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Besuch in Indien - Baerbock buhlt um neue Freunde

Die Welt zu Gast in Indien – und Deutschland macht den Anfang. Seit Donnerstag hat die Heimat Mahatma Gandhis (1869 – 1948) den G20-Vorsitz inne und steht bis Dezember 2023 den führenden Industrie- und Schwellenländern vor.

Die indische Planung für das Vorsitz-Jahr hat es in sich: mehr als 200 internationale Treffen stehen im Terminkalender. Am Sonntagabend reist Außenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) nach Neu-Delhi. Dort wird sie ihren Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar (67) treffen.

Schon vor der Abreise lobte Baerbock die „größte Demokratie der Welt' überschwänglich“ dafür, „dass es Indien gelang, in den letzten 15 Jahren über 400 Millionen Menschen – fast so viele wie Menschen in der EU leben – aus absoluter Armut zu befreien“. Dafür, dass „Indien bereit ist, sein Gewicht global einzubringen“. Und dafür, dass es „sowohl Vorbild als auch Brückenbauer für viele Länder der Welt“ sei.

Die eingeschränkte Meinungsfreiheit und Unterdrückung von Minderheiten in Indien sprach sie hingegen nicht an. Indien zeige, „dass gesellschaftliche Pluralität, Freiheit und Demokratie ein Motor für wirtschaftliche Entwicklung, Frieden und Stabilität“ sei, so Baerbock. Und ergänzte: „Daran gemeinsam mit der Stärkung der Menschenrechte weiterzuarbeiten, auch das ist unsere Aufgabe.“

Versöhnliche Töne, nachdem die Außenministerin noch Anfang Oktober für großen Missmut in Indien gesorgt hatte.

Grund: Auf einer Pressekonferenz mit ihrem pakistanischen Amtskollegen Bilawal Bhutto Zardari (34) in Berlin (ihren Pakistan-Besuch musste die Außenministerin im Juni aufgrund einer Corona-Infektion abbrechen) hatte Baerbock angeregt, dass die Vereinten Nationen eine friedliche Lösung des Kashmir-Konflikts unterstützen könnten.

Das Thema ist politischer Sprengstoff zwischen den Erz-Rivalen Indien und Pakistan, der Streit um die Himalaya-Region schwelt seit 1947. Entsprechend scharf war dann die Replik aus Indien. Ende Oktober versuchte Baerbock in einem Telefonat mit Jaishankar, die Wogen zu glätten.

Wie die indische Zeitung „The Hindu“ im Vorfeld des Baerbock-Besuchs nun berichtet, soll die Außenministerin auf Nachfrage zum Kashmir-Konflikt erklärt haben, es handle sich um einen „bilateralen“ Disput.

Deutsch-Indische-Treffen sind in den vergangenen Jahren sehr langsam, aber stetig ausgebaut worden: Fünf Regierungskonsultationen haben unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel (68, CDU) stattgefunden, viermal war Merkel in Indien zu Gast.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und dem Umdenken in der deutschen China-Politik haben sich massive Spannungsfelder zwischen Deutschland und Indien aufgetan – doch gleichzeitig ist auch der Wunsch nach Zusammenarbeit gestiegen.

Die Lage ist schwierig: Einerseits verurteilt Indien zwar zum Beispiel das grausame Massaker von Butscha – aber nicht den völkerrechtswidrigen Angriff Putins auf die Ukraine. Zudem ist das Land zum Großabnehmer für russisches Öl geworden – und finanziert so Putins Krieg mit. Die indische Außenpolitik steht vor allem im Zeichen der Frage, was dem eigenen Land nützt.

Was Deutschland und Indien eint, ist das Abrücken von China. Während die Regierung in Neu-Delhi vor allem um die eigene Position im Indo-Pazifik bangt und sich gegen chinesische Machtansprüche wehren will, sucht Deutschland aus strategischen Gründen die Nähe. So betonte Baerbock vor ihrem Abflug, Indien sei „ein natürlicher Partner Deutschlands“.

Für sie gehe es um den Ausbau der „wirtschafts-, klima- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Indien“, erklärte Baerbock, und: „So werde ich in Neu-Delhi auch ein Mobilitätsabkommen unterzeichnen, das es unseren Menschen erleichtern wird, im jeweils anderen Land zu studieren, zu forschen und zu arbeiten.“

Europa-Kenner Amar Patnaik, Mitglied im Oberhaus des indischen Parlaments, betonte vor Baerbocks Besuch auf BILD-Anfrage: „Die Beziehungen zwischen Indien und Deutschland haben ihr volles Potenzial noch nicht erreicht.“ Vor allem auf den Gebieten Klimawandel, Technik, Cybersicherheit und Energie gebe es noch Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.

Adrian Haack (35) Direktor der Konrad-Adenauer-Stiftung in Neu Delhi sagte zu BILD: „Das Potenzial der deutschen-indischen Beziehungen ist größer als die Unwägbarkeiten.“ Für ihn steht fest: „Priorität sollte das Thema Freihandel haben.“

Außerdem regt Haack an: „Der Export von Rüstungsgütern sollte aus strategischen Gründen politisch flankiert werden.“ Denn: Indien sei „mehr als willens seine Abhängigkeit von der russischen Rüstungsindustrie zu verringern“.