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"Das ist Teil unserer Kultur": Brasilien-Coach Tite zieht über Freudentanz-Kritiker her

"Das ist Teil unserer Kultur" Brasilien-Coach Tite zieht über Freudentanz-Kritiker her

Brasilien spielt bei dieser Weltmeisterschaft den schönsten Fußball. Die Selecao um Trainer Tite begeistert mit Toren und Tänzen. Die aber bringen ihnen schwere Vorwürfe ein. Dagegen wehrt sich der 61-Jährige und klärt auch über den großen Katzenwurfskandal auf.

Welche eine wunderbare Show im Pressekonferenz-Saal 1 im Medienzentrum in Doha. Brasilien war mit Verteidiger Danilo, Trainer Tite und Co-Trainer Cléber Xavier zu Gast. Sie traten den Beweis an, dass sie nicht auf dem Platz zu den unterhaltsamsten Mannschaften dieser WM zählen. Sie bewiesen auch, dass sie sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen wollen. Ein ganzes Land ist hinter der Selecao vereint. Attacken von außen interessieren nicht.

Neymar, Vinicius Junior, Raphina, Richarlison, Casemiro, Marquinho, Thiago Silva und dazu Alisson im Tor. Wenn die Selecao dieser Tage bei der Weltmeisterschaft in Doha aufläuft, ist beste Unterhaltung garantiert. Wie am Montag, als sie im nicht mehr existenten Container-Stadion 974 Südkorea innerhalb einer furiosen ersten Hälfte komplett demontierten und an der Seitenlinie nach einem herrlichen Treffer von Richarlison voller Seligkeit ihre Tänzchen aufführten. Weil sie so glücklich waren und den Moment auskosten wollten. Wer weiß, wann er endet und wenn nicht, dann tanzen sie eben weiter.

Und nicht, weil sie, wie ihnen allenthalben vorgeworfen wurde, ihren Gegner verspotten wollten. Die eifrigsten Kritiker wollten gar ein Tanzverbot aussprechen. Da wurde sogar Tite einmal sehr klar und deutlich: "Ich werde keine Kommentare gegenüber denjenigen abgeben, die die brasilianische Geschichte und Kultur nicht so gut kennen wie jeder von uns, ich lasse diesen Lärm beiseite. Das ist nicht respektlos. Es ist Teil unserer Kultur. Wir werden weiterhin Dinge auf unsere Art und Weise tun."

Tite verordnet der Mannschaft den Überfall

"Wissen Sie", sagte der, den sie alle nur Professor nennen und der alle respektvoll nach ihren Namen fragt, noch einmal auf den Tanz mit dem Traumtorschützen Richarlison angesprochen, "das ist meine Art, mit der jungen Generation in Kontakt zu bleiben. Ich bin 61, die Spieler könnten meine Enkel sein und wenn ich tanzen muss, um mit denen eine Verbindung herzustellen, dann werde ich immer wieder mit ihnen tanzen."

Tanzen und die Freude an dem schönen Spiel. Wer könnte es den Brasilianern verdenken? Vor dem Spiel gegen Kroatien hat sich die Selecao ihre Favoritenrolle im Vorfeld des Turniers mit Leistung unterfüttert. Das nach den Bolsonaro-Jahren zutiefst gespaltene Land ist auf der Suche nach neuen Gemeinsamkeiten, nach einer neuen Geschichte, die die Anhänger des Bolsonaro-Regimes und des neuen Präsidenten Lula zumindest für einen Moment für die Ewigkeit miteinander versöhnt. Denn das wäre der erste WM-Titel nach 2002 und wegen nichts anderem sind sie hier.

Angeführt von ihrem wettergegerbten Trainer, der seiner Mannschaft den Überfall verordnet hat, der sie hoch angreifen lässt und der an der Seitenlinie das Zusammenspiel aller Elemente nur beobachten kann. "Wenn diese Mannschaft ein Gemälde ist, sind die Athleten diejenigen, die das Bild bestimmen, sie sind die Porträtierten, wir Trainer helfen lediglich mit, das Bild zu malen", sagte Tite.

Scheitern ist immer eine Option

Es ist ein Bild, das nichts und niemanden in den Vordergrund stellt, auch nicht den Superstar und Anti-Helden Neymar, der mit seiner Unterstützung für Jair Bolsonaro vor der WM für viel Wirbel gesorgt und noch mehr Sympathien in seiner Heimat verspielt hatte. "Es ist nicht mein Team", sagt Tite: "Es ist das Team Brasiliens. Es ist die brasilianische Identität. Ich bin das nicht. Die brasilianische Fußball-Identität existiert seit langer Zeit."

Sie existiert spätestens seit 1958, dem Jahr, in dem der damals 17-jährige Pelé zum ersten Mal die Weltmeisterschaft gewann. Zwölf Jahre später war er dreifacher Weltmeister und einer der größten Fußballer, der je dieses Spiel gespielt hat. Er ist, wenn man so viel, der Übervater jener Generation von Spielern, die sich in Doha zum letzten Mal eine Schlacht um den Titel des besten Fußballers aller Zeiten liefern. Ohne ihn gewann Brasilien noch zwei weitere Weltmeisterschaften: 1994 in den USA, 2002 in Südkorea/Japan. Danach scheiterten sie dreimal im Viertelfinale und einmal, bei der Heim-WM vor acht Jahren, im Halbfinale. Das Finale erreichten sie nie wieder.

Das ist die Gefahr bei Brasilien. Das Scheitern ist immer eine Option. Und so sorgten sich die anwesenden Journalisten auch darum, wollen ausschließen, dass genau das passiert. Sie checkten alles ab. Sie warnten davor, ins offene Messer der Gegner zu laufen und merkten an, dass man in beiden Halbzeiten treffen kann und entschuldigten sich unter tosendem Applaus für zu laute Kritik im Vorfeld. Verteidiger Danilo stimmt zu. "Wenn wir alle in die gleiche Richtung laufen, dann ist es einfach unsere Ziele zu erreichen", sagte er und alle stimmten zu.

Die Geschichte mit der Katze

Kurzfristig gefährden können diese Ziele erst einmal die Kroaten, die von Tite gelobt wurden, wie Gegner gelobt werden, mit denen man sich wirklich beschäftigt hat. Er sprach über ihre Resilienz, über ihre Hartnäckigkeit und sagte doch, dass es um das Spiel der eigenen Mannschaft gehen werde.

Und dann, als alles zum Ende kam, musste Tite natürlich noch zur fliegenden Katze Stellung beziehen. Am Vortag war eine der vielen durch Doha streunenden Katzen urplötzlich auf dem Podest der Pressekonferenz im Trainingscamp der Brasilianer gelandet und wenig unsanft hinunterbefördert worden. "Skandal" und "brutal", hatte das Internet geschrien und das Video, weil es irgendwie seltsam und neu war, fleißig geteilt.

Ob das arme Geschöpf jetzt das Maskottchen der Mannschaft werden würde, wollte ein Journalist mit lauter Stimme wissen. "Dennis!", sagte Tite, denn so hieß der Fragesteller "fragen Sie doch bitte unseren Mediendirektor. Er steht da drüben. Geh bloß weg, Katze, hat er ihr gesagt." Danach war die Pressekonferenz bald vorbei. Dennis, der Reporter, stürzte sich auf den Mediendirektor, neben ihm ein weiterer Journalist. Das Handy auf ihn gerichtet. Der nächste Skandal in der Mache. Der Mediendirektor lächelte und antwortete nicht. Ein paar Schritte von ihm entfernt ließ Tite es nicht nehmen, auf ein paar Selfies aufzutauchen. Er tanzte nicht. So viel ließ sich aus den hinteren Rängen der Pressekonferenz beobachten.