Liechtenstein
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FMA-Finanzstabilitätsbericht: Aussichten deutlich eingetrübt

VADUZ - Die Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein hat ihren Bericht zur Einschätzung der Finanzmarktstabilität vorgelegt. Dieser kommt zum Schluss, dass der heimische Finanzsektor weiterhin stabil ist und die systemischen Risiken begrenzt sind. Da sich der Ausblick für die globale Realwirtschaft wie auch die Finanzmärkte in den letzten Monaten jedoch deutlich verschlechtert habe, hätten sich auch die Aussichten für die Finanzstabilität deutlich eingetrübt.

Da Liechtenstein über keine eigene Zentralbank verfügt, liegt die rechtliche Verantwortung, zur nationalen Finanzmarktstabilität beizutragen, im Aufgabenbereich der FMA. Am Dienstagabend hat die FMA im Rahmen des Forums für Finanzmarktstabilität dazu ihren aktuellen Financial Stability Report vorgestellt. Bei der Veranstaltung war auch Regierungschef Daniel Risch anwesend. In seinem Grusswort verwies er auf die grosse Bedeutung, dass Risiken für die Finanzstabilität frühzeitig erkannt werden: «Gerade in solch unsicheren Zeiten ist es für Liechtenstein wichtig, dass wir auch international ein stabiler, sicherer und verlässlicher Partner sind.» Ebenfalls Gast beim Forum war der Vizepräsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Martin Schlegel. Er referierte zum Thema Bargeld. Dieses sei nach wie vor beliebt, gerate im digitalen Zeitalter aber zunehmend unter Druck, so Schlegel. Anschliessend diskutierte eine Expertenrunde die aktuelle Lage in der Realwirtschaft und an den Finanzmärkten sowie die wichtigsten Erkenntnisse des Financial Stability Reports 2022.

Die fünfte Auflage des Finanzstabilitätsberichts (2022) kann hier eingesehen werden.

Getrübte Aussichten für Wirtschaft und Finanzstabilität

Die Aussichten für die Finanzstabilität haben sich laut FMA angesichts einer sprunghaften Zunahme der Inflation, steigender Zinssätze und einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums verschlechtert. Die derzeitigen Entwicklungen könnten ein abruptes Ende des langfristigen Abwärtstrends bei den nominalen und realen Zinssätzen markieren. Die Verschärfung der finanziellen Bedingungen sei nicht nur mit zunehmenden Risiken an den Finanzmärkten verbunden, sondern wirke sich auch stark auf nichtfinanzielle Unternehmen, private Haushalte und Finanzintermediäre aus. "Im Falle einer globalen Rezession wäre die liechtensteinische Volkswirtschaft aufgrund der hohen Sensitivität gegenüber dem globalen Konjunkturzyklus erheblich betroffen", so die FMA.

Hohe Verschuldung mit erheblichem Risikopotential

Die bekanntlich hohe Verschuldung der privaten Haushalte stellt laut FMA weiterhin ein systemisches Risiko für den liechtensteinischen Finanzsektor dar. Die aktuelle konjunkturelle Entwicklung könnte mit einer Beeinträchtigung der Schuldendienstfähigkeit der privaten Kreditnehmer einhergehen, heisst es. Kurzfristig würden sich die Risiken trotz des abrupten Zinsanstiegs aber in Grenzen halten. Mittel- bis langfristig sei die Anfälligkeit jedoch höher als in anderen Ländern, da die Verschuldung der privaten Haushalte in Liechtenstein zu den höchsten in ganz Europa gehört, was im Falle anhaltend hoher Zinssätze mit erhöhten Risiken verbunden ist.

Reputation massgeblich für Finanzstabilität

Die Stabilität des Finanzsektors hängt laut FMA wesentlich von der internationalen Anerkennung und der Einhaltung internationaler Standards ab. Auch wenn Liechtenstein eine starke Rechtsgrundlage und ein hohes Mass an Effektivität in der Erkennung und Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung aufweise, sind die Reputationsrisiken für den gesamten Finanzplatz nach wie vor erheblich. "Das Geschäftsmodell des Finanzsektors beruht entscheidend auf Vertrauen und Reputation", so die FMA. "Daher können selbst einzelne Vorfälle diese Werte untergraben und im schlimmsten Fall zu Ansteckungseffekten im gesamten Finanzsektor führen."

Pensionskassen leiden unter Entwicklung an den Finanzmärkten

Wie die FMA weiter schreibt, seien die Pensionskassen von den ungünstigen Entwicklungen an den Finanzmärkten unmittelbar betroffen. "Während die öffentliche Pensionsvorsorge (1. Säule) gut aufgestellt ist und aufgrund ihrer finanziellen Reserven Verluste bei Finanzanlagen auffangen kann, sind die Risiken in der betrieblichen Altersversorgung (2. Säule) stark gestiegen", wie die FMA mahnt. Die jüngsten Verluste sowohl auf den Aktien- als auch auf den Anleihemärkten hätten zu einem deutlichen Rückgang der Deckungsgrade geführt. "Pensionskassen, die einen Deckungsgrad von weniger als 100% aufweisen, werden Massnahmen ergreifen müssen, um auf einen wirtschaftlich tragfähigen Weg zurückzukehren", so die FMA. "Vor diesem Hintergrund wird sich der rückläufige Trend bei den Umwandlungssätzen auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Im Falle einer anhaltenden Unterschreitung des Deckungsgrads könnten weitere Sanierungsmassnahmen erforderlich sein."

Digitalisierung mit Risiken

Die Risiken von Cyberangriffen und der Digitalisierung indes hätten in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Bereits ein einzelner Cybervorfall könnte ausreichen, um das Vertrauen in das gesamte Finanzsystem zu untergraben, so die FMA. "Dies indem er entweder die finanzspezifische Infrastruktur lahmlegt oder grosse finanzielle Verluste verursacht." Auch wenn Cybervorfälle in Liechtenstein noch keine derartigen Auswirkungen hätten, seien die Risiken beträchtlich - nicht zuletzt vor dem Hintergrund verstärkter geopolitischer Spannungen. Darüber hinaus berge auch die zunehmende Digitalisierung gewisse Risiken, da Finanzinnovationen den Wettbewerb in bestimmten Bereichen der Finanzdienstleistungen verschärfen. Im Allgemeinen scheint der inländische Finanzsektor aber gut auf die kommenden Herausforderungen vorbereitet, wie es im Bericht heisst.

Klimarisiken rücken in den Fokus

Auch der Finanzsektor sei laut FMA zunehmend vom Klimawandel und dem Übergang zu einer CO2-armen Wirt-schaft betroffen. Physische Risiken und Übergangsrisiken würden daher bei der Bewertung der Finanzstabilität zunehmend an Bedeutung gewinnen. "Obwohl sich die klimabezogene Offenlegung der Finanzmarktteilnehmer in den letzten Jahren verbessert hat, erschweren Datenlücken und Dateninkonsistenzen nach wie vor die Bewertung der klimabezogenen Risikolage", heisst es. In den letzten Jahren hätten sowohl die FMA als auch der heimische Finanzsektor starkes Engagement gezeigt, Fortschritte im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft und der Datenverfügbarkeit zu erzielen. "Ungeachtet dessen bleibt noch viel zu tun, um sicherzustellen, dass der Finanzsektor auf die verschiedenen klimabedingten Herausforderungen gut vorbereitet ist", wie die FMA zum Schluss kommt.