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News: Erdbeben, Türkei, Syrien, Waffenlieferungen, Ukraine, Russland, Olaf Scholz, Annalena Baerbock, AfD, Neuwahl Berlin

Zahlen des Schreckens

Der heutige Tag wird von Korrekturen geprägt sein. Von stetig steigenden Zahlen des Schreckens: noch mehr Tote in der Türkei und in Syrien, noch mehr eingestürzte Häuser, noch mehr zerstörte Straßen und Infrastruktur. Das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe lässt sich bislang nur erahnen. Seit gestern wurden die Opferzahlen stetig nach oben korrigiert – inzwischen auf mehr als 4200 Tote und 15.000 Verletzte.

Die Vorstellung, dass unter den eingestürzten Gebäuden noch zahllose Menschen auf Hilfe warten, ist grauenhaft genug. Dazu kommen die winterlichen Minusgrade, bei denen die Überlebenden und Verletzten jetzt einen Unterschlupf finden müssen.

Bergungsarbeiten an einem Wohnhaus im türkischen Diyarbakir

Foto: Ahmet Yukus / Depo Photos / IMAGO

Ahmet Başar Şen ist Botschafter der Türkei in Deutschland, er hat in Stuttgart Germanistik studiert, spricht fließend Deutsch und hat in seiner diplomatischen Laufbahn schon mehrere Stationen in unserem Land absolviert. Seit den ersten Meldungen über die Katastrophe seien die türkische Botschaft und die Generalkonsulate »im Ausnahmezustand«, teilt Şen mit. »Wir sind dankbar für die immense Welle der Solidarität der Deutschen angesichts der großen Verluste an Menschenleben und der Verwüstungen in unserem Land.« Nicht nur kommen viele türkischstämmige Familien aus betroffenen Orten wie Malatya, Maras oder Antep. Mit Alanya traf es auch einen bei Deutschen sehr beliebten Urlaubsort.

Für die Rettungs- und Bergungsarbeiten würden dringend medizinische Nothilfeteams benötigt, sagt der Botschafter, auch notfallmedizinische Ausrüstung sowie Such- und Rettungsteams mit Suchhunden, die unter schweren Bedingungen arbeiten könnten.

Suche nach Überlebenden in Idlib, Syrien

Foto: IMAGO/Syria Civil Defense / IMAGO/UPI Photo

Man will sich nicht ausmalen, wie viel dramatischer die Lage im Erdbebengebiet im Nordosten Syriens aussieht. Hier sind die Menschen und die Infrastruktur ohnehin von dem jahrelangen Bürgerkrieg schwer gezeichnet. Wie schnell kann ihnen jetzt geholfen werden?

Ging es gestern an dieser Stelle nicht noch um das miese deutsche Winterwetter? Manche Nachrichten rücken die stabilen deutschen Zustände doch ins richtige Licht.

  • Kritik von Experten: War der türkische Staat nicht vorbereitet? 

  • Verheerendes Erdbeben: Wie Geologen die Katastrophe erklären 

  • Im Überblick: Die jüngsten Entwicklungen in den betroffenen Gebieten

Kein Anschluss unter dieser AfD-Nummer

Zur zehnten Geburtstagsparty der AfD im hessischen Königstein kamen dann doch nicht nur die 300 geladenen Gäste, sondern weitere 800 Leute, Letztere allerdings als Gegendemonstranten. Aber die Proteste dürften die Feierstimmung im »Haus der Begegnung« eher gestärkt haben. Die AfD hat sich immer schon definiert in der Abgrenzung nach außen, in dem wohligen Gefühl, eine Wagenburg gegen übermächtige Gegner zu bilden, und als einzige politische Bewegung die wahre Stimmung des Volkes wiederzugeben.

AfD-Gründungsfeier in Königstein mit Alice Weidel (l.) und Alexander Gauland (r. außen)

Foto: Thomas Lohnes / Getty Images

Zumindest letzteres Gefühl wurde soeben aber als Illusion enttarnt: Anders als die AfD es darstellt, ist sie offenbar viel weniger verankert im Volk als alle anderen Parteien. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgewertet  , wie viele Anlaufstellen die Partei für Bürgerinnen und Bürger betreibt, also wie viele Wahlkreis-, Abgeordneten- und Parteibüros. Das Ergebnis: Mit nur 144 Büros bilde die AfD verglichen mit allen anderen Parteien »mit deutlichem Abstand das Schlusslicht«.

Gewiss hatten große Parteien wie die CDU oder SPD mehr Zeit und finanzielle Mittel, um ihre Strukturen aufzubauen. Aber auch im Vergleich mit der Linken sehe die AfD alt aus, oder besser gesagt klein, heißt es in dem IW-Papier: »Sowohl bundesweit wie auch in Ostdeutschland, wo beide Parteien besonders präsent sind, verfügt die AfD über jeweils 3,8 Mal weniger Anlaufstellen – und das bei mehr als doppelt so vielen Sitzen im Bundestag und fünfmal so vielen Direktmandaten.«

Sogar in der digitalen Welt trete die AfD wenig in den direkten Diskurs mit ihrer riesigen Gefolgschaft, hat das IW-Autorenteam um Knut Bergmann beobachtet: So werde der Kurznachrichtendienst Twitter »fast exklusiv als top-down Kommunikationskanal« genutzt. Und »selbst auf direkte Bürgeranfragen reagieren ihre Parlamentarier weniger häufig als die Parlamentarier anderer Parteien«.

Wie blicken die Deutschen auf den Krieg?

Heute wird in Berlin ein Stimmungsbild der Deutschen nach einem Jahr Krieg in der Ukraine vorgestellt. Das Institut für Demoskopie Allensbach hat die Umfrage im Auftrag des Centrums für Strategie und Höhere Führung erstellt. Die Befragung wurde zwischen dem 5. und 18. Januar 2023 durchgeführt, also noch vor der Entscheidung der Bundesregierung über die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern  an die Ukraine.

Kundgebung für Panzerlieferungen am 4. Februar in München unter dem Motto »Tanke schön«

Foto: IMAGO/Sachelle Babbar / IMAGO/ZUMA Wire

Zwar ergab eine Umfrage danach, dass die Mehrheit der Deutschen diesen Schritt befürwortet. Trotzdem war die öffentliche Meinung zu Waffenlieferungen seit Kriegsbeginn immer wieder in zwei große Lager gespalten – man könnte sie vielleicht »Team Vorsicht« und »Team Engagement« nennen. Man darf daher gespannt sein, welche Ergebnisse nun die grundsätzlicher angelegte Erhebung des Allensbach-Teams um Renate Köcher zutage fördert.

Die politische Kluft läuft sogar durch die Bundesregierung, wie ein Bericht meiner Kolleginnen und Kollegen aus unserem Hauptstadtbüro zeigt: Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock ringen um den richtigen außenpolitischen Kurs der Regierung, und das nicht nur mit Blick auf Waffenlieferungen, sondern auch im Verhältnis zu China oder beim Verfassen einer nationalen Sicherheitsstrategie . Die grüne Ministerin will sich nicht abfinden mit der dienenden Rolle, in der sich viele ihrer Amtsvorgänger wiederfanden.

»Mit den beiden Wahl-Potsdamern treffen zwei gegensätzliche Typen aufeinander«, analysieren meine Kollegen zu Scholz und Baerbock, »zwei unterschiedliche Methoden, Politik zu machen. Pathos versus Pragmatismus, große Geste versus kleine Schritte.« Wer bei den Deutschen wohl besser ankommt? Die Beliebtheitswerte allein dürften dafür nicht entscheidend sein.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Die jüngsten Entwicklungen: Der ukrainische Präsident strukturiert seine Truppen um – und könnte schon bald nach Brüssel reisen. Die Schlacht um Bachmut geht weiter. Und: Millionen Bücher aus Bibliotheken entfernt. Der Überblick.

  • »Die schießen mit allem, was sie haben«: Russische Truppen sollen Bachmut nach monatelangen Gefechten beinahe eingekreist haben. Wie lange können die Ukrainer die symbolträchtige Stadt noch halten? Eindrücke aus dem Donbass von SPIEGEL-Reporter Christoph Reuter.

  • Wagner-Chef hat nach eigenen Angaben Bachmut mitbombardiert: Russische und ukrainische Soldaten kämpfen um jede Straße in Bachmut. Der Chef der Söldnergruppe Wagner zeigt sich nun in einem Kampfflugzeug nach einem Angriff auf die ukrainische Stadt – mit einer Botschaft an den ukrainischen Präsidenten.

  • Moskau verkauft Gold zur Deckung von Haushaltslücke: Die russische Wirtschaft leidet, im Haushalt klafft ein riesiges Loch. Nun musste der Kreml nach eigenen Angaben an seine Reserven. Die sind jedoch noch nicht ausgeschöpft.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Gewinner des Tages…

Stephan Bröchler, Landeswahlleiter von Berlin

Foto: Carsten Koall / dpa

…ist Stephan Bröchler, Landeswahlleiter in Berlin. Heute will der Mann mit dem derzeit härtesten Job der Hauptstadt die Presse über den Stand der Vorbereitungen für die Wiederholungswahl an diesem Wochenende informieren. Wie Eingeweihte der Berliner Senatsverwaltung für Inneres berichten, haben sich Medien aus aller Welt angemeldet.

Ihnen wolle Bröchler die vielen Sicherheitsvorkehrungen schildern, mit denen die verkorkste Wahl von 2021 im zweiten Anlauf klappen soll: 42.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfer würden eingesetzt, heißt es, also 7000 mehr als beim ersten Mal. 40 Prozent mehr Wahlzettel als tatsächlich gebraucht lägen bereit, damit bloß nicht wieder hektisch Nachschub aufgetrieben werden müsse. Und für die individuelle Stimmabgabe in der Wahlkabine seien sicherheitshalber vier Minuten Zeit einkalkuliert.

Ob das alles reicht, um ein abermaliges Chaos zu verhindern? Bröchler, im normalen Leben Verwaltungswissenschaftler an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, ist immerhin gebürtiger Düsseldorfer, das dürfte ihm bei seinem Ehrenamt helfen. Köln wäre natürlich noch besser gewesen, aber eine rheinische Frohnatur sollte mit den Berliner Zuständen leichter umgehen können als andere Gemüter.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • China entschuldigt sich für Ballon über Costa Rica: Peking hat eingeräumt, dass auch der Ballon über Lateinamerika aus der Volksrepublik stammt. Die USA veröffentlichen derweil Details zu dem jüngst abgeschossenen Flugobjekt – etwa Größe und Gewicht.

  • Wirtschaftsminister Habeck erwartet Zugeständnisse der USA: Die Biden-Regierung will Unternehmen bevorzugen, die in Nordamerika produzieren. Das soll China treffen – alarmiert aber auch Europa. Robert Habeck glaubt noch an einen Kompromiss mit Washington.

  • Fünf argentinische Rugbyspieler wegen Tötung von 18-Jährigem zu lebenslanger Haft verurteilt: Sie lauerten Fernando Báez Sosa vor einer Disco in einem argentinischen Badeort auf und prügelten ihn zu Tode. Nun wurde das Urteil für acht Spieler einer Rugby-Mannschaft verkündet – einer der Täter fiel dabei in Ohnmacht.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Die Chinesen kommen – gut so! Drei Jahre lang war ihr Land abgeschottet. Nun reisen die Menschen wieder. Wir sollten sie willkommen heißen – und selbst wieder nach China fahren .

  • Was Europa stärker macht: Die EU will ins Subventionsrennen mit den USA einsteigen und ihren Binnenmarkt schwächen. Das ist das falsche Rezept .

  • Für viele nur ein Verwaltungsakt, für manche das Ende einer Welt: Alle fünf Minuten tritt in München jemand aus der Kirche aus. Die Gründe werden nicht dokumentiert, doch die Standesbeamten wissen: Nicht nur Missbrauchsskandale und finanzielle Nöte bewegen Menschen zu dem Schritt .

  • Warum wir mehr Hunde im Büro brauchen: Vor Jahren gab es kaum Firmen, die Hunde im Büro erlaubt haben – heute raten Forscher sogar dazu. Aber was bedeutet es wirklich, wenn der Hund in der Konferenz sitzt? 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion