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Das Mittelalter umgibt uns noch heute

Das Mittelalter umgibt uns noch heute: Es ist der Ursprung der europäischen Städte und die Grundlage unserer historischen staatlichen Ordnung. Auch unsere Sprache ist von der Zeit zwischen 500 und 1500 n.Chr. geprägt. Natürlich war die damalige Welt eine völlig andere: Die Kirche stand im Zentrum der Welt, die Gesellschaft bestand als Verband personaler Beziehungen, Glaube und Ehre bildeten die Grundlage menschlichen Handelns.

"So ist das Mittelalter zugleich Gegenpol und Spiegel heutiger Existenz", sagt Professorin Ingrid Bennewitz, Lehrstuhlinhaberin für Deutsche Philologie des Mittelalters und geschäftsführende Direktorin des Zentrums für Mittelalterstudien (ZeMas) an der Bamberger Otto-Friedrich-Universität. Vor allem sei das Mittelalter "partiell liberaler gewesen als wir uns das heute vorstellen, und es war nicht finster, sondern farbig wie zum Beispiel die bemalten Kathedralen, Plastiken, Glasfenster, Kleidung zeigen", fügt die Professorin hinzu. Jedenfalls sei das Mittelalter nicht finsterer gewesen als etwa die spätere Epoche der "Hexenverfolgung".

Kinder lesen gerne Geschichten von Rittern

Gerade die boomenden mehr oder weniger qualitätsvollen Mittelaltermärkte würden eine Vorstellung von der damaligen Zeit vermitteln und "eine Sehnsucht ausdrücken, nämlich die nach einfacheren Strukturen und nach der Kindheit Europas", so Bennewitz. Das Mittelalter übe eine Faszination aus. Und schon Kinder "lesen gern Geschichten von Rittern und Helden des Mittelalters". Allerdings stecke in der Wiederentdeckung des Mittelalters eine gewisse Emotionalität und Unreflektiertheit: "Das ZeMas begleitet dieses Phänomen wissenschaftlich und hast sich damit einem internationalen Ruf erworben", betont die Direktorin.

Tatsächlich ist das ungewöhnliche Miteinander mehrerer Disziplinen am ZeMas weltweit einmalig: Es wurde vor 25 Jahren, im Januar 1998, als gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung von vier Fakultäten an der Universität Bamberg mit dem Ziel einer fächerübergreifenden Koordination und Organisation der mittelalterbezogenen Aktivitäten in Forschung, Lehre und Weiterbildung gegründet. Und zwar "als Gegengewicht zur immer stärker werdenden Nichtbeachtung des Mittelalters in den Schulen und Bildungseinrichtungen", blickt die Professorin zurück. Darüber hinaus wurde das Zentrum im April 2002 vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bamberg anerkannt: "als eines der fünf Forschungsschwerpunkte der Uni, mit dem wir ein großes Spektrum an Geisteswissenschaften und Materialwissenschaften innovativ verknüpfen", erklärt Professorin Bennewitz.

48 Wissenschaftler arbeiten am ZeMas zusammen

Gegenwärtig arbeiten 78 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus etwa 48 mediävistischen Fachgebieten zusammen (Mediävistik ist die Wissenschaft des europäischen Mittelalters). Dazu gehören Bereiche wie zum Beispiel die Archäologie, Denkmalpflege, Kunst- und Literaturgeschichte, Klassische Philologie und Philosophie oder Theologie. In Ringvorlesungen, großen internationalen Tagungen, kleineren Kolloquien, Expertengesprächen und informellen Arbeitsgruppen wird die interdisziplinäre Arbeit erprobt und weiterentwickelt.

Ingrid Bennewitz spricht von einer Bündelung der Interessen und Stärken, die die Fachdisziplinen mit dem Weltkulturerbe Bamberg in exquisiten Studiengängen verknüpfen. Schon im Wintersemester 2003/04 sei der sechssemestrige Bachelor-Studiengang "Interdisziplinäre Mittelalterstudien/Medieval Studies" eingerichtet und seitdem ständig weiterentwickelt worden: "Bis heute ist er der einzige eigenständige Bachelor-Studiengang in Deutschland mit diesem fachlichen Schwerpunkt und in dieser fachlichen Breite."

Seit dem Sommersemester 2007 werde auch der eigenständige viersemestrige Master-Studiengang "Interdisziplinäre Mittelalterstudien/Medieval Studies" angeboten, der im Anschluss an den Bamberger Bachelor oder an einen anderen gleichwertigen Abschluss studiert werden könne. Und seit Sommersemester 2012 sei die Graduiertenschule für Mittelalterstudien geöffnet, in der Nachwuchswissenschaftler und – wissenschaftlerinnen die Ausbildung im Rahmen eines strukturierten Promotionsprogramms fortsetzen können.

Ideale Voraussetzungen im mittelalterlichen Bamberg

Das mittelalterliche Bamberg bietet nach den Worten der Professorin ideale Voraussetzungen für die Beschäftigung mit den einschlägigen Fächern und für die verpflichtenden Praktika. Bennewitz nennt etwa die Beteiligung an Grabungen am Dom oder die Erforschung der Kaisermäntel, aber auch die rege Beteiligung von Studierenden an der touristischen Erschließung Bambergs als Stadtführer. Selbstredend, dass das ZeMas auch in regionale und internationale Projekte eingebunden ist. Als markantes Beispiel führt die Direktorin das EU Horizon 2020-Projekt "NetMAR" mit Wissenschaftlern aus Dänemark und Zypern sowie dem ZeMas an.

Überschaubare Studierendenzahlen mit hervorragendem Betreuungsschlüssel bezüglich Professoren macht das ZeMas obendrein attraktiv. Dessen ist sich Ingrid Bennewitz sicher. Und die Zukunftsaussichten für Absolventen seien gut. Denn Archive, Bibliotheken, Museen, Tourismusbetriebe, Universitäten oder die Werbebranche und mehr böten sich als Arbeitsplätze an.