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Bundeswehr | Wehrpflicht wiedereinführen? Das denken die Deutschen

In der Aussetzung der Wehrpflicht sieht Verteidigungsminister Pistorius einen "Fehler". Eine exklusive Umfrage zeigt, wie die Deutschen zum Pflichtdienst stehen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält eine Wiedereinführung der Wehrpflicht derzeit nicht für sinnvoll. Die Wehrpflicht sei seit vielen Jahren ausgesetzt und die Struktur der Bundeswehr habe sich "massiv verändert", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Insofern sei die derzeit dazu laufende Debatte "ein Stück weit (...) unsinnig". Sehen die Deutschen das genauso?

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online hat ergeben, dass 57 Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine allgemeine Wehrpflicht für Frauen und Männer bei der Bundeswehr für sinnvoll halten. 36 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Sieben Prozent der Deutschen sind in der Frage unentschieden.

Im Vergleich zu früheren Umfragen ist die Zustimmung zur allgemeinen Wehrpflicht damit relativ konstant geblieben. Vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs sprachen sich in einer Civey-Erhebung von Anfang Februar vergangenen Jahres 58 Prozent der Befragten dafür aus, die Wehrpflicht wieder einzuführen. 38 Prozent der Bürgerinnen und Bürger waren zu diesem Zeitpunkt gegen einen solchen Schritt.

Marineinspekteur: Keine Gespensterdiskussion

Regierungssprecher Hebestreit verwies darauf, dass die Bundeswehr "weder über die nötigen Kasernen" zur Unterbringung von Rekruten noch über genügend Ausbilder verfüge. Den Umbau von der Wehrpflichtigen- zur Berufsarmee könne "man nicht einfach so rückgängig machen", sagte der Scholz-Sprecher. Insofern fehle es "insbesondere in der jetzigen Phase (...) eigentlich an Substanz einer solchen Debatte".

Aus Sicht von Marineinspekteur Jan Christian Kaack ist die Debatte über eine mögliche Rückkehr zu einer Wehrpflicht dagegen keine Gespensterdiskussion. Er sei immer ein Anhänger der Wehrpflicht gewesen und in seiner über zweijährigen Tätigkeit in Norwegen darin bestärkt worden, sagte der Vizeadmiral der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Ich glaube, dass eine Nation, die in diesen Zeiten auch resilienter werden muss, ein besseres Verständnis hat, wenn wir eine Durchmischung mit den Soldaten haben."

"Das kann man auch anders regeln"

In Norwegen würden alle jungen Männer und Frauen gemustert. Das seien etwa 70.000 pro Jahr. Die Streitkräfte definierten dann, wie viele sie nehmen wollten – das seien rund 15.000 pro Jahr. "Während bei uns die Diskussion nur darüber geht, wie sollen wir denn 200.000 junge Menschen unterbringen. Das kann man auch anders regeln." In Norwegen rede niemand über Wehrgerechtigkeit. Es sei weitgehend Konsens, dass diese jungen Menschen einmal in ihrem Leben etwas für den Staat tun könnten.

Ausgelöst hatte die Debatte um die Wehrpflicht der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Er hatte Ende Januar in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 als "Fehler" bezeichnet. Demnach war die Wehrpflicht unter anderem wichtig gewesen, um in der Gesellschaft einen stärkeren Bezug zur Bundeswehr zu haben.

Lindner spricht sich gegen neue Dienstpflicht aus

FDP-Chef Christian Lindner hatte jeder Diskussion um eine Rückkehr zur Wehrpflicht eine Absage erteilt. "Die Wehrpflicht steht für die FDP überhaupt nicht zur Debatte. Das ist eine Gespensterdiskussion. Alle Kraft muss darauf konzentriert werden, die Bundeswehr als hochprofessionelle Armee zu stärken", sagte Lindner am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Die junge Generation habe durch die Pandemie zudem "so viel verloren, dass jetzt nicht noch über eine neue Dienstpflicht spekuliert werden sollte". Lindner verwies auch auf den Fachkräftemangel in allen Bereichen. Er sagte: "Einen ganzen Jahrgang von Ausbildung und Beruf abzuhalten, würde großen Schaden verursachen."

"Ein einfaches Ja oder Nein ist zu kurz gesprungen"

Auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte für den Fall einer Rückkehr zum Wehrdienst auf weitreichende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft hingewiesen. Die öffentliche Diskussion um diese Frage verlaufe "teilweise nicht seriös", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses am Dienstag. Die Verschärfung des Fachkräftemangels sei dabei nur ein Punkt.

"Grundsätzlich gilt das Ende der Dienstpflicht ausschließlich in Friedenszeiten. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden", hatte sie der "Süddeutschen Zeitung" gesagt. Noch vor einem Jahr sei sie strikt dagegen gewesen. Mittlerweile findet Strack-Zimmermann: "Ein einfaches Ja oder Nein ist zu kurz gesprungen." Sie verwies auf den erheblichen Aufwand, der bei einer Rückkehr zur Wehrpflicht nötig sei.