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Corona-Welle: Muss sich Nordkorea jetzt öffnen?

Kein Land der Welt ist so intransparent wie Nordkorea. Doch seit Pjöngjang vor gut einer Woche eingestanden hat, dass es mit einer dramatischen Coronakrise zu kämpfen hat, zeigt es eine ungewohnt große Informationsbereitschaft. Jeden Morgen um 9.30 Uhr werden neue Zahlen der Fieberpatienten und Todesfälle verkündet, scheinbar präzise aufgelistet nach Provinzen und Altersgruppen. Die tägliche Sendung im Staatsfernsehen wird von einem Mitarbeiter des neu geschaffenen Notfallzentrums für Seuchenschutz geleitet. Offenbar folgt Pjöngjang damit dem Vorbild anderer Länder.

Bis Freitag meldete Nordkorea mehr als 2,2 Millionen Fieberpatienten und 65 Todesfälle in nur acht Tagen. Ob es sich in allen Fällen um Coronainfizierte handelt, ist unbekannt. Nordkorea verfügt nicht über genügend Testkapazitäten.

Mit der Analyse der Daten halten sich Fachleute zurück. Es herrscht große Skepsis, ob die Zahlen verlässlich sind. Die Folgen für die ungeimpfte und auch von chronischer Mangelernährung geschwächte Bevölkerung könnten „verheerend“ sein, sagen die Vereinten Nationen. Die vermeintliche Transparenz dient wohl auch dazu, die Bevölkerung zu beruhigen. So heißt es in einer Informationssendung präzise, die Omikron-Variante sei „75 Prozent weniger tödlich“ als die Delta-Variante. 93 Prozent der Patienten könnten sich zuhause isolieren und nur 2,8 Prozent der Patienten müssten beatmet werden.

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Manche Nordkorea-Beobachter vermuten hinter der demonstrativen Offenheit auch ein Signal an die internationale Gemeinschaft. Bislang hat Pjöngjang alle medizinischen Hilfsangebote und Impflieferungen abgelehnt. Nun wird von allen Seiten eruiert, ob sich das völlig abgeschottete Land womöglich ein wenig öffnen könnte. Der frühere langjährige Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe Hartmut Koschyk hat zumindest „Hoffnung, dass die Coronakrise eine Chance für die internationale Gemeinschaft sein kann, mit Nordkorea über die humanitäre Situation wieder in einen Dialog zu kommen“.

Zum Vergleich verweist er auf die Zeit nach der großen Hungersnot Ende der neunziger Jahre, als Pjöngjang Hilfsorganisationen mehr Zugang erlaubte als zuvor. „Es könnte sein, dass die schiere Not das Land zur Öffnung zwingen wird“, sagt ein anderer Beobachter, der namentlich nicht genannt werden will. Die Bevölkerung habe zumindest den Anspruch, dass die Regierung für sie sorge. „Wenn es offensichtlich wird, dass sie das nicht kann, könnte das zu einem Problem werden.“

Flexible Lockdowns

Beobachter in Südkorea und in den Vereinigten Staaten halten hingegen für ausgeschlossen, dass aus der Krise Nordkoreas heraus eine Öffnung des Regimes für Gespräche entstehen könne. Dagegen spräche schon, dass das Land nach amerikanischer und südkoreanischer Einschätzung kurz vor einem weiteren Raketentest und möglicherweise dem siebten Nukleartest steht. „Das Regime hat große Vorbehalte gegen Hilfe von außen, weil es so das Scheitern seiner Antwort auf die Pandemie eingestehen würde“, sagt Ellen Kim vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington.

Insbesondere wolle Nordkorea keine Hilfe aus Südkorea akzeptieren, um nicht ein Momentum für Gespräche über eine Aufgabe des Atomwaffenprogramms zu schaffen. „Wahrscheinlich wird Nordkorea die Krise alleine überstehen, indem es die Kontrollen und Lockdowns verstärkt,“ sagt Dae-Jin Jung von der Wonju Halla University in Südkorea. Falls die Krise eskaliere, könnte das Land Hilfe von China, Russland oder internationalen Organisationen zulassen.

Vorerst inszeniert sich Machthaber Kim Jong-un als tatkräftiger Kümmerer und sorgenvoller Vater der Nation. Die Schuld für die desolate Lage hat er seinen Funktionären zugewiesen und verlangt, dass „die Schwachstellen, die Übel und Defekte der Seuchenschutzarbeit sofort behoben“ werden müssten. Dabei hat Kims harte Abschottungspolitik dazu beigetragen, dass das Land jetzt ohne Impfstoff und medizinische Hilfe dasteht.

Offiziell wurden inzwischen überall Lockdowns verhängt, doch in der Praxis gelten je nach Region wohl unterschiedliche Regeln. Nach Medienberichten sollen die Bewohner der Hauptstadt Pjöngjang aufgefordert worden sein, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. In anderen Landesteilen scheinen die Beschränkungen vor allem darin zu bestehen, Städte und Ortschaften voneinander zu isolieren. Das berichten südkoreanische Hilfsorganisationen, die nordkoreanische Flüchtlinge im Süden unterstützen.