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Bilaterale Beziehungen im Tief: Viele Polen unterstellen Deutschland eine Kriegs-Mitschuld

Bilaterale Beziehungen im Tief Viele Polen unterstellen Deutschland eine Kriegs-Mitschuld

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Verteidigungsminister Boris Pistorius hat seinen polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak im Februar in Warschau besucht.

Polen übt scharfe Kritik an Deutschland: Mit unserer Nähe zu Russland habe die Bundesrepublik den Boden für Putins Angriffskrieg zumindest mit bereitet. Diese These ist eine schwere Last für die bilateralen Beziehungen - besonders jetzt.

Von Rzeszów sind es noch rund 100 Straßenkilometer bis zur ukrainischen Grenze. Der Krieg ist dort besonders nah: Denn der Flughafen hat die Stadt in den polnischen Vorkarpaten zum Drehkreuz für westliche Militärhilfe gemacht. In der polnischen Bevölkerung stößt die Unterstützung für die Ukraine auf breite Akzeptanz. Das Land will nun auch Kampfjets an die Ukraine liefern. Deutschland hingegen sei viel zu zögerlich beim Thema Waffenlieferungen, so die Kritik aus Polen. Und das ist längst nicht alles, was das Land an seinem Nachbarn kritisiert.

Mit unserer Nähe zu Russland hätten wir überhaupt erst den Boden für Putins Angriffskrieg in der Ukraine bereitet, so der Vorwurf aus Polen. Statt die Warnungen mittel- und osteuropäischer Länder vor einer Militarisierung Russlands ernst zu nehmen, habe sich Deutschland abhängig gemacht von russischem Gas - und viel zu lange auf eine strategische Partnerschaft mit Putin gesetzt.

Piotr Buras ist Leiter des Warschauer Büros des "European Council on Foreign Relations" und kennt die polnische Innensicht ganz genau. Viele Menschen in Polen haben seiner Erfahrung nach sogar das Gefühl, "die Deutschen hätten auch diesen Krieg mitverursacht", erzählt Buras im Podcast "Wirtschaft Welt & Weit". Er beobachtet, dass diese Kritik auch in liberalen, Deutschland bisher positiv gesinnten Kreisen wächst. Buras zeichnet deshalb ein düsteres Bild der bilateralen Beziehungen: "Das deutsch-polnische Verhältnis ist definitiv angeschlagen." Für viele Menschen in Polen habe Deutschland schlichtweg verpasst, klare Signale an Russland zu senden und Putin dadurch rechtzeitig seine Grenzen aufzuzeigen.

Polen auf der Weltbühne wichtiger geworden

Fest steht, dass Polen durch den russischen Überfall auf die Ukraine geopolitisch enorm an Gewicht gewonnen hat. Durch seine mehr als 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine spielt das Land eine zentrale Rolle bei der Sicherung der NATO-Ostflanke. Zudem verfügt es dort über das weitaus größte Truppenkontingent: Bereits im Sommer 2022 hatte die NATO nach eigenen Angaben 11.600 Soldatinnen und Soldaten in Polen stationiert. Dazu kamen 122.500 polnische Kräfte. Und: US-Präsident Joe Biden hat das Land zweimal innerhalb weniger Monate besucht, um über die Zukunft der Ukraine zu beraten. Paris und Berlin hingegen hat er ausgelassen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki weiß um die Stellung seines Landes: "Ohne die Einmischung der USA - und vielleicht auch die Polens - gäbe es heute keine Ukraine", sagte der nationalkonservative Politiker vor wenigen Tagen bei einem Besuch in Heidelberg. In einer Grundsatzrede sprach er sich klar für ein "Europa der Nationalstaaten" aus.

Neben der EU bekam auch Deutschland das polnische Selbstbewusstsein deutlich zu spüren. Morawiecki ließ es sich nämlich nicht nehmen, seine Gastgeber erneut an Reparationsforderungen in Höhe von 1,3 Billionen Euro zu erinnern - als Entschädigung für die Zerstörung, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen verursacht hat.

Wirtschaft Welt & Weit

Was muss Deutschland tun, um in der Wirtschaftswelt von morgen noch eine wichtige Rolle zu spielen? Von wem sind wir abhängig? Welche Länder profitieren von der neuen Weltlage? Das diskutiert Mary Abdelaziz-Ditzow im ntv-Podcast "Wirtschaft Welt & Weit" mit relevanten Expertinnen und Experten.

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