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Aktien: Norwegens Staatsfonds: 150 Mrd. Euro Verlust – und trotzdem Renditekönig

Der norwegische Staatsfonds gilt als Vorbild für die geplante Aktienrente in Deutschland. Jetzt hat der Fonds einen Verlust von 150 Mrd. Euro für 2022 vermeldet. Das ist kurzfristig zwar viel Geld, doch langfristig fällt das kaum ins Gewicht

Auf den ersten Blick liest sich die Bilanz katastrophal: 150 Mrd. Euro hat der norwegische Staatsfonds im abgelaufenen Jahr verloren – 14,1 Prozent. Noch nie war das Defizit in absoluten Zahlen größer, prozentual nur einmal in der Finanzkrise 2008.  

Die Gründe liegen auf der Hand, treffen eigentlich aber auf den gesamten Finanzmarkt zu. „Es war ein hartes Jahr überall auf der Welt“, stellte Fondschef Nicolai Tangen auf einer Pressekonferenz in Oslo fest. Der Markt sei vom Ukraine-Krieg, hoher Inflation und steigenden Leitzinsen beeinflusst gewesen. Dies habe sich sowohl auf den Aktien- als auch auf den Anleihenmarkt zugleich ausgewirkt, was sehr ungewöhnlich sei. Alle Sektoren des Aktienmarktes hätten negative Renditen erzielt – mit Ausnahme der Energiebranche. 

Vor allem in Deutschland sorgte die Nachricht für Aufsehen, da die Bundesregierung mit der Aktienrente aktuell an einem ähnlichen Projekt arbeitet. Der norwegische Staatsfonds zeige nun beispielhaft, wie Zockerei den Wohlstand eines Landes gefährde, wurde kritisiert. So erklärte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch auf Twitter: „Klar ist: Wir Grünen werden die Renten von Millionen Menschen in Deutschland nicht durch Spekulationen am Aktienmarkt in Gefahr bringen.“ Schon einige Tage vorher formulierte es sein Parteikollege Frank Bsirske ähnlich: „Unser Rentensystem lässt sich nicht durch Aktienspekulationen fit für die nächsten Jahrzehnte machen.“ Auch von SPD, Linken und Teilen der AfD ist die Kritik an der Aktienrente groß. 

Üppige Gewinne in der langen Frist

Doch das Beispiel des norwegischen Staatsfonds zeigt auch, wie wenig fundiert die Kritik ist. Tatsächlich ist der Papierverlust in diesem Jahr beträchtlich. Doch viel wichtiger ist: Seit seiner Auflegung im Jahr 1996 hat der Fonds trotz aller Krisen über 6,3 Billionen Kronen (rund 580 Mrd. Euro) an Rendite eingefahren. Hinzu kommen noch etwa 180 Mrd. Euro aus Währungsgewinnen, die aus den massiven Investitionen in ausländische Assets stammen. Zoomt man also aus der kurzfristigen Betrachtung heraus, zeigen sich üppige Gewinne. Das zeigt auch ein Chart, das der Anlageexperte Christian W. Röhl auf Twitter veröffentlichte. 

Der norwegische Staatsfonds galt über viele Jahre als Blaupause, wie Staaten ihr Geld am Kapitalmarkt anlegen können. Er erzielt eine jährliche Durchschnittsrendite von 6,3 Prozent und hat eine attraktive Gesamtkostenquote (TER) von 0,05 Prozent. Das Geld investiert die Norges Bank Investment Management (NBIM) weltweit. Von tausenden Unternehmen besitzt der Fonds im Schnitt jeweils 1,1 Prozent der Anteile – etwa 1,03 Prozent an Apple oder 1,13 Prozent an Microsoft. In Deutschland besitzt NBIM etwa nennenswerte Anteile am Wohnungskonzern Vonovia (14,6 Prozent) oder dem Food Start-up HelloFresh (7,15 Prozent)  

Jeder Norweger theoretisch Millionär

Über die Jahre zahlt sich die Strategie aus: In Kronen gerechnet ist jeder Norweger über das Gesamtvolumen von 12,4 Billionen Kronen Millionär – in Euro sind das immerhin 200.000 Euro. Und es wird jährlich mehr. Norwegen finanziert seinen Fonds aus den Öl-Einnahmen, was auch den großen Unterschied zum geplanten deutschen Modell darstellt. Der Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht nämlich ein schuldenfinanziertes Modell vor. Das kostet sogar noch zusätzlich Geld. Entweder der Staat leiht sich Geld bei Banken oder gibt eine Anleihe aus, die beispielsweise über zehn Jahre mit rund 2,3 Prozent verzinst würde. Diese 2,3 Prozent müsste der geplante Fonds erst einmal übertreffen. Mischmodelle, in die zum Beispiel auch Steuereinnahmen fließen könnten, scheiterten bislang aus politischen Gründen. 

Infineon Technologies AG kam direkt vor der Deutschen Post weltweit auf Platz 97 und belegte Platz sechs im bundesweiten Vergleich. Die 2,60 Prozent der Anteile (und Stimmrechte) waren offiziellen Angaben zufolge zuletzt rund 13,9 Mrd. Kronen wert.

Der norwegische Pensionsfonds hält Aktien an 212 deutschen Unternehmen. Der Spitzenreiter sticht selbst im globalen Vergleich hervor. Dies sind die größten deutschen Investments der Norweger

Planmäßig soll der Fonds noch in diesem Jahr aufgelegt werden. Zunächst sollen 10 Mrd. Euro hineinfließen, die weltweit investiert werden sollen. Das Fondsvolumen soll dann bis 2037 jährlich um den gleichen Betrag steigen. Ab da soll der Fonds die Rentenfinanzierung massiv entlasten. Bislang sind aber noch etliche Fragen offen: zum Beispiel, wie risikoreich der Fonds anlegen darf – oder ob er gewisse Nachhaltigkeitskriterien erfüllen muss. 

Manche zweifeln, ob das überhaupt gelingen kann. Neben Bsirske und Audretsch warnt zum Beispiel auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, vor einem „Zocken“ mit der Rente. „Selbst wenn man das Kapital sehr konservativ anlegt, gibt es erhebliche Risiken.“ Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund legte gestern in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ nach. Dort erklärte Vorstandsmitglied Anja Piel: „Sollte der Finanzminister weiter davon träumen, für sein Projekt der Aktienrente mit dem Geld der Beitragszahler zu zocken, kann er sich warm anziehen.“ Lindner, glaubt Piel, wolle die Beschäftigten in die Arme der privaten Versicherungswirtschaft treiben. Dabei gewönnen nur Finanzindustrie und Arbeitgeber. 

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