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BILD erzählt die Geschichte des Streiks - Schon Ramses III. wurde bestreikt

„Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ – diesem erst 1863 gereimten Kampfspruch folgen Arbeiter seit mehr als 3000 Jahren.

BILD erzählt die Geschichte(n) des Streiks.

1159 Jahre VOR Christus treten Bauarbeiter am Grab von Ramses III. in einen Sitzstreik. Auslöser schon damals: schlechte Bezahlung! Die Handwerker (wurden in Naturalien bezahlt) klagen über ausgebliebene Essenrationen. 40 Arbeiter besetzen zunächst die Baustelle, ziehen danach durch die Siedlung Deir el-Medina und rufen: „Wir haben Hunger!“ Es ist die erste dokumentierte Arbeitsniederlegung – Tausende sollen folgen.

Schon König Ramses III. im alten Ägypten hatte Stress mit streikenden Arbeitern, die sein Grab bauen sollten

Foto: picture alliance / Heritage Images

70 vor Christus: Der römische Sklave und Gladiator Spartacus ruft seine Mitkämpfer zu einem Streik gegen die römischen Besatzer Thrakiens auf, zieht gegen das römische Weltreich in den Krieg – und fällt ein Jahr später in der Schlacht am Silarus. Sein „Arbeiteraufstand“ wird über Jahrtausende zum Inbegriff des Kampfes der Unterdrückten gegen die „herrschende Klasse“.

Der erste „Arbeiterheld“: Gladiator Spartacus (hier dargestellt von Kirk Douglas im Film von 1960) führte einen Aufstand gegen die Römer an

Foto: Corbis via Getty Images

Im deutschsprachigen Raum gab es erst im Mittelalter wieder Streiks.

Im 18. Jahrhundert stieg die Zahl der Streiks deutlich an (deutsche Städte: 500 Streiks, England: knapp 400 Ausstände). Handwerkszünfte und deren Nachwuchs kämpften meist um ihre Rechte (Lizenzen, Steuern, Handelsbeziehungen).

Mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert kam es in Europa und den USA immer häufiger zu Arbeiter-Aufständen. Der berühmteste: der Weber-Aufstand in Schlesien.

1844 legen die Weber wegen schlechter Bezahlung ihre Arbeit nieder, ziehen vor die Firmensitze der Tuchhändler, für die sie arbeiten, zerstören und plündern deren Häuser.

Bei einer Schießerei werden elf Menschen getötet, 24 schwer verletzt. Der Dichter Gerhart Hauptmann schreibt über den Hunger-Aufstand 1892 sein berühmtes Drama „Die Weber“.

In den entstehenden Fabriken schufteten Arbeiter damals 80 Stunden pro Woche! Streiks waren verboten, „Aufrührern“ drohte Knast (2 Jahre).

1844: Weber-Aufstand in Schlesien gegen Ausbeutung und Niedriglöhne. Die Konkurrenz aus England, wo bereits maschinenbetriebene Web-Stühle eingesetzt wurden, drückte damals die Tuchpreise

Foto: dpa / akg-images

Dennoch gab es Erfolge:

In den USA waren die Arbeiter da schon weiter:

Manche Streiks und Proteste wirken heute seltsam, doch Arbeiter und Handwerker setzen alles daran, ihre Rechte durchzusetzen.

Aufruhr in Wien: Empörte Bürger schmeißen einen Tramway-Waggon um

Foto: picture alliance / ÖNB-Bildarchiv/picturedesk

Auslöser des „Dorfener Bierkriegs“: Höhere Malzsteuer erhöht 1910 die Bierpreise

Foto: privat

Gegen Ende des 1. Weltkriegs dienen Streikaufrufe immer häufiger politischen Zielen:

Generalstreik im November 1918: Straßenkämpfe in Berlin, Polizisten trennen die politischen Gegner von Rechts und Links

Foto: picture alliance / Photo12/Ann Ronan Picture Librar

Netter Herr mit düsterem Beruf: der britische Henker Albert Pierrepoint brachte den Österreichern humaneres Erhängen bei

Foto: imago stock&people

Einer der größten Streiks nach Ende des Zweiten Weltkriegs fand im November 1948 in der britischen und amerikanischen Besatzungszone statt. Neun Millionen Arbeiter nahmen an einem Generalstreik teil, der damals „Arbeitsruhe“ genannt wurde. Sie protestierten gegen überhöhte Preise, für Lohnerhöhungen und Mitbestimmung in den Betrieben.

Im Juni 1953 treten in der neu gegründeten DDR Hunderttausende Arbeiter in einen Ausstand. Auslöser: höhere Arbeitsnormen, knappe Nahrungsmittel. Der Streik wird zum Volksaufstand: Am 17. Juni 1953 gehen rund eine Million Menschen in der gesamten DDR auf die Straße. Sie fordern den Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die deutsche Wiedervereinigung – offener Widerstand gegen die Politik der DDR. Das SED-Regime ruft sowjetische Panzer zu Hilfe, die Aufstände werden brutal niedergeknüppelt und -geschossen. Mindestens 55 Menschen werden getötet.

Brutal niedergeschlagen: Sowjetpanzer ziehen am 17. Juni 1953 in Ost-Berlin gegen streikende Arbeiter auf

Foto: picture alliance / AP

Von Oktober 1956 bis Februar 1957 findet in Schleswig-Holstein der bis dahin längste Streik der Bundesrepublik Deutschland statt. Rund 34 000 Metallarbeiter streiken ganze sechzehn Wochen lang. Sie fordern die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Bisher erhalten sie bei Krankheit nur die ersten drei Tage Lohn, danach nur einen Bruchteil ihres Gehalts.

1975 besetzen zunächst 60, später 170 Prostituierte die gotische Kathedrale von Lyon (Saint-Nizier). Sie fordern für ihre Steuern auch soziale Absicherung (Zulassung zur Sozialversicherung) und Schutz vor Polizeigewalt und -willkür. Die Bordelle der Stadt (später auch in Paris, Marseille und anderen Städen) leeren sich. Streik der Huren! Motto: „Der Staat ist der größte Zuhälter.Später berufen sich Prostituierte europaweit auf die Aktion der Lyoner Frauen – mit dem Internationalen Hurentag (erstmals ausgerufen 1989).

Kirchenaysl: Prostituierte haben 1975 eine Kirche in Lyon besetzt, fordern mehr Rechte

Foto: Gamma-Rapho via Getty Images

2003 legten alle 130 Mitarbeiter des Congress Hotels in Chicago die Arbeit nieder, um besser bezahlt zu werden (14,60 statt 9 Dollar/Stunde). Erst 2013 – nach zehn Jahren – beendete ihre Gewerkschaft den Ausstand. KEINE der Streikforderungen wurde erfüllt. Ihr Lohn sank am Ende auf 8,40 Dollar.

Dumm gelaufen: 10 Jahre streikten die Angestellten des Chikagoer Congress-Hotels – und bekamen am Ende weniger Lohn als vorher

Foto: AFP via Getty Images

Am 10. Februar 1974 legen 200 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes erstmals bundesweit ihre Arbeit nieder. Busse und Bahnen bleiben drei Tage lang in den Depots, viele Ämter schließen, der Müll wird nicht abgeholt. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV, Vorgänger von Verdi) und die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) forderten 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt, die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) 14 Prozent. Die Arbeitgeber bieten 9,5 Prozent. Am 13. Februar der Durchbruch: Die Tarifparteien einigten sich auf 11 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens jedoch 170 Mark.

Alles dicht: Während des ÖTV-Streiks 1974 blieben auch U-Bahnen (wie hier in München) drei Tage lang geschlossen

Foto: picture-alliance / dpa

1984 ruft die IG Metall in Hessen und Nordwürttemberg-Nordbaden zum Streik für die 35-Stunden-Woche auf. Es treten bis zu 58 000 Beschäftigte in den Ausstand, 160 000 werden ausgesperrt, 451 000 sind indirekt betroffen. Der Streik dauert 52 Tage, die Arbeitgeber errechnen zehn Millionen verlorene Arbeitstage. Der Mammut-Streik hat zunächst wenig Erfolg. Erst allmählich führen Betriebe 38,5- und später die 35-Stunden-Woche ein.

Beim Metaller-Streik 1984 ging es vor allem um die 35-Stunden-Woche, die aber erst später kam

Foto: picture alliance / Klaus Rose

1992 streiken im Westen Deutschlands 330 000 Angestellte im öffentlichen Dienst. Elf Tage lang stehen Busse, Straßenbahnen, Müllabfuhr und Post, Fernbahnen, Kindertagesstätten, Krankenhäusern, Universitäten, Straßen- und Autobahnmeistereien still oder arbeiten im Notbetrieb. Am Ende stehen 5,4 Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Im bis dahin größten Streik der deutschen Geschichte bleiben 1992 fast zwei Wochen lang Mülltüten (hier in Frankfurt) liegen. Auch Bahnen, Kitas, Krankenhäuser werden bestreikt

Foto: picture alliance / United Archives

2006: 40 000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst legen 16 Wochen (6. Februar bis 9. März) in zwölf Bundesländern die Arbeit nieder. Ziel: Abwehr der geplanten Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 40 Stunden. Die kommunalen Arbeitgeber und Verdi einigen sich am Ende auf elf Prozent mehr Lohn. Die Arbeitszeit bleibt bei 38,5 Stunden, im Osten bei 40 Stunden.