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Bachs Plan macht fassungslos: Russland-Frage wird zur Zerreißprobe für den Weltsport

Bachs Plan macht fassungslos Russland-Frage wird zur Zerreißprobe für den Weltsport

Olympia im Zeichen des Krieges: IOC-Präsident Thomas Bach will "Neutrale Athleten", die Ukraine reagiert entsetzt - und aus Russland kommt ungeniert die Forderung nach Aufhebung aller Sanktionen. Die Debatte um das Für und Wider wird hitziger.

Stanislaw Posdnjakow ist gern gesehen beim Internationalen Olympischen Komitee, schließlich gehört der Chef des russischen NOK zur Familie. Im Dezember, als Präsident Thomas Bach den Plänen zur russischen Rückkehr in den Weltsport erstmals öffentlich Nachdruck verlieh, gehörte Posdnjakow zu den Gipfelgästen. Jetzt, da sich Bachs Vorstellungen der "individuellen, neutralen Athleten ohne Bezug zu einer Nationalität" verstetigen, präsentiert Posdnjakow eigene Ideen. Während die Ukraine mit Boykott der Sommerspiele 2024 in Paris droht, Box-Ikone Wladimir Klitschko Bach davor warnt, sich zum Komplizen Russlands zu machen, und der Ton in Richtung Lausanne schärfer wird, meldete sich Posdnjakow über die russischen Nachrichtenagenturen zu Wort.

Er begrüße "den Versuch" des IOC, "unseren Athleten die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen und möglicherweise den Olympischen Spielen zu ermöglichen", sagte der frühere Fechter. Allerdings nicht zu den "strengen Bedingungen" des IOC. "Russen müssen genau zu den gleichen Bedingungen teilnehmen wie alle anderen Athleten", sagte er. Alle anderen Bedingungen seien "unerwünscht, vor allem die mit politischen Untertönen, die für die Olympische Bewegung völlig inakzeptabel sind".

"Heute sind Russen Olympiasieger in Verbrechen"

Flagge, Hymne, Farben: All das gehöre dazu. Denn: Die Olympische Charta schreibe vor, "dass alle Athleten gleichberechtigt teilnehmen müssen". Also auch Russen und Belarussen, darunter viele Sportler und Sportlerinnen im Dienste der Staaten, die in ihrem brutalen Angriff auf die ukrainische Zivilbevölkerung nicht nachlassen, wie Wladimir Klitschko in einer Videobotschaft an Bach verdeutlichte.

Der frühere Box-Weltmeister und Olympiasieger von 1996 ließ sich vor einem zerstörten Haus filmen und sprach Bach direkt an. "Heute sind Russen Olympiasieger in Verbrechen gegen Zivilisten. Sie gewinnen die Goldmedaille in der Verschleppung von Kindern und der Vergewaltigung von Frauen", sagte Klitschko. Versieht Bach diese Verbrechen mit dem "olympischen Abzeichen", mache er sich zum "Komplizen dieses abscheulichen Krieges" und verrate "den olympischen Geist". Bach hatte die IOC-Pläne verteidigt, mit Menschenrechtsanforderungen der Olympischen Charta wie auch der Vereinten Nationen argumentiert. Athleten "aufgrund ihres Passes auszuschließen", verstoße gegen die Prinzipien. Bach stützt sich dabei auf eine "überwiegende Mehrheit", die er in der Olympischen Bewegung nach "Konsultationsgesprächen" ausgemacht habe.

Die Kritik reißt derweil nicht ab. Mal schärfer, wie von Selenskyjs Berater Michailo Podolyak, der das IOC als "Förderer von Krieg, Mord und Zerstörung" bezeichnete, was das IOC "aufs Schärfste" zurückweisen ließ. Mal differenzierter, wie von Estlands Premierministerin Kaja Kallas, die Russlands Sport als "Propagandawerkzeug" beschrieb, die IOC-Pläne als "politisch und moralisch falsch" titulierte und forderte, "die Isolation zu stärken, und nicht, Russland nachzugeben". Auch die baltischen Staaten und Polen stellten sich am heutigen Dienstag klar gegen eine Wiederzulassung russischer Sportler. "Wir sind uns alle einig, dass ein solcher Schritt nicht unterstützt werden sollte und inakzeptabel ist, solange Russland, unterstützt von Belarus, seine unprovozierte direkte Aggression gegen die Ukraine fortsetzt", sagte der lettische Außenminister Edgars Rinkevics nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen Urmas Reinsalu (Estland), Gabrielius Landsbergis (Litauen) und Zbigniew Rau (Polen) in Riga. "Unsere Haltung bezüglich der Ankündigung des IOC-Managements ist eindeutig und sehr entschieden."

"Es ist wieder mal ein Kotau vor Russland"

Auch der Sportphilosoph Gunter Gebauer attackierte das IOC und seinen deutschen Präsidenten für die Russland-Diplomatie. "Es ist wieder mal ein Kotau vor Russland", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Strategie, die Bach und das IOC Exekutivkomitee verfolge, halte er für "viel zu weich und nachgiebig" gegenüber dem Regime von Wladimir Putin. "Nach den Statuten der Olympischen Spiele kann das Nationale Olympische Komitee einer Krieg führenden Nation, insbesondere wenn es sich um einen Angriffskrieg handelt, nicht zu Olympischen Spielen eingeladen werden", erklärte Gebauer. Die vom IOC angestrebte Lösung sei typisch für IOC-Chef Bach. "Er taktiert und versucht, Russland nicht zu erzürnen", sagte er.

Bei den Winterspielen 2022 in Peking habe sich gezeigt, dass durch das Auftreten der Russen "die Neutralität überhaupt keinen Bestand" habe. Das Argument des IOC, Sportler dürften nicht für ihre Nationalität bestraft werden, trifft laut Gebauer nicht zu: "Die meisten von ihnen werden staatlich gefördert und werden zu staatlicher Solidarität angehalten und zeigen sie auch." Schon am Freitag könnte aus dem Streit um eine Russland-Rückkehr eine Debatte um einen Boykott der Paris-Spiele werden. Das Nationale Olympische Komitee der Ukraine will auf einer einberufenen Generalversammlung darüber beraten, ob das Land im Falle einer Zulassung russischer Sportler nicht an den Sommerspielen teilnimmt.

Darauf könnte eine Boykott-Welle anderer Länder aus Solidarität mit der Ukraine folgen. Sportexperte Gebauer hält einen Olympia-Boykott von Ländern wie Deutschland in dieser Frage für den falschen Weg. Bisherige Boykottformen wie 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles seien relativ erfolglos gewesen und hätten eher der Gegenseite freien Lauf gelassen, sagte er. Ein Boykott werde "die Russen überhaupt nicht stören, Hauptsache, sie können die Medaillenspiegel anführen", meinte Gebauer.