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"Daedalus 2": Warum ein Experiment von Würzburger Studierenden in Schweden mit einer Rakete in den Himmel steigt

Dem Würzburger Verein WüSpace stehen aufregende Tage bevor: Am Samstag, 1. April, soll das "Daedalus 2"-Experiment starten. Im Rahmen eines Raketenstarts in Kiruna, Schweden, werden zwei von den Vereinsmitgliedern über Jahre entwickelte SpaceSeeds (auf Deutsch: Weltraumsamen) in 80 Kilometer Höhe befördert und sollen nach einem Flug von etwa 20 bis 30 Minuten sicher auf der Erde landen. Worum geht es bei dem Experiment genau?

Seit knapp zwei Wochen befindet sich das Kernteam von Daedalus 2, bestehend aus acht WüSpace-Mitgliedern, in Esrange bei Kiruna. Dort hat die schwedische Raumfahrtorganisation SNSA (Swedish National Space Agency) ein Startareal, von dem aus Raketen starten dürfen – durch eine Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Weltraumorganisation ESA auch studentische Experimentalraketen.

"Grob beschrieben läuft unser Experiment mit den SpaceSeeds so ab: Eine Flasche mit einem Rotor darauf wird von der Rakete aus abgeworfen, soll dann kontrolliert fallen und unten abbremsen", erklärt Frederik Dunschen, Studierender der Luft- und Raumfahrtinformatik an der Universität Würzburg und Projektleiter von Daedalus 2. Die Flasche hat etwa die Größe einer 1,5-Liter-Wasserflasche; der Helikopterrotor einen Durchmesser von ungefähr einem Meter.

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"Die Rakete, an deren Spitze unsere SpaceSeeds befestigt sind, nutzen wir nur, um auf 80 Kilometer Höhe zu kommen", so Dunschen. "Sobald diese ausgeworfen wurden, erforschen wir das Prinzip der Autorotation – dasselbe Prinzip, das ein Helikopter benutzt, wenn er einen Motorausfall hat." Der Rotor an der Flasche wird laut Dunschen dabei als eine Art Fallschirm genutzt: Durch die Fallbewegung wird er in Bewegung gesetzt, wodurch der Fall der Flasche gebremst wird. "Wir möchten demonstrieren, dass dieses Prinzip auch für Fallkapseln funktioniert", erklärt Dunschen.

"WüSpace ist eine Plattform, die es Studierenden ermöglicht, echte Projekte im Rahmen der Luft- und Raumfahrt umzusetzen."

Pablo Klaschka, Vorstandsvorsitzender von WüSpace e. V.

Das Prinzip von Daedalus 2 baut auf der Idee von Daeadalus 1 auf, ein Projekt, das bereits 2016 entstand. Eine Gruppe von Studierenden um Clemens Riegler, inzwischen Doktorand im Fach der Luft- und Raumfahrtinformatik, kam damals auf die Idee, einen Flugkörper zu bauen, der Proben aus dem All sicher auf die Erde transportieren kann. Das Projekt wurde Daedalus getauft – nach der Figur des Daedalus aus der griechischen Mythologie. Er soll das Fliegen erfunden haben.

Mit ihrer Idee bewarben sich die Studierenden sowohl mit Daedalus 1 als auch mit Daedalus 2 für eine Förderung des DLR und der SNSA und hatten Erfolg: Sie wurden in die REXUS-Förderung (Raketenexperimente für Universitätsstudenten) aufgenommen, an der auch die ESA beteiligt ist. Im Zuge dieses Programms starten jedes Jahr zwei Forschungsraketen (mit einem Durchmesser von 40 bis 50 Zentimeter und zirka sechs Meter Höhe) mit je vier studentischen Experimenten an Bord.

Bremsmanöver in der Luft: Das Team will den Fall der SpaceSeeds aktiv steuern

Nachdem bereits im März 2019 in Esrange eine REXUS-Rakete mit dem Würzburger Daedalus 1 gestartet war, ist nun das Projekt Daedalus 2 in Schweden am Start. Als Daedalus 1 abgeschlossen war, beschlossen die Studierenden, weiterzumachen – und gründeten im Juni 2019 den Verein WüSpace. "WüSpace ist eine Plattform, die es Studierenden ermöglicht, echte Projekte im Rahmen der Luft- und Raumfahrt umzusetzen, die einen wissenschaftlichen Zweck haben oder der Lehre dienen", erklärt Pablo Klaschka, Vorstandsvorsitzender von WüSpace e. V.. Durch den Verein sei es zudem einfacher, Sponsoren an Bord zu holen und jüngere Studenten von der Erfahrung der älteren profitieren zu lassen.

Zusammen mit rund 40 Vereinsmitgliedern hat Daedalus 2-Projektleiter Frederik Dunschen in den vergangenen Jahren an dem zweiten Prototyp gearbeitet. Doch worin genau besteht der Unterschied zwischen Daedalus 1 und Daedalus 2? "Daedalus 1 war komplett passiv, wir hatten keinen Einfluss auf den Flug, der SpaceSeed flog wie ein Ahornsamen", erklärt Clemens Riegler, damaliger Daedalus 1-Projektleiter und Leiter des Simulations- und Kontrollteams bei Daedalus 2. "Bei Daedalus 2 wollen wir den Fall aktiv beeinflussen", so Dunschen. "Wir machen Bremsmanöver in der Luft und möchten die Sinkgeschwindigkeit aktiv regeln." Dadurch könne man unter anderem steuern, mit welcher Geschwindigkeit der SpaceSeed auf dem Boden aufkomme – "ob das funktioniert, bleibt spannend".

"Man stellt eigene Fragen und überlegt, wie man ein Projekt angeht - ohne dass ein Übungsleiter oder Professor einen anleitet."

Frederik Dunschen über die Arbeitsweise des Teams bei Daedalus 2

Wofür könnte das Prinzip von Daedalus 2 in der Realität eingesetzt werden? "Das Motorrotationsprinzip ist vor allem dann gut, wenn es um Steuerbarkeit geht", erklärt Riegler. "Ein Rotor könnte zum Beispiel von der ISS aus mit Blutproben von Astronauten zur Erde fliegen – oder technische oder wissenschaftliche Gerätschaften zurück zur Erde bringen."

Bisher würden für solche Zwecke meist Raumfrachter genutzt, in denen keine Menschen, sondern ausschließlich Fracht transportiert wird. Dies sind laut Riegler große Fahrzeuge, die nur alle drei bis sechs Monate im Einsatz sind. Mit einem kleinen Fahrzeug, wie es durch Daedalus 2 denkbar wäre, sei man flexibler und könnte trotzdem einen konkreten Landeort ansteuern.

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"Von einem realen Einsatz sind wir noch weit entfernt", ist sich das Team einig. Frederik Dunschen sieht den Kern von Daedalus 2 vor allem im Prozess: "Etwas zu machen, ist eines der Ziele des Projekts: in einem studentischen Team zusammen etwas entwickeln – vom Vorschlag bis zum Start auf der Rakete." Die Sachen, die man dabei gelernt habe, seien das Entscheidende, die Ergebnisse lediglich "das Sahnehäubchen", so sein Resümee. Die Arbeitsweise am Projekt unterscheide sich sehr vom Uni-Alltag: "Man bekommt nicht eine Aufgabe, die man lösen muss, sondern muss eigene Fragen stellen und überlegen, wie man ein Projekt angeht, ohne dass ein Übungsleiter oder Professor einen anleitet."

Daedalus 2-Start wurde wegen Corona und Ukraine-Krieg um zwei Jahre verschoben

Für Dunschen und das Daedalus 2-Team in Schweden bestanden die vergangenen Tage vor allem aus Hinfiebern auf den Start der Rakete, dessen genauer Zeitpunkt unter anderem vom Wetter abhängt. In der ersten Woche in Schweden hat das Team aus Würzburg sein Experiment nochmal auf Herz und Nieren getestet: Werden neue Batterien gebraucht, funktionieren die Antennen, haben alle Sensoren den Transport überlebt?

"Seit Sonntag sind wir startklar", so Dunschen. Die Stimmung im Team sei freudig-aufgeregt: "Durch Corona und den Krieg in der Ukraine wurde der Start von Daedalus 2 um zwei Jahre verschoben – eigentlich war er für 2021 geplant", sagt Dunschen. "In das Projekt ist ganz viel Energie, Arbeit und Schweiß von jedem im Team geflossen, deswegen sind jetzt alle aufgeregt."

Wie verbringen die WüSpace-Mitglieder, die in Würzburg geblieben sind, die Zeit des Raketenstarts? "Wir zeigen in unserem Vereinsraum an der Uni auf einem großen Bildschirm voraufgezeichnete Videos mit den Mitgliedern, die jetzt in Schweden sind; außerdem wird das Projekt nochmal vorgestellt", erklärt Klaschke. "Und: Von der Raketenstartrampe aus wird ein Online-Livestream des SNSA vom Raketenstart übertragen, den man sich anschauen kann."