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Boris Pistorius tritt Wehrpflicht-Debatte los: Was denken junge Menschen?

Es wird wieder über die Wehrpflicht diskutiert. Die davon Betroffenen sind zwiegespalten.

Keine drei Wochen im Amt hat der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schon eine Debatte losgetreten. "Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen", sagte er im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung". Auch andere Politikerinnen und Politiker, etwa Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) halten die Wehrpflicht angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine für eine gute Sache.

Wie sinnvoll ein solcher Streit ist, darüber lässt sich streiten. So ist etwa der Militärexperte Carlo Masala wenig überzeugt davon: "Die Anforderungen des 21. Jahrhunderts an eine moderne Armee verlangen kein Massenheer, sondern bestens ausgebildete Profis", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Doch was sagen eigentlich die dazu, die davon betroffen wären? Die jungen Menschen, die seit zwölf Jahren keinen Zivil- oder Wehrdienst leisten müssen? t-online hat nachgefragt, bei den Jugendorganisationen der Parteien, aber auch bei jungen Leuten auf Instagram.

"Die Regierung sollte erst ihren Pflichten nachkommen"

Einer von ihnen ist Erik, 24 Jahre alt. Er findet: "Die Regierung sollte erst einmal damit anfangen, ihren Pflichten gegenüber jungen Menschen nachzukommen und Probleme wie Klimapolitik, Kinderarmut und Altersabsicherung angehen, bevor sie junge Menschen zum Dienst in der Armee verpflichtet." Diese sollten seiner Meinung nach nicht für eine "verfehlte Verteidigungspolitik" hinhalten müssen. Er fügt hinzu: "Die Zukunft sieht schon beschissen genug aus."

Auch Selin aus Bremen teilt Eriks Meinung. Sie glaubt nicht, dass eine Gesellschaft davon profitiert, wenn alle eine militärische Ausbildung haben. "Das führt zu einer Normalisierung von etwas, was nicht normal sein sollte."

Leo ist Jahrgang 2000 und steht der Wehrpflicht ebenfalls skeptisch gegenüber. "Mit der Gehirnwäsche beim Bund möchte ich nichts zu tun haben", sagt er. Für ihn käme eher der Zivildienst als Alternative zur Wehrpflicht infrage – der müsse allerdings anständig vergütet sein. Letztlich geht es ihm in der Debatte um seine persönliche Freiheit: "Ich möchte selbst entscheiden, welchen Job ich wann mache, und dann dafür bezahlt werden."

Bei den Jugendorganisationen der Parteien im Deutschen Bundestag stößt die Wehrpflicht überwiegend auf Ablehnung. "Junge Menschen brauchen keinen Wehr- oder anderen Pflichtdienst, um ihnen vermeintlich gesellschaftliche Werte zu vermitteln", sagt Jessica Rosenthal, die Bundesvorsitzende der Jusos, der Jugendorganisation der SPD, t-online. "Junge Menschen brauchen eine sichere Zukunft, attraktive Ausbildungsbedingungen, bezahlbaren Wohnraum und eine Politik, die nicht zu geizig ist, in eine resiliente Gesellschaft zu investieren."

"Nach zwei Jahren Coronapandemie wollen wir leben"

Bei der Linksjugend stößt die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ebenfalls auf Ablehnung. "Nach zwei Jahren Coronapandemie wollen wir leben", heißt es in einer Pressemitteilung.

"Nur weil wir hier leben, schulden wir dem Staat nicht unser Leben. Wir lassen uns nicht einziehen und notfalls in den Tod schicken."

"Die Debatte ist sicherheitspolitisch nicht sinnvoll"

Die persönliche Freiheit junger Menschen spielt auch für die Jungen Liberalen, die Jugendorganisation der FDP, eine wichtige Rolle: "Die Träumereien mancher konservativer Politiker, mit der Wehrpflicht der 'Jugend von heute' vermeintlich 'Anstand und Manieren' beibringen zu können, sind heute genauso deplatziert wie bei der Aussetzung der Wehrpflicht vor zwölf Jahren", sagt Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen.

Die Debatte über eine erneute Einführung der Wehrpflicht sei schädlich, weil sie sicherheitspolitisch nicht sinnvoll sei. Verteidigungsminister Pistorius solle sich eher darauf konzentrieren, das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro effizient einzusetzen und die Bundeswehr auszurüsten, so Brandmann weiter. Die Jugendorganisationen der Grünen, von CDU und AfD ließen eine Anfrage von t-online zu diesem Thema unbeantwortet.

"Die Gesellschaft würde von einem Jahr für Deutschland profitieren"

Doch nicht alle jungen Menschen lehnen die Wehrpflicht oder einen vergleichbaren Pflichtdienst ab. "Ich denke, unsere Gesellschaft würde von einem 'Jahr für Deutschland' profitieren", sagt Hanna im Gespräch mit t-online. "Es muss ja nicht unbedingt die Wehrpflicht sein, aber ein Jahr, in dem man etwas für Deutschland macht". Sie fordert mehr Patriotismus: "Wir können doch stolz auf das sein, was Deutschland heute ist, ohne zu vergessen oder zu verleugnen, was im letzten Jahrhundert passiert ist."