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Beim Thema Rente wird Nahles wieder ganz zur SPD-Ministerin

Sieben Millionen Menschen. So viel sollen bald auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen, wenn die Babyboomer-Generation in Rente geht. Der Nachwuchs fehlt weit und breit: Über zwei Millionen offene Stellen gibt es derzeit in Deutschland. Wie dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden kann, diskutierten bei Maybrit Illner die Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang sowie der stellvertretende Parteivorsitzender der CDU, Carsten Linnemann und die ehemalige Bundesarbeitsministerin (SPD) und heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles.

Jörg Dittrich berichtete als Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, wie er als Dachdeckermeister den Fachkräftemangel erlebt. Ebenfalls eingeladen waren die ehemalige Wirtschaftsjournalistin Elisabeth Niejahr, und die Autorin Sara Weber.

Eigentlich ist Andrea Nahles seit rund einem halben Jahr Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) – trotzdem schien sie ihrer ehemaligen Rolle als Arbeitsministerin in der Runde am Donnerstagabend nicht entkommen zu können. Zwischenzeitlich sprach sie Moderatorin Illner sogar scherzhaft als die „Nicht-Mehr-Politikerin“ an. Die Debatte am Donnerstagabend drehte sich vor allem um die „Rente mit 63“ – die Nahles als Ministerin auf den Weg gebracht hatte. Weil eine Vielzahl der Erwerbstätigen die Frührente beanspruchen, fehlen umso mehr Kräfte auf dem Arbeitsmarkt.

Illner fragte, ob sie die „Rente mit 63“ deswegen bereue, aber für Nahles war klar: „Wir haben damals eine Würdigung einer Leistung gebracht von einer Generation, die mit 15 oder 16 in die Ausbildung gegangen ist. Dazu stehe ich.“ Auf den Einwand Illners, dass die „Rente mit 63“ aber unerwartet teure Folgen hatte, antwortete Nahles gelassen: „Die Kollegen aus der Politik werden das mitnehmen und gestalten und ich bin gespannt“, sagte sie. „Ganz im Ernst.“

„Die Rente mit 63 war eines der größten sozialpolitischen Fehler der Großen Koalition“, sagte hingegen Carsten Linnemann (CDU). Nahles erinnerte ihn sofort: „Dem haben Sie aber auch zugestimmt.“ Das musste Linnemann denn auch einräumen: „Natürlich war ich mit in der Verantwortung.“ Es sei ein Kompromiss gewesen. Eigentlich habe die CDU nur damit die Mütterrente sichern wollen, sagte er.

Die Verantwortung sieht Linnemann klar bei Nahles Partei. Den Menschen, die durch körperlich belastende Berufe bereits vor 63 physische Probleme erleiden, hätte man mehr unterstützen müssen, sagte er: „Stattdessen hat man zu großen Teilen topfit die Leute aus dem Arbeitsmarkt rausgezogen, die jetzt fehlen.“ Einen Gegenvorschlag warf der CDU-Politiker gleich hinterher. Die sogenannte „Aktivrente“, die Anreize schaffen soll, über die Rente hinaus zu arbeiten: „Ich würde für alle, die das gesetzliche Renteneintrittsalter erreichen und dann freiwillig länger arbeiten, das steuerfrei machen“, sagte Linnemann.

Jörg Dittrich, der einen Dachdeckerbetrieb leitet, sieht die ‚Rente mit 63‘ ebenfalls kritisch: „Wir können uns das nicht mehr leisten“, sagte der Unternehmer. Stattdessen müsse man sich fragen, wie das Arbeiten altersgerecht gestaltet werden kann, so zum Beispiel, dass ältere Menschen statt auf dem Dach in der Ausbildung oder im Kundenbereich arbeiten.

Linnemanns Vorschlag der Aktivrente stimmte er teilweise zu, betonte aber auch, dass man Älteren auch andere Anreize bieten müsse, länger zu arbeiten, wie zum Beispiel soziale Anbindung oder das Gefühl, einen sinnstiftenden Beruf auszuüben.

„Wie können wir denn dahin kommen, dass die Leute gut arbeiten und dann auch wirklich in der Lage sind, nicht irgendwie mit 50 oder zum Teil schon mit 20 vollkommen ausgebrannt zu sein?“, fragte die Autorin und Journalistin Sara Weber. Im ersten Jahr der Pandemie hatte sie aufgrund von Stress ihren Job gekündigt. Nun setzt sie sich dafür ein, dass auch im Kontext des Arbeitskräftemangels über mentale Gesundheit gesprochen wird.

Sie führte das Beispiel eines Bäckers an, den sie für ihr Buch „Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten?“ interviewt hatte, der, statt wie üblich nachts, erst um 5:30 Uhr anfängt zu backen: „Der macht dann um sieben auf, und dann gibt’s halt noch nicht alles.“ Zu solchen Modellen, oder zum Beispiel auch zur Vier-Tage-Woche, müsse man Menschen mehr ermutigen, sagte Weber.

Gerade die jüngere Generation sei gar nicht an der Arbeitswelt von früher interessiert, erklärte sie außerdem: „Ich glaube, dass man gesehen hat, wie sich zum Teil die Eltern- oder Großelterngeneration kaputt gearbeitet hat und trotzdem keine schöne Rente mehr hatte.“ „Wer soll denn dann in Zukunft die Rente zahlen?“, entgegnete Linnemann. „Das Geld kommt ja nicht vom Himmel.“ Er warnte davor, nicht zu vergessen, „dass Arbeit etwas wert ist“.

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