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Das koloniale Erbe der Royals: Die Queen ist tot, das Commonwealth noch nicht

Nach dem Tod der Queen steht die Monarchie auf dem Prüfstand. Einige Mitgliedsländer des Commonwealth denken darüber nach, der Krone abzuschwören. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Staatenbund daran zerbrechen muss.

Ganz automatisch wird am 8. September aus Prinz Charles nach dem Tod seiner Mutter König Charles III. Wenige Tage später wird er offiziell zum König ausgerufen und schwört den königlichen Eid.

Charles ist jetzt Staatsoberhaupt nicht nur von Großbritannien, sondern auch von 14 anderen Ländern weltweit, den sogenannten Commonwealth Realms. Die gehören wiederum zum Commonwealth of Nations, einer losen Vereinigung unabhängiger Staaten. Sie besteht aus dem Vereinigten Königreich und den ehemaligen Kolonien des British Empire. 56 sind es heute insgesamt noch, aber nur 15 von ihnen betrachten den britischen Monarchen auch als Staatsoberhaupt.

Commonwealth als Nachfolger des British Empire

Gegründet wurde das Commonwealth of Nations 1931. "Das Ziel war, eine britische Vergangenheit, die einmal einen kolonialen Stempel hatte, in eine neue Form der freiwilligen Zusammenkunft demokratisch gesonnener Staaten zusammenzuführen und damit ein wenig die britische Weltgeltung zu unterstützen", fasst der Journalist Thomas Kielinger die Absichten in einem Interview mit der Deutschen Welle zusammen.

Das Commonwealth ist sozusagen ein Nachfolger des British Empire. Die Mitglieder sind einander zu nichts verpflichtet. Gemeinsam haben die Staaten ihre Werte, und dass viele von ihnen eben früher mal Kolonien von England waren.

Unter den Mitgliedsländern sind Indien, Pakistan, 21 afrikanische Länder - unter anderem Südafrika - oder auch etliche Inselstaaten in der Karibik und in Ozeanien, wie zum Beispiel Fidschi.

"Sünden der kolonialen Vergangenheit"

Innerhalb der letzten Jahrzehnte gab es immer wieder Aus- und Eintritte. Irland beispielsweise ist 1949 ausgetreten, als das Land zur Republik wurde. Umgekehrt sind viele ehemalige Kolonien des Empire beigetreten, als sie von Großbritannien unabhängig wurden. Zypern, Singapur oder Barbados zum Beispiel. "Das Commonwealth ist ein Beweis dafür, dass die Sünden der kolonialen Vergangenheit Großbritanniens nicht so groß gewesen sein können", meint Kielinger.

Seit Juni sind auch die ehemalige deutsche und danach französische Kolonie Togo und die frühere französische Kolonie Gabun Mitglieder des Commonwealth. Dabei haben beide Länder gar keine gemeinsame Vergangenheit mit dem Vereinigten Königreich.

Die meisten Mitglieder des Commonwealth haben sich dagegen entschieden, die britische Krone als Staatsoberhaupt anzuerkennen. Zu den Ländern mit britischem Staatsoberhaupt - den Commonwealth Realms - gehören unter anderem Schwergewichte wie Kanada, Australien und Neuseeland. Aber auch Jamaika, die Bahamas, Papua-Neuguinea oder die Südsee-Inselgruppe Salomonen. Sie alle haben jetzt König Charles III. als neues Staatsoberhaupt.

Einige Staaten wollen Krone abschwören

Immer mehr dieser Länder denken darüber nach, sich von der britischen Krone abzuwenden, gerade auch nach dem Tod der Queen. Vor allem die Staaten in der Karibik. Ganz nach dem Vorbild von Barbados. Der Karibikstaat hatte vergangenes Jahr die Monarchie abgeschafft und war zu einer Republik geworden. Damit war die Queen dort nicht länger Staatsoberhaupt.

Antigua und Barbuda will in den nächsten drei Jahren das Volk über die Staatsform abstimmen lassen. Auch der winzige Karibikstaat St. Kitts und Nevis denkt darüber nach, unabhängig zu werden und die Monarchie abzuschaffen.

Jamaika will dem Vorbild von Barbados ebenfalls folgen und spielt mit dem Gedanken, eine Republik zu werden. "Es ist Zeit für uns, uns als vollständig souveräne Nation mit unserem eigenen jamaikanischen Staatsoberhaupt zu etablieren", hat Jamaikas Oppositionsführer Mark Golding beim britischen TV-Sender Channel 4 gesagt.

Dass die Beziehung zwischen dem Karibikstaat und Großbritannien zwiespältig ist, hat der Besuch von Charles' Sohn Prinz William und Prinzessin Kate im Frühjahr gezeigt. Bei Protesten haben Demonstranten gefordert, dass sich die Royals für die Verwicklung in die Sklavenhaltung offiziell entschuldigen.

Neuseeland und Australien denken über neue Staatsform nach

Die Queen ist häufig in die ehemaligen Kolonien gereist. Die Menschen haben sie aber nicht immer mit offenen Armen empfangen. In Neuseeland gab es unter anderem 1981 einen Mordanschlag auf sie. Immer wieder gibt es in dem Land Forderungen nach einer Republik. Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern sagte der BBC, sie rechne damit, dass ihr Land die Monarchie noch zu ihren Lebzeiten abschaffen wird. Derzeit gebe es aber dringlichere Probleme. Daher habe die Regierung das Thema auf absehbare Zeit nicht auf der Tagesordnung.

Neuseelands Nachbarstaat Australien ist zwiegespalten, was die Loslösung von der Krone angeht. 44 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Monarchie, zeigen Umfragen. Premierminister Anthony Albanese befürwortet diesen Plan zwar, sagte aber kurz nach dem Tod der Queen dem Sender NBC, die Frage zur Republik stelle sich gerade nicht.

Die britische Krone stellt sich nicht dagegen, wenn sich Mitglieder des Commonwealth von der Monarchie verabschieden möchten. Das hat Charles im Sommer - damals noch als Thronfolger - noch einmal klargemacht. Die Entscheidung über die verfassungsrechtliche Ausgestaltung der einzelnen Mitgliedsländer, ob Republik oder Monarchie, liege allein bei den einzelnen Ländern.

Commonwealth trotz Kritik stabil

Doch auch beim Commonwealth of Nations läuft nicht alles rund. Der Sklavenhandel, den Großbritannien als frühere koloniale Großmacht betrieben hat, belastet den Staatenbund. Mehrere ehemalige Kolonien wollen, dass Großbritannien Reparationen für den Sklavenhandel zahlt. Auch Großbritannien-Experte Kielinger ist der Meinung, dass die britische Vergangenheit aufgearbeitet werden müsse.

Experten kritisieren außerdem das Commonwealth als eine altertümliche Einrichtung. Was wir von der Organisation heute sehen, sei nur noch ein "Geist", so schätzt es Philip Murphy vom Institut für Commonwealth-Studien an der University of London in einem Reuters-Interview ein.

Die Mitglieder hätten gerade in der heutigen Zeit kein Interesse, dieses funktionierende Bündnis zu verlassen, meint Kielinger. Die Menschen würden sich krampfhaft an das halten, was es gibt. Und er macht klar: "Man darf nicht den Fehler machen, aufgrund des Wunsches einzelner Staaten unabhängig zu werden, zu folgern, die wollen jetzt das Commonwealth verlassen. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge."

Charles III. will Ausgaben verringern

Zusammenhalt braucht nicht nur das Commonwealth, sondern auch Großbritannien selbst. Energiekosten lassen die Preise steigen. Lebensmittel sind teuer. Millionen Briten stehen davor, in die Armut zu rutschen. Von einem Sozialstaat ist das Vereinigte Königreich weit entfernt. Da muss auch das britische Königshaus vorangehen. Charles will das Königshaus verkleinern, den Fokus auf wenige Mitglieder an der Spitze der Königsfamilie herunterschrauben und möglicherweise auch über 100 Angestellte entlassen.

Außerdem droht Streit mit der neuen britischen Premierministerin Liz Truss. Sie setzt sich für Fracking ein - Charles dagegen macht sich für den Umweltschutz stark. Das sind viele Baustellen für den neuen König. Das Commonwealth hat für ihn anscheinend erst einmal keine Priorität. Seine erste Auslandsreise wird er wahrscheinlich nicht, wie eigentlich üblich, in ein Mitgliedsland machen - sondern in das EU-Land Frankreich.

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