Die Analperlengeschichte? Ist nicht ernst zu nehmen, glaube ich", sagt der 50-jährige Hagener im Interview mit RTL/ntv. Dass die Kugeln "Schwingungen im Hintern" erzeugen und der Spieler "dadurch Signale erhält" und in Informationen ummünzt, das kann sich Souleidis nicht vorstellen. Eine Erklärung, wie der 19 Jahre alte Amerikaner womöglich betrogen haben könnte, hat aber auch der Schachmeister nicht. "Es müsste eine völlig neue Methode sein. Etwa ein sehr kleines elektronisches Gerät, das nicht gescannt werden kann."

"Früher gab es ganz banale Methoden"

Bei Präsenzturnieren gehört die Überprüfung der Spieler mithilfe von Detektoren mittlerweile zu den gängigen Sicherheitsmaßnahmen. Anders als bei Online-Turnieren. Je nach Größe werden die Kontrahenten mit Kameras überwacht oder müssen während der Partie regelmäßig an Zoom-Calls teilnehmen. Dennoch ist die Möglichkeit zu betrügen einfacher, man könne ja etwa ein Programm nebenbei laufen lassen und die Züge des Programms kopieren. Niemann hat bei Online-Turnieren übrigens schon zweimal betuppt, wie er selbst zugegeben hat.

Aber das Duell, das den größten Schach-Skandal seit Jahren, seit Jahrzehnten, ausgelöst hat, fand halt in Präsenz statt. Anfang September war das, beim Sinquefield-Cup. "Früher gab es ganz banale Methoden, etwa versteckte Smartphones auf einer Toilette", erzählt Souleidis. Oder Handzeichen von Trainern im Publikum, die über dritte Personen am Schachprogramm entsprechende Tipps bekamen. Dass die banale Tricksereien auffallen mussten, klar. "Wenn Niemann wirklich betrogen hat, müssten die Methoden deutlich elaborierter sein."

Indizien sprechen stark gegen Niemann

Ob Niemann tatsächlich betrogen hat, darüber kann auch der Schachmeister nur spekulieren. Grundsätzlich "gehe er aber mit Carlsen." Die Indizien sprächen im Moment stark dafür. "Die Auswertung deutet auf zwei Sachen hin: Entweder er ist ein unfassbar starker Spieler - oder er ist stark verdächtig. Da kann sich jeder seinen Reim drauf bilden." In den vergangenen Wochen waren zahlreiche Partien des Amerikaners analysiert worden. Seine Züge wurden mit jenen von Schachcomputern verglichen. Die laut Souleidis "viel, viel besser sind als jeder Mensch." Die Korrelation der Züge des 19-Jährigen mit denen der "Engines" war erstaunlich hoch. Bis zu 100 Prozent wies etwa die Schach-Analystin Yosha Iglesias in einigen Partien nach. Ein sensationeller Wert, den in dieser Häufigkeit normalerweise eben nur ein Schachcomputer erreicht.

Wochenlang hatte Carlsen nur nebulös angedeutet, was er seinem Kontrahenten vorwirft. Erst am Montag hatte er erstmals offen von Betrug gesprochen und dem Schach-Skandal neues Feuer geliefert, nachdem er zuvor eine erneute Partie gegen Amerikaner nach nur einem Zug abgebrochen hatte (dieses Mal bei einem Online-Turnier). Niemanns Fortschritte, erklärte Carlsen nun, seien "ungewöhnlich", bei einem der letzten Duelle habe er den Eindruck gehabt, der Amerikaner sei "nicht angespannt und noch nicht einmal voll konzentriert auf das Spiel in kritischen Positionen" gewesen: "Während er mich mit Schwarz auf eine Weise ausspielte, wie es meiner Meinung nach nur eine Handvoll Spieler können."

Aber was nun? "Es ist unfassbar schwer, Betrug beim Präsenzschach nachzuweisen", sagt "The Big Greek". Man könne mit Indizien arbeiten, die sind aber kein Beweis. "Wenn man das in diesem Fall zweifelsfrei herausfinden will, müsste man diejenige Person komplett filzen." Vor rund zehn Jahren gab es mal den Fall eines bulgarischen Spielers, der plötzlich extrem gut war. "Der aber wollte sich nicht filzen lassen", erinnert sich Souleidis. Ihm konnte nichts nachgewiesen werden, dennoch hörte er nur wenig später auf. Niemann würde sich dagegen auf die Ganzkörperkontrolle einlassen. Er sei sogar bereit, komplett nackt zu spielen, um zu beweisen, dass er keine Hilfsmittel nutze. Womit wir wieder bei der Theorie aus Kanada wären.