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Zweiter großer Protesttag: Rentenreform nagt an Macrons Beliebtheit

Die Wut über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre treibt abermals Hunderttausende Franzosen auf die Straße. In Macrons letzter Amtszeit wird die Reform zur Kraftprobe. Bei Umfragen rutschen seine Zustimmungswerte ab.

Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen haben Hunderttausende Franzosen gegen die geplante Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre protestiert. In mehreren großen Städten Frankreichs gingen noch mehr Menschen auf die Straße als am 19. Januar, als sich mehr als eine Million Menschen an Demonstrationen beteiligten. Streiks in mehreren Branchen legten zudem weite Teile des öffentlichen Lebens lahm.

"Es ist eine der größten organisierten Demonstrationen, die unser Land in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat", sagte Gewerkschaftschef Laurent Berger. "Ich will nicht bis 64 arbeiten, das ist gar nicht möglich", sagte Sandrine Carré, eine 52 Jahre alte Vorschullehrerin aus Bordeaux. "Wir hocken so oft auf dem Boden, dass ich jetzt schon kaputte Knie habe", fügte sie hinzu.

Auch wenn die Zahl der Streikenden im Verkehr etwas geringer ausfiel als am ersten Protesttag, fielen zahlreiche Bahnen, Busse und Flüge aus. Bei der französischen Bahn SNCF legten etwa 37 Prozent der Beschäftigten die Arbeit nieder, zuvor waren es 46 Prozent gewesen. In vielen Schulen gab es keinen Unterricht. Mehrere Dutzend Studenten der Pariser Hochschule Sciences Po besetzten in der Nacht zu Dienstag das Universitätsgebäude. Die Beschäftigten des Energiekonzerns EDF verringerten aus Protest die Stromproduktion, was jedoch zunächst nicht zu Stromausfällen führte. In den Raffinerien und Treibstoffdepots von TotalEnergies legte ein Großteil der Beschäftigten die Arbeit nieder.

Macron: "Reform ist unumgänglich"

Etwa 11.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um Ausschreitungen bei den Demonstrationen zu verhindern. Landesweit waren mehr als 200 Protestmärsche angekündigt. In Paris begann der Demonstrationszug am Nachmittag am Place d'Italie. Eine Gewerkschaft sprach von einer halben Million Teilnehmer in Paris. Allerdings klaffen die Angaben der Organisatoren und der Behörden in Frankreich traditionell sehr weit auseinander. Am ersten Protesttag waren es laut Gewerkschaften 400.000 Demonstranten in Paris, laut Innenministerium nur 80.000. Bis zum späten Nachmittag kamen in Paris sechs Menschen in Polizeigewahrsam.

"Wenn die Premierministerin die Botschaft am ersten Streiktag nicht gehört hat, dann werden wir sie jetzt noch lauter und zahlreicher vermitteln", sagte CGT- Gewerkschaftschef Philippe Martinez den Sendern BFM und RTL. Die Gewerkschaften fordern, auf die geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zu verzichten.

Präsident Emmanuel Macron hatte am Vorabend betont, dass die Reform nötig sei, "um das System zu retten". Die Rentenkasse weist derzeit ein Plus auf, soll nach Schätzungen von Experten aber bis 2030 in ein Defizit von 14 Milliarden Euro rutschen. Daher sei die Reform "unumgänglich", sagte Macron und verwies auf die übrigen EU-Länder, in denen das Renteneintrittsalter bereits deutlich höher liege.

Zwei Drittel der Franzosen machen Regierung für Streiks verantwortlich

Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage sind Macrons Zustimmungswerte in Folge der Debatte um die Rentenreform um fünf Punkte gefallen, er kommt nun nur noch auf 36 Prozent. Fast zwei Drittel der Bevölkerung mache die Regierung für die Streiks und die Lähmung des öffentlichen Lebens verantwortlich, heißt es in der Umfrage des Instituts Odoxa.

Experten rechnen damit, dass die Protestbewegung sich noch ausweiten könnte. Beim ersten Reformversuch 2019 hatte Frankreich die längsten Streiks seit den Studentenprotesten 1968 erlebt. "Die Renten sind in der Vorstellung der Franzosen eine heilige Kuh. Sie sind ein Symbol für das gesamte Sozialsystem und können daher zum Katalysator der Wut werden", sagte der Sozial-Experte Raymond Soubie der Zeitung "Le Parisien".

Die Reform umfasst neben der Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre auch eine Erhöhung der Mindestrente auf 1200 Euro. Zudem soll die Beschäftigung von Senioren gefördert werden. Für Macron ist die Rentenreform eines der wichtigsten Vorhaben seiner zweiten und letzten Amtszeit.