Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Autor Hagelüken im Interview: "Das ist eine Klatsche für unseren Umgang mit Wirtschaft"

Autor Hagelüken im Interview "Das ist eine Klatsche für unseren Umgang mit Wirtschaft"

Wie finde ich meinen ersten Job? Warum verdienen Frauen weniger? Wie haben Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg milliardenschwere Unternehmen gegründet? Ist der Kapitalismus das Problem? Das sind Fragen, die sich viele Kinder und einige Erwachsene stellen. Das Buch "Wirtschaft for Kids" hat die Antworten. Im Interview mit ntv.de spricht Autor Alexander Hagelüken darüber, warum Taschengeld so wichtig ist, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen Europäern extrem wenig Vermögen haben und warum auch Erwachsene keine Scheu vor Wirtschaftsthemen haben sollten.

Hagelüken Querformat.jpg
Hagelüken Querformat.jpg

Alexander Hagelüken ist leitender Redakteur für Wirtschaftspolitik bei der Süddeutschen Zeitung.

ntv.de: Im Vorwort fragen Sie, ob die Leserin oder der Leser jemals mit den Eltern über das Taschengeld verhandelt hat. Haben Sie als Kind mit Ihren Eltern um Taschengeld verhandelt?

Alexander Hagelüken: Auf jeden Fall. Als ich ein Kind war, gab es den Euro noch nicht. Ich erinnere mich, dass es damals um eine Mark und 75 Pfennig ging. Am Anfang waren das noch kleine Beträge. Ich habe nicht das bekommen, was ich für angemessen hielt. Aber so geht es wahrscheinlich Millionen von Kindern.

Jetzt sind Sie auf der anderen Seite der Verhandlung. Sie haben vier Kinder. Wie sind die Verhandlungen mit ihnen verlaufen?

Mit meinen beiden älteren Söhnen, die jetzt 21 und 23 Jahre alt sind, haben wir früher oft über das Taschengeld verhandelt. Jetzt fängt es mit den beiden jüngeren an. Sie sind neun und bald sieben Jahre alt. Ich muss allerdings zugeben, dass wir in letzter Zeit etwas nachlässig bei der regelmäßigen Auszahlung waren, weil sich das Taschengeld noch nicht wirklich durchgesetzt hat. Das ist sicher ein Punkt, an dem ich in nächster Zeit brutal nachbessern muss.

Taschengeld ist das erste Thema, das Sie in diesem Buch ausführlich behandeln. Warum ist dies ein gutes Mittel, um Kindern mehr über Wirtschaft beizubringen?

Mit dem Taschengeld kann man Kindern spielerisch etwas beibringen, was uns oft im späteren Leben betrifft. Wer zum Beispiel bei Gehaltsverhandlungen nicht weiß, welche Löhne in seiner Branche gezahlt werden, wird schlechte Karten haben. Mit dem Taschengeld lernen Kinder auch, selbstständig mit Geld umzugehen. Denn zum ersten Mal in ihrem Leben können sie sich etwas kaufen, ohne dass die Eltern sich einmischen. Kinder lernen so, mit Geld umzugehen. Das ist wichtig, denn die Wirtschaft rennt nicht weg, weil man keine Lust darauf hat. Sie beeinflusst immer unser Leben.

Das schreiben Sie auch in Ihrem Buch. Wann haben Sie erkannt, worum es in der Wirtschaft alles geht?

Ich habe schon sehr früh angefangen, Zeitungen zu lesen. Damals war es die Süddeutsche Zeitung, für die ich heute arbeite. Natürlich habe ich mich auch für viele andere Dinge interessiert, zum Beispiel für Politik und Fußball, aber eben auch für die Wirtschaft. Schon damals habe ich die Börsenkurse studiert und wollte unbedingt eine Aktie von meinem Vater haben. Er hat mir dann eine gekauft, für 15 Mark. Ich habe immer verfolgt, wie sich der Aktienkurs entwickelt.

Heutzutage handeln junge Leute in ihrer Mittagspause mit Aktien auf ihren Smartphones. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich junge Menschen heute mehr mit Wirtschaftsthemen beschäftigen?

Ich halte es für eine positive Entwicklung, dass junge Leute lernen, wie man investiert und welche Aktien man jetzt kaufen oder verkaufen sollte. Die Deutschen sind im Allgemeinen sehr vorsichtig, wenn es darum geht, Geld anzulegen. Viel zu oft lassen sie ihr Geld einfach auf einem Sparkonto liegen.

Die Jugend von heute lernt von klein auf zu googeln. Macht dieser einfache Zugang zu Informationen es ihnen leichter, sich über Wirtschaftsthemen zu informieren?

Wir haben eine wahnsinnige Menge an Informationen, die digital verfügbar sind. Es gibt aber auch viel mehr Schrott, der per Mausklick verfügbar ist, als früher. Deshalb finde ich es wichtig, auch in diesen Zeiten etwas leicht Lesbares in einer vernünftigen Form anzubieten.

Nicht nur Kindern fällt es schwer, die Wirtschaft zu verstehen. Wenn Sie sich die öffentliche Diskussion über die heutige Energiekrise ansehen, was fällt Ihnen auf?

Ich glaube, Leute haben oft das Gefühl, dass alles wahnsinnig kompliziert ist. Nehmen wir die Gasumlage als Beispiel: Ich glaube, es ist nicht einfach zu sehen, worum es hier wirklich geht, weil die Diskussion oft politisch ist. Die Politiker haben natürlich ihre eigenen Interessen. Sie reden um das Thema herum und lenken die Diskussion in eine bestimmte Richtung. Wir brauchen deshalb ein gutes Erklärungsangebot, das zunächst ohne Meinung auskommt. Daraus können dann politische Forderungen abgeleitet werden.

Sollten also auch Erwachsene dieses Buch lesen?

Bücher, die eigentlich für Jugendliche geschrieben sind, werden oft von Erwachsenen gelesen. Und wenn das bei meinem Buch auch der Fall ist, dann freue ich mich. Also als Autor freut man sich natürlich über jeden Leser. Erklärungsbücher für Erwachsene erklären oft nicht genug. Ich selbst kenne solche Bücher. Gleich am Anfang werden den Leuten Begriffe wie Mikroökonomie und Makroökonomie um die Ohren gehauen. Jeder normale Mensch sagt: "Um Gottes willen, was ist das?".

Welche der Statistiken, die Sie für dieses Buch recherchiert haben, hat Sie wirklich überrascht?

Ich war überrascht, wie wenig Häuser die Deutschen besitzen. Die Quote liegt hierzulande bei 40 Prozent. In anderen europäischen Ländern ist die Quote viel höher - sowohl in südlichen Ländern wie Spanien und Italien, als auch in osteuropäischen Ländern. Früher haben wir gesagt, dass man nicht kaufen muss, weil man in Deutschland auch günstig mieten kann. Aber jetzt stellen wir fest, dass das nicht mehr geht. Die Folge ist, dass Menschen in diesen Ländern viel sicherer mit ihrem Vermögen waren, während in Deutschland die meisten ihr Geld auf dem Sparbuch liegen ließen und nichts dafür bekamen. Das mittlere Vermögen der einzelnen Bürger in Deutschland, einer Wirtschaftsnation, die in Europa als sehr stark gilt, ist viel niedriger als in anderen europäischen Ländern. Das ist eine totale Klatsche ins Gesicht für unseren Umgang mit der Wirtschaft.

Mit Alexander Hagelüken sprach Clara Suchy