Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

10 Jahre AfD: "Olaf Scholz ist etwas Wichtiges gelungen"

Die AfD wird zehn Jahre alt – und ist in Umfragen so stark und stabil wie selten. Woran liegt das? Ein Experte erklärt die Strategien der Partei.

Die umstrittenste Partei Deutschlands feiert Geburtstag: Am Montag will die AfD im hessischen Königstein ihr zehnjähriges Jubiläum begehen. 300 AfD-Politiker und Parteifreunde sind eingeladen. Der Protest ist groß: Gewerkschaften und Vereine haben eine Demonstration angekündigt, die Polizei riegelt die Straße ab, Schulen lassen zur Sicherheit den Unterricht ausfallen.

Unabhängig vom Protest auf der Straße erzielt die Partei in Umfragen mit 14 bis 16 Prozent gute Werte. Hinter CDU, SPD und Grünen ist sie vierte Kraft im Land. Die Zustimmung ist größer als bei den beiden vergangenen Bundestagswahlen.

Welche Strategien machen die AfD zurzeit so erfolgreich? Ein Gespräch mit Autor und Politikberater Johannes Hillje über die Entwicklung der Partei, ihre Haltung zum Ukraine-Krieg und das strategisch wichtige Jahr 2024.

Johannes Hillje arbeitet als Politik- und Kommunikationsberater. (Quelle: Imago/Mauersberger)

Zur Person

Johannes Hillje, 37 Jahre alt, hat Politikwissenschaften studiert und zu Strategien der AfD promoviert. Im Herbst 2022 erschien sein Buch "Das 'Wir' der AfD: Kommunikation und kollektive Identität im Rechtspopulismus". Bereits 2017 veröffentlichte er "Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten Politik machen".

t-online: Herr Hillje, die AfD steht in Umfragen seit Wochen stabil bei 14 bis 16 Prozent. Warum ist sie zehn Jahre nach ihrer Gründung so stark wie selten?

Johannes Hillje: Das hängt mit ihrer Entwicklung hin zu einer thematisch flexiblen Partei zusammen. Sie ist als nationalkonservative Anti-Euro-Partei gestartet, wurde dann zu einer rechtspopulistischen Antimigrationspartei und ist heute eine radikal rechte, multithematische Anti-System-Partei. Als solche versucht sie, bei jedem Krisenthema Verunsicherung in Wut gegen die demokratischen Institutionen zu verwandeln.

Das scheint zurzeit gut zu gelingen.

Erst Corona, jetzt Energiekrise und Inflation, dazu permanent die Klimakrise – die Menschen stehen unter großem Veränderungsdruck. Und zwar bei ganz alltäglichen Dingen: Mobilität, Heizen, Ernährung. Die AfD profiliert sich als Verteidigerin eines vermeintlich normalen Lebensstils. Der Diesel soll auf der Straße bleiben, das Windrad nicht aufgestellt werden, der Facharbeiter-Kollege kein Migrant sein. Die AfD deutet Veränderung als Identitätsverlust, kulturalisiert ökonomische Fragen und will mit ihrem Normalitätsversprechen ihre Klientel von Veränderungsdruck entlasten. Das wirkt zurzeit recht gut.

Die AfD inszeniert sich mit Blick auf den Ukraine-Krieg auch intensiv als "Friedenspartei". Ist das auch Ausdruck dieser Strategie: Frieden gleich Normalität gleich Wohlstand?

Die AfD ist keine pazifistische, sondern vielmehr eine aggressive, völkische Partei. Aber zum Ukraine-Krieg sendet sie erstens die Botschaft: Wir wollen Frieden, dann müsst ihr nichts ändern und alles wird wieder so wie vorher. Zwar ist das Illusion, aber diese Botschaft kann für Ost- wie Westdeutsche attraktiv sein. Die AfD sagt aber auch zweitens: Wir wollen eine Partnerschaft mit Russland, keine mit den USA. Das spricht die Putin-Freunde an, von denen es im Osten mehr gibt als im Westen. Das ist die derzeitige Doppelbotschaft der AfD.

Aber dieselbe Strategie verfolgt doch auch die Linke?

Es gibt Überschneidungen, aber die Linke ist bei einigen Forderungen uneinig, zum Beispiel bei der Fortsetzung russischer Gaslieferungen. Von solchen Alleinstellungsmerkmalen profitiert die AfD. Sie kann dann ihre populistische Erzählung ausbreiten: Wir sind die Einzigen, die Politik fürs Volk machen. Auch wenn ihre Vorschläge realitätsfern und zugleich schädlich fürs Land sind.

Nach sehr langem Zögern will nun auch Kanzler Olaf Scholz der Ukraine Kampfpanzer liefern. Wird das der AfD weiteren Zulauf verschaffen?

Das glaube ich nicht. Denn Olaf Scholz ist etwas Wichtiges gelungen: Er hat die eigenen Anhänger, die eher skeptisch waren, von seinem Kurs überzeugt. Anfang Januar haben die meisten SPD-Anhänger die Lieferung von Kampfpanzern noch abgelehnt, nach Scholz' Entscheidung waren sie dann mehrheitlich dafür.

Wie auch die Mehrheit der restlichen Bevölkerung.