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WM-Boykott | CDU-Vize Jens Spahn wirft Kritikern Heuchelei vor: "Doppelmoral"

Der Vize der Union im Bundestag, Jens Spahn, hält die WM-Kritik für verlogen. Wer Katar kritisiere, müsse auch in Deutschland härter gegen Islamisten durchgreifen.

Jens Spahn ist im Stress. Er kommt verspätet von einem Treffen der Fraktion, das länger gedauert hat als geplant. Das nächste fängt gleich an. Trotzdem nimmt er sich Zeit für ein Thema, das ihm am Herzen liegt: die Doppelmoral der WM-Kritiker, die die Missstände in Katar verurteilen, aber darüber hinwegsehen, was in einigen Moscheen in Deutschland gepredigt wird. Für gefährlich hält er auch eine andere Entwicklung in Deutschland.

t-online: Herr Spahn, gucken Sie im Moment Fußball oder boykottieren Sie die WM?

Jens Spahn: Ich habe bislang lediglich das Spiel Deutschland gegen Japan gesehen. Das hat aber keine politischen, sondern terminliche Gründe. Grundsätzlich halte ich nichts davon, die Frage "WM schauen oder nicht" zu politisieren. Wir hatten zuletzt eine WM in Russland und Olympische Spiele in China, warum also gerade jetzt die Boykott-Debatte? Ich sehe da viel Gratismut bei den Kritikern.

Würden Sie mit Ihrem Mann nach Katar fliegen?

Nein, wir reisen privat prinzipiell nicht in Länder, die Schwule ablehnen. Die möchte ich nicht unterstützen, indem ich dort mein Geld lasse.

Warum stören Sie dann die Boykottaufrufe? Katar steht unter anderem in der Kritik, weil dort Homosexuelle verfolgt werden.

Ich verstehe die Kritik vollkommen. Alles an einer WM in Katar ist falsch: Das Land missachtet Menschenrechte, hat keine Fußballtradition und es ist eigentlich zu heiß für den Sport. Aber die Entscheidung, die WM an Katar zu vergeben, wurde 2012 getroffen. Jetzt bürdet man die Last der Folgen Fußballspielern auf, die damals zum Teil noch Kinder waren. Und den Zuschauern. Das ist unfair. Außerdem irritiert mich die Doppelmoral der Kritiker.

Dieselben Leute, die Katar wegen der Diskriminierung von Schwulen anprangern, sehen gern darüber hinweg, dass in vielen Moscheegemeinden in Deutschland genau der gleiche reaktionäre Unsinn gepredigt wird. Da wird regelmäßig gegen Schwule gehetzt, die Gleichwertigkeit von Frauen nicht akzeptiert und das Bild vom verweichlichten Westen gepredigt. Wie in Katar. Und Kritiker, die das ansprechen, wie Ahmad Mansour, werden sogar als islamfeindlich oder rassistisch diffamiert.

Jens Spahn (re.) mit Ehemann Daniel Funke (Quelle: POP-EYE/imago-images-bilder)

Mit 20 in den Bundestag

Jens Spahn (42) sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag. 2018 kandidierte er vergeblich für den Parteivorsitz. Von 2018 bis 2021 war er Bundesminister für Gesundheit. Seit fünf Jahren ist er mit dem Lobbyisten Daniel Funke verheiratet.

Wer gegen die WM in Katar ist, der sollte rechtlich unterbinden, dass die Katarer Moscheen und Islamische Gemeinden in Deutschland finanzieren. Und der sollte mit seiner "One Love"-Binde lieber die nächste Millî-Görüş-Gemeinde besuchen und dort für Toleranz werben. Ich halte es außerdem für völlig falsch, dass Bundesinnenministerin Faeser den Expertenkreis Politischer Islamismus eingestellt hat.

Sie fordern neue rechtliche Regelungen?

Österreich hat ein Islamgesetz. In Deutschland ist so etwas wegen des Föderalismus schwieriger, aber in der Tat könnte das ein Vorbild sein. Wir brauchen Vorschriften für Transparenz bei der Finanzierung von Moscheen. Imame sollten gesetzlich verpflichtet werden, Deutsch zu sprechen. Und wir müssen aufhören, den reaktionären Islam in Deutschland schönzureden. Die neueste Theorie ist ja, dass junge Männer zu Islamisten werden, weil sie antimuslimischen Rassismus erleben.

Sie bestreiten, dass es Rassismus gegen Muslime in Deutschland gibt?

Nein, den gibt es. Und den müssen wir entschieden bekämpfen. Wer aber vor dem politischen Islam in Deutschland die Augen verschließt, dessen Kritik an Katar ist unglaubwürdig. Eine wachsende Zahl von Islamisten in Deutschland gibt es jedenfalls aus anderen Gründen.

Wo sehen Sie die Gründe?

Ein Grund für die Verbreitung von Islamismus in Deutschland ist, dass wir weghören, wenn die radikalen Prediger in Deutschland auf Menschenfang sind. Dass wir wegschauen, wenn die Türkei oder Katar in Moscheegemeinden politisch agitieren. Und dass wir aus einer falsch verstandenen Toleranz heraus Menschen zu Rassisten erklären, die all das kritisieren.

Wir sollten uns viel stärker mit den liberalen Muslimen unterhaken. Es reicht nicht, nur mit den bekannten islamischen Organisationen zusammenzuarbeiten. Wenn im Zentralrat der Muslime Gruppierungen Mitglied sind, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, ist das inakzeptabel.