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Bad Kissingen: Warum das Jugendamt dringend Pflegeeltern sucht

Weil die Fallzahlen steigen und die Plätze in den Heimen nicht nur teurer, sondern auch knapper werden, ist die Situation in der stationären Jugendhilfe auch im Landkreis Bad Kissingen aktuell sehr angespannt, hieß es im jüngsten Jugendhilfeausschuss des Kreises. Denn der Fachkräftemangel ist auch hier zu spüren: Einrichtungen müssen ihr Betreuungsangebot zurückfahren und Gruppen zeitweise oder ganz schließen. So hat zum Beispiel die Inobhutnahmestelle für Mädchen und junge Frauen des Antonia-Werr-Zentrums St. Ludwig (Schweinfurt) derzeit ganz geschlossen.

Das hat zur Folge, wie es hieß, dass man Kinder und Jugendliche, wenn sie Hilfe brauchen, öfter als sonst in Pflegefamilien unterbringen muss. 52 Eltern, beziehungsweise Familien stehen derzeit im Landkreis Bad Kissingen zur Verfügung. Sie betreuen insgesamt 71 Kinder und Jugendliche, sagte A. Gerst vom Pflegekinderfachdienst des Jugendamts nach der Sitzung im Gespräch mit dieser Redaktion.

Schwerpunkt der Bereitschaftspflege sind Inobhutnahmen

"Die Zahl ist erfreulich konstant", sagt Gerst. Dennoch werden Pflegeeltern derzeit dringend gesucht, vor allem solche, die in akuten Fällen sofort Kinder und Jugendliche aufnehmen können – Schwerpunkt sind hier Fälle von Inobhutnahmen.

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Denn die Pflegestellen sind unterschiedlich ausgerichtet. Wenn Kinder und Jugendliche in Langzeitpflegestellen auf Dauer von anderen Eltern, beziehungsweise Familien aufgenommen werden, ist es laut Gerst meist so, dass sich die leiblichen Eltern aus unterschiedlichen Gründen nicht um ihre Kinder kümmern können. Manchmal lebt ein Kind sogar von der Geburt bis zur Selbstständigkeit in der Pflegefamilie.

"Wir sehen zu, dass alle Kinder ihre leiblichen Eltern kennen."

A. Gerst, Pflegekinderfachdienst

Doch die Rückführung in die Ursprungsfamilie ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamts nie ausgeschlossen, sagt Gerst. "Wir sehen zu, dass alle Kinder ihre leiblichen Eltern kennen." Die Kinder und Jugendlichen können diese auch besuchen, sagt Gerst und erzählt von einer jungen Frau, die 17 Jahre in einer Pflegefamilie lebte und jetzt zurück zu ihrer leiblichen Familie ging.

Kurzzeitpflege: Wenn die Mutter zum Beispiel ins Krankenhaus muss

In den Kurzzeitpflegstellen leben Kinder und Jugendliche nur vorübergehend. Wenn zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter ins Krankenhaus oder zur Reha muss, werden die Kinder dann zeitweise dort aufgenommen, erklärt Gerst.

Zudem gibt es im Landkreis derzeit sechs Bereitschaftspflegestellen: Eltern und Familien haben dann zugesagt,  in akuten Fällen sofort Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Sie sind vor allem gefordert, wenn Kinder aus unterschiedlichen Gründen sofort aus ihren Herkunftsfamilien herausgenommen werden müssen, sagt Gerst.

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Die Zahl dieser Inobhutnahmen ist nicht nur im Landkreis Bad Kissingen in den vergangenen Jahren gestiegen. Bis Mai 2022 hatte man beim Jugendamt im Landkreis bereits 13 dieser Fälle verzeichnet. Nach früheren Angaben des Allgemeinen Sozialen Dienstes waren in der Vergangenheit jährlich gelegentlich mal 24 Fälle die Höchstzahl gewesen. Bis November 2022 registrierte das Jugendamt aber nun schon 28 Inobhutnahmen, bis Ende 2022 könnten es 30 werden, sagte Jugendamtsleiter Manfred Kutz in der jüngsten Sitzung des Ausschusses.

Nicht immer sind sofort entsprechende Heimplätze zu finden

Wenn also nun Kinder und Jugendliche meist unerwartet und nicht selten nachts und an Wochenenden aus ihren Familien heraus in Obhut genommen werden müssen, ist für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes im Jugendamt manchmal guter Rat teuer.

Denn wenn dann nicht sofort Heimplätze zur Verfügung stehen, muss das Jugendamt, nach Kutz‘ Angaben, andere Lösungen suchen. Mittlerweile würden diese Kinder und Jugendlichen vorübergehend auch in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht.

"Die Kinder sind so lange dort, bis sich die Perspektive geklärt hat."

A. Gerst, Pflegekinderfachdienst

Der Allgemeine Soziale Dienst hat derzeit eine Liste von sechs Bereitschaftspflegstellen, sagt A. Gerst im Gespräch mit dieser Redaktion. Wenn zum Beispiel ein Elternteil einen Verkehrsunfall hatte und ins Krankenhaus muss, wenn Eltern ein Kind misshandeln oder wenn die Polizei nachts einen Elternteil in Gewahrsam nimmt, wird das Jugendamt gerufen und muss sich um die Betreuung der Kinder kümmern, nennt Gerst Beispiele.

Pflegeeltern werden vom Jugendamt ausgebildet

Derzeit gebe es aber immer häufiger Engpässe, weil die Bereitschaftspflegefamilien schon belegt sind. Gerst: "Die Kinder sind so lange dort, bis sich die Perspektive geklärt hat." Dann kämen sie in entsprechende Einrichtungen oder eventuell zu Verwandten. Das braucht jedoch Zeit und kann dauern, sagte Gerst, dann zum Beispiel auch, wenn sich gerichtliche Verfahren in die Länge ziehen.

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Generell finde man schneller Heimplätze für Babys als solche für Jugendliche, sagt Gerst. Dringend gesucht sind nun im Landkreis Bad Kissingen Bereitschaftspflegeeltern, die Kinder und Jugendliche aufnehmen können. Wer diese Aufgabe übernehmen will, wird vom Pflegekinderfachdienst ausgebildet.

Was Bereitschaftspflegeeltern mitbringen müssen, sind, nach Gersts Angaben, Zeit und Flexibilität. Die Eltern müssen ausreichenden Wohnraum haben, gesund, belastbar und offen sein.

Infos unter (09 71) 8 01-22 00