Er war „Mundl“ und „Der Bockerer“ – und zeitlebens bemüht, nicht auf das Raue und Cholerische reduziert zu werden: Karl Merkatz, ein Volksschauspieler, der Film- und Fernsehgeschichte geschrieben hat, ist mit 92 Jahren gestorben.
„Mei Bier ist net deppert“, natürlich. Der Spruch, den Edmund „Mundl“ Sackbauer seiner Frau Toni entgegenpoltert, als sie ihm nahelegt, doch einmal auch ohne sein „deppertes Bier“ auszukommen, hat sich als stehende Wendung derart in den österreichischen Sprachgebrauch eingeschlichen, dass man fast vergessen könnte, mit welcher Hingabe Karl Merkatz ihn in der TV-Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ einst in die Welt bellte: Da war nicht nur das cholerische Gebrüll eines besoffenen Proleten, da war auch eine naive Verzweiflung, der kindliche Trotz eines einsamen Patriarchen, der ahnt, dass seine Zeit abgelaufen ist.
Der anhaltende Kultstatus der Serie über diesen autoritären Arbeiterfamilien-Papa im Unterhemd – die bei ihrer Erstausstrahlung 1975 noch für Proteste sorgte – ist zu guten Teilen der eindringlichen Darstellung von Karl Merkatz zu verdanken. Der 1930 in Wiener Neustadt geborene Schauspieler war zeitlebens bemüht, nicht auf den Mundl reduziert zu werden. Über 150 Bühnenrollen, vor allem in Stücken von Nestroy, Raimund und Shakespeare, spielte er in seiner langen Karriere, in über 250 Film- und TV-Produktionen wirkte er mit.
Selbst sprach er schönstes Hochdeutsch
Und doch waren es vor allem die rauen, aufbrausende Charaktere, für die er in Erinnerung bleibt. Jene angeblich „echten“ Wiener Schlawiner, denen schnell eine ordinäre Gemeinheit entweicht, die das Herz dann aber doch am rechten Fleck haben. Neben dem Mundl, der herzlich über „Nudelaugn“, „Zniachterln“ und „Trotteln“ schimpfte, brillierte Merkatz in den vier Franz-Antel-Verfilmungen des Theaterstücks „Der Bockerer“: Beharrlich und mit naivem Querulantenschmäh sperrt sich dieser Fleischhauer gegen den Terror der Nazis. „Das Rebellische ist auch absolut mein Naturell“, sagte Merkatz einmal im Gespräch mit der „Presse“. Das Derbe, das (vermeintlich) Wiener Vorstadtproletenhafte, war es nicht: Im persönlichen Umgang war Merkatz, der seit vielen Jahrzehnten in Irrsdorf (Salzburg) wohnte, stets zuvorkommend – und sprach schönstes Hochdeutsch.
Geboren wurde er als Sohn eines Werkzeugmachers und einer Weberin. Den Eltern zuliebe absolvierte er eine Tischlerlehre, wechselte aber bald zur Schauspielerei. In Zürich, Wien und Salzburg nahm er Unterricht. Bei einem seiner ersten Bühnenengagements in Heilbronn lernte er seine Frau Martha kennen, mit der er seit 1956 verheiratet war und zwei Töchter hatte. Er kümmerte sich ums Geld, sie um die Familie – zu der mittlerweile auch Enkerln und Urenkerln gehören –, lautete die Abmachung zwischen den beiden. In Deutschland spielte er an einigen Bühnen. Bekannt machte ihn aber erst 1975 die von Ernst Hinterberger nach dessen eigenem Roman „Das Salz der Erde“ geschriebene, von Reinhard Schwabenitzky inszenierte „Mundl“-Serie.
Legendäre Silvester-Folge
Die Titelrolle spielte er, nach einigen Abgrenzungsversuchen, ab 2008 in zwei Kino-Fortsetzungen erneut. „Es war eine schöne Aufgabe“, sagte er später: „Ich habe diese Rolle gern gespielt, und ich muss heute noch lachen, wenn ich diese Episode mit dem Feuerwerk zu Silvester sehe.“ Die Szenen, in denen Mundl und sein Silvestergast vom Fenster aus Raketen aus Dopplerflaschen in die Nachbarswohnung hinüberschießen, ist legendär – und bis heute für viele liebgewonnenes TV-Pflichtprogramm zum Jahreswechsel.
1981 folgte „Der Bockerer“, der dem kollektiven Kultsprüche-Gedächtnis etwa „Ihr Blatt, Herr Rosenblatt“ hinzufügte – das Tarockieren mit seinem befreundeten jüdischen Rechtsanwalt ist eines der Dinge, die sich Merkatz' Bockerer von den Nazis nicht nehmen lassen will. Es folgten weitere Rollen, die in ihrer Wirkung an seine Paraderollen aber nicht herankamen: Er spielte in der Serie „Der Spritzen-Karli“ (1994); für seine Rolle in „Anfang 80“, wo er mit Christine Ostermayer ein betagtes Liebespaar gab, bekam er 2013 den Österreichischen Filmpreis als bester Hauptdarsteller. 2015 gab er in der Kino-Komödie „Blunzenkönig“ wieder einen Fleischhauer (der gegen Veganismus wettert). Letzten Endes blieb er doch auf die Grantigen und Urigen abonniert.
Sänger, Theaterdarsteller - und „Handwerker"
Seine Vielseitigkeit konnte er abseits der Leinwand zeigen: Als Sänger brachte Merkatz in den 1970ern einige Platten heraus. Am Theater war er weiterhin zu sehen, sogar im Musical: Am Theater an der Wien gab er den Milchmann Tevje in „Anatevka“, in Klagenfurt sang er in „Der Mann von La Mancha“. 2005 spielte er in Salzburg nicht nur den armen Nachbarn im „Jedermann“, sondern rührte auch als Benesch von Diedicz in Grillparzers „König Ottokar“.
Sich selbst sah er nie als Star, sondern als Handwerker. Dass er zweifellos österreichische Film- und Fernsehgeschichte geschrieben hat, hat ihn nie seine Bodenhaftung gekostet. Etwas Verschmitztes haftete ihm dabei stets an. „Ich fühle mich wie 18“, sagte er einmal zur „Presse“ – da war er 81. Auch über den Tod sprach er unverhalten. Er sei nicht religiös gewesen, habe aber immer das Gefühl gehabt, „von einer geistigen Figur“ geleitet zu sein. Was danach kommt? „Da waren wir noch nicht. Das werden wir erfahren. Ich bin überzeugt, dass ich mein ganzes Leben geführt worden bin.“ Am Sonntag, wenige Tage nach seinem 92. Geburtstag, ist dieser große, kluge Volksschauspieler gestorben.