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Absatzschwund im Auto-Mekka: Werden ausländische Autobauer aus China vertrieben?

Für VW, BMW & Co. wird es im einstigen Absatzparadies China immer enger: Pekings Autobauer erobern immer mehr Anteile am größten Automarkt der Welt. Versinken westliche Hersteller nach jahrzehntelanger Dominanz in der Bedeutungslosigkeit?

Ausländische Autohersteller bekommen auf dem größten und profitabelsten Automarkt der Welt immer mehr Gegenwind. Ihr Wachstum in China stockt seit Jahren: Die Verkäufe von Verbrennern sind dramatisch gesunken und die wachsende Nachfrage nach Elektroautos bedienen nicht sie, sondern vor allem die einheimischen Autobauer. BMW, Daimler und VW führen auf dem boomenden Elektromarkt teils nur ein lächerliches Nischendasein, das sie lieber tief in den Bilanzen verstecken.

Beobachter fürchten bereits, es könnte nur der Anfang eines dramatischen Verdrängungswettbewerbs sein. Denn der stetig wachsende Anteil an Stromern im chinesischen Gesamtmarkt wird laut dem in Schanghai ansässigen Beratungsunternehmen Automobility schon sehr bald dazu führen, dass die heimischen Player die ausländischen insgesamt überholen. Chinesische Autobauer werden dann auf ihrem Heimatmarkt mehr Pkw verkaufen, als die geballte ausländische Konkurrenz.

Überholmanöver mit Höchstgeschwindigkeit

Laut Automobility ist die Aufholjagd bereits so gut wie geglückt. Schon 2022 entfielen demnach 47 Prozent des gesamten Pkw-Absatzes in China auf heimische Autohersteller. "Ausländische Marken verlieren eindeutig Marktanteile", zitiert die "Financial Times" Automobility-Gründer und Unternehmenschef Bill Russo. "Wir erwarten daher, dass 2023 das erste volle Kalenderjahr sein wird, in dem lokale Marken globale Marken beim Verkaufsvolumen übertreffen werden." Für Ford, BMW oder VW, die den Markt jahrzehntelang mit ihren Autos überschwemmt haben, bedeutet das eine Zeitenwende - mit möglicherweise fatalen Folgen.

China ist der größte Pkw-Markt weltweit und für die westlichen Autobauer seit Jahrzehnten ein Absatz-Mekka. 2022 wurden hier insgesamt rund 23 Millionen Autos neu zugelassen. Zum Vergleich: In den USA, dem zweitgrößten Automarkt der Welt, gab es 13,7 Millionen Neuzulassungen. Noch wichtiger als die bisherigen Verkäufe ist aber das weitere Potenzial des Markts: Im Reich der Mitte gibt es bei der Pkw-Dichte noch sehr viel mehr Luft nach oben als im Land der eigentlich unbegrenzten Möglichkeiten. Während in den USA bereits rund 820 Autos pro 1000 Einwohner und in der EU etwa 570 Pkw pro 1000 Einwohner über die Straßen rollen, sind es in China nur etwa 110.

In- und ausländische Konzerne kämpfen um möglichst fette Stücke von diesem Kuchen. Und die nackten Zahlen zeigen, dass chinesische Autobauer in der eindeutig besseren Position sind. Die Corona-Bremsspuren in der chinesischen Wirtschaft und die Streichung von Subventionen und Steuererleichterungen bei der Anschaffung haben zwar dazu geführt, dass die Autoverkäufe stark rückläufig sind. In den ersten beiden Monaten des Jahres sind sie im Vorjahresvergleich um fast 20 Prozent eingebrochen, wie die China Passenger Car Association mitteilte.

Aber ausländische Hersteller wurden von dem Einbruch deutlich härter getroffen: Während der Umsatz bei chinesischen Autoherstellern im Januar und Februar um lediglich ein Prozent zurückging, schrumpfte er bei deutschen Herstellern um 21, bei japanischen um 40, koreanischen um 25 und US-Herstellern um 13 Prozent.

"Alle werden in diesem Auto-Mekka mitkämpfen"

Dass die chinesische Autoindustrie die ausländische Konkurrenz bald überrundet, sieht auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer kommen. Er erwartet das Überholmanöver allerdings eher für 2024 oder 2025. "Der chinesische Automarkt hat sich stark und sehr schnell entwickelt", sagt der Leiter des Duisburger Center Automotive Research (CAR) ntv.de. Untergangsszenarien oder dass ausländische Autobauer in China abgehängt werden und sich, wie manche befürchten, mit den Krumen des Kuchens zufriedengeben müssen, sieht er jedoch nicht. "Das neue Auto-Mekka wird anders aussehen. Aber Europäer, Amerikaner und Japaner werden in ihm mitkämpfen", prognostiziert Dudenhöffer.

China hat sich zum weltweit bedeutendsten Einzelmarkt für elektrische Fahrzeuge entwickelt, weil die Regierung in Peking eine konsequente und langfristige Industrie- und Technologiepolitik verfolgt und "New Energy Vehicles" (NEV) mit stattlichen Subventionen und Förderungen in Höhe von umgerechnet 120 Milliarden US-Dollar gezielt gefördert hat. Was so eine Politik bewirken kann, kann man heute sehen. Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Nachfrage nach klimafreundlicheren Fahrzeugen so groß wie in China. Im vergangenen Jahr haben sich die Verkäufe von Hybrid- und Elektroautos verdoppelt, der Bereich macht mittlerweile ein Viertel des Absatzes aus. Andere Staaten waren in ihrer Politik weniger konsequent.

Die Hoffnung und Stärke für deutsche oder europäische Autobauer kann in China laut Dudenhöffer nur in den Joint Ventures mit der einheimischen Industrie liegen, die in der Vergangenheit auch die einzige Möglichkeit war, auf dem Markt überhaupt aktiv zu werden. "Die Chinesen treiben ihre Konzerne und Startups technologisch schneller nach vorn als das Silicon Valley", so Dudenhöffer. "In fünf oder in zehn Jahren werden die Autos autonom fahren. Wir werden eine völlig neue Generation von Autos sehen. Die Transformation zur E-Mobilität wird dagegen langweilig aussehen." Westliche Autobauer sollten zusehen, wie sie vom technischen Vorsprung in China profitieren können.

Der rückläufige Absatz und der harte Preiswettbewerb wird den ausländischen Autoherstellern noch ein hartes Jahr bescheren. Im Juli treten in China neue Abgasnormen in Kraft. Das dürfte den Verdrängungsprozess auf dem Automarkt weiter beschleunigen. Altfahrzeuge mit Benzinmotor werden dann voraussichtlich wieder durch günstige chinesische E-Modelle ersetzt. Eine Änderung der Normen 2019 hatte ähnliche Folgen. Der Druck auf VW & Co. wächst. "Noch arbeiten die deutschen und europäischen Autobauer in zwei Welten, in der heimischen und der chinesischen", so Dudenhöffer. Die Zukunft aber liege in der chinesischen. "Wir werden Autos haben, die sehr viel mehr chinesischen Inhalt drin haben", ist er sich sicher.