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Aufstand gegen die Mullahs: Ein Song aus Israel wird zum Soundtrack der Iran-Proteste

Aufstand gegen die Mullahs Ein Song aus Israel wird zum Soundtrack der Iran-Proteste

Wochenlange Proteste erschüttern den Iran. In einer Diktatur, die jede Kritik untergräbt, ist die Macht der Musik das Sprachrohr einer Generation - sogar, wenn die Musik aus Israel kommt.

Ausgelöst durch den Mord an der Kurdin Mahsa Amini durch die iranische Sittenpolizei, finden im Iran seit Wochen Proteste gegen das Regime statt. Täglich gibt es unter den Demonstranten Tote und Verletzte, die ein Ende der Mullah-Diktatur fordern. Auch in Israel, das vom Regime in Teheran als "zionistischer Teufel" bezeichnet wird, werden die Proteste im Iran aufmerksam verfolgt. Ausgerechnet das Album einer israelischen Musikerin wurde zum "Soundtrack der neuen Revolution", wie der israelische Musikpsychologe Nathan Mehrzadi sagt.

Tatsächlich sind die auf Farsi gesungenen Lieder der israelischen Sängerin und Schauspielerin Liraz Charhi in der islamischen Republik sehr beliebt. Die Tochter iranisch-jüdischer Einwanderer wurde durch ihre Rolle als Mossad-Agentin in der israelischen Serie "Teheran" international bekannt. Anfang 2022 nahm sie in Istanbul mit einigen iranischen Musikern - mit denen sie schon in der Vergangenheit online zusammengearbeitet hatte - ihre aktuelle Platte "Roya" auf - das persische Wort bedeutet "Fantasie". Danach trat sie auch mit ihnen während eines Musikfestivals in der Synagoge in Krakau auf.

"Zusammen werden wir eine Revolution starten"

Auch Nathan Mehrzadi hat iranische Wurzeln - der Musikpsychologe erlebte 1979 noch die islamische Revolution, die den Schah vertrieb und die Mullahs an die Macht brachte. "Freiheit und Selbstbestimmung dominiert die Rebellion", sagt er über die aktuellen Proteste. "Die junge Generation will Demokratie. Mit dem Internet gibt es neue Möglichkeiten." Aus Mehrzadis Sicht geht es bei den Protesten im Iran um mehr als Politik.

Vor allem die Frauen wollten ihr Land und ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten. Dabei wollten sie nicht den Westen kopieren, sondern auch ihre eigene Kultur einbringen, die viele über die Musik verbreiten, die sie als Vehikel für ihre revolutionären Ideen nutzen. "Über die Musik wird das ausgedrückt, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist", so Mehrzadi.

Schon Charhis Debüt von 2018 war im Iran ein Erfolg. "Danach erhielt ich zahlreiche Videos von Frauen, die in Teheran auf Underground-Partys ihre Tschadors auszogen und zu meinen Liedern tanzten", sagte die Sängerin. Ihr aktuelles Album enthält eine Liebeserklärung an den Iran, aber auch Kampfansagen an die aktuellen Machthaber. "Zusammen werden wir eine Revolution starten", heißt es dort, oder: "Wie lange werden wir noch ruhig sein, unseren Kopf gesenkt halten, unsere Knie gebeugt?" Im dazugehörigen Musikvideo tanzt Charhi zusammen mit einigen Frauen, die bunte Kleider tragen.

Viele israelische Musiker haben Fans im Iran

Seit der Revolution von 1979 betrachtet die islamische Republik Israel als Feind. Besuche in Israel oder die künstlerische Zusammenarbeit mit Israelis stehen unter Strafe. Daher wollten die iranischen Musiker die israelische Sängerin nur unter der Bedingung treffen, dass ihre Gesichter auf Aufnahmen unkenntlich gemacht und ihre Namen nirgends veröffentlicht würden. Trotz aller Verbote träumt Charhi davon, im Iran aufzutreten. "Ich wollte immer meine Freunde und Familie aus der Heimat meiner Eltern treffen und werde irgendwann dieses großartige Land besuchen können."

Dass Sängerinnen und Sänger aus Israel Fans im Iran haben, ist gar nicht so selten. Charhi ist die Nichte des israelischen Popstars Rita, deren 2012 auf Farsi gesungenes Album im Iran ebenfalls erfolgreich war. Der israelische Künstler Mark Eliyahu - der die Musik zur Serie "Teheran" produzierte - spielt regelmäßig in der Türkei vor iranischem Publikum. Der aus Dagestan gebürtige Meister der Kamantsche - eine Stachelgeige aus der iranischen und aserbaidschanischen Musik - wuchs mit türkischer und persischer Kultur auf.

"Im Iran weht der Wind des Wandels"

"Viele Iraner lieben Israel, fürchten aber die extremistisch-islamischen Machthaber in ihrem Land", erklärt Hadar Maoz, eine israelische Sängerin, die ebenfalls iranische Wurzeln hat. "Sie haben starkes Interesse am Judentum und wünschen sich einen Regime-Wechsel, damit sie die Beziehungen mit dem jüdischen Staat offen erneuern können." Maoz veröffentlichte 2020 das Lied "Enlighten Iran", in dem sie die Befreiung des iranischen Volkes vom Joch der schiitischen Diktatur fordert. Nachdem der Song auf YouTube tausendfach aufgerufen wurde, erhielt sie viele positive Nachrichten aus dem Iran. Mit ihrer Band Persian Bukharan Groove tritt sie weltweit auf und mischt authentische Volksmusik mit einem modernen und mitreißenden Beat. "Nicht jeder kann mir öffentlich antworten oder schreiben", sagt Maoz. "Seit mein Video gepostet wurde, ist der Song im Mullah-Staat verboten, trotzdem schreiben mir Iraner unter falschem Namen viele Nachrichten."

Die Machthaber in Teheran stemmen sich mit blutiger Gewalt gegen die Proteste, doch "im Iran weht der Wind des Wandels", sagt Nathan Mehrzadi. "Und dieses Mal spielt die Musik eine andere Rolle als bei früheren Protesten." Der Musikpsychologe erklärt, dass durch das Ausschalten der Opposition und Presse Lieder - auch aus Israel - zum Sprachrohr gegen die Diktatur wurde. Während die islamische Republik Musik als "unislamisch" ansieht, benutzen die Demonstranten sie, um ihre Ziele und Inhalte zu verbreiten. "Die Menschen haben die Magie der Musik verstanden", so Mehrzadi. "Sie kennt keine Grenzen und kann die Welt verändern."