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„Das System wird sich recht schnell wieder aufhängen“

„Jetzt kommt Tempo in Deutschland“, versprach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Regierungsbefragung am vergangenen Mittwoch. Vorangegangen waren knapp 30 Stunden, in denen die Ampel-Spitzen in einem mehrtägigen Koalitionsausschuss mühsam eine Einigung in Fragen der Klima- und Infrastrukturpolitik errungen hatten. Doch wie lange hält der Koalitionsfrieden? Diese Frage war Gegenstand der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ am Donnerstagabend. Unter dem Titel „Kompromiss statt Masterplan – Ampel-Streit wirklich beigelegt?“, diskutierten die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil (SPD), Omid Nouripour (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sowie der ZDF-Journalist Theo Koll und Eva Quadbeck vom RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Es war eine Regierungskrise“, konstatierte die RND-Chefredakteurin Quadbeck – aber „keine existenzielle“. Sie habe zu keinem Zeitpunkt angenommen, dass die Koalition wegen des Streits in der Energiepolitik „platzen“ könne. Nun habe die Bundesregierung die „Reset-Taste“ gedrückt und sich noch einmal – wie schon bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags im Jahr 2021 – in Szene gesetzt.

Da Grüne und FDP jedoch „gegeneinander gelaufen sind“, gebe es einen „heimlichen Gewinner“ des Streits: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Für ihn sei es praktisch, „dass Habeck und Lindner wie Hund und Katze aufeinander reagieren“. An einen nachhaltigen Frieden glaubt Quadbeck daher nicht. Im Gegenteil: Das System werde sich „recht schnell wieder aufhängen“, zeigte sich die Journalistin überzeugt.

FDP-Parteichef Christian Lindner tat die Ausführungen der Journalistin dagegen als „kreative Ferndiagnose“ ab und bemühte sich, harmonische Geschlossenheit auszustrahlen. „Alle drei Koalitionspartner können mit dem Ergebnis zufrieden sein“, so Lindner. Beim Klimaschutz habe er zwar mit den Grünen ringen müssen, doch als Verlierer stünden diese nicht da. „Die Grünen haben keine Federn gelassen. Das ist ein Narrativ, das man mal zurückweisen muss“, sagte Lindner – nur um kurz darauf ebendiese Erzählung selbst zu bedienen. Für das Land sei das Ergebnis der Gespräche ein Gewinn, „auch wenn einzelne Parteien mal Federn lassen mussten bei ihren Maximalforderungen“.

Es werden „weitere Diskussionen folgen“, bekräftigte Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour. Doch bemühte auch er sich darum, Erfolge hervorzuheben. „Wir haben Blockaden aufgelöst und am Ende Lösungen geliefert“, so Nouripour und lobte etwa die vereinbarten Investitionen in die Deutsche Bahn. Der demonstrativ zur Schau getragenen Einigkeit schloss sich auch der dritte Parteivorsitzende, Lars Klingbeil, an. „Alle haben sich bewegt, alle waren konstruktiv“, lobte der Sozialdemokrat die Bereitschaft zu Kompromissen. Es sei „völliger Quatsch“, dass sich eine Seite mehr bewegt habe als die andere. Gemeinsam haben sie Lösungen gefunden, die das Land „nach vorn bringen“ würden.

„Es ist zu schrill draußen in der Öffentlichkeit“

Von den mehrtägigen Ampel-Gesprächen müsse nun das Signal ausgehen, dass man die Bürgerinnen und Bürger mitnehme, erklärte Klingbeil. Die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in der Bevölkerung steht auch für den ZDF-Journalisten Theo Koll im Zentrum. In der Bevölkerung gebe es „klare Mehrheiten“ für das Auto und „große Sorge“ angesichts der Heizungsumstellung, so Koll. Es sei absehbar, dass die FDP in den Umfragen profitieren werde, prognostizierte der Journalist. Bei einem Einsatz für das Auto lasse sich daher ein „politisch-strategisches Element“ unterstellen.

FDP-Parteichef Lindner wies diese These zurück: „Mir hat noch niemals jemand vorgeworfen, ich würde mich nur aus taktischen Gründen für das Auto interessieren.“ Stattdessen ging der Bundesfinanzminister darauf ein, wie die Vorhaben der Regierung angesichts der „herausfordernden Haushaltssituation“ finanziert werden sollen. Lindner kündigte „konsequente Entscheidungen“ an.

Dazu sei es nötig, „realistische Anforderungen“ beim Klimaschutz zu stellen, eine finanzielle Förderung der Wärmepumpe zu ermöglichen sowie die „Belastungsgrenzen“ der Menschen im Blick zu behalten. Neue Schulden oder höhere Steuern kommen für den Liberalen nicht infrage.

„30 Stunden Gruppentherapie und am Ende steht Streit“

„Die Sitzung wurde beendet und der Streit geht weiter“, so Gitta Connemann (CDU), Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, zum Koalitionsausschuss der Ampel. Sie kritisiert vor allem fehlende Detailregelungen. Für die Bürger seien die Ergebnisse „ein fatales Zeichen“.

Quelle: WELT/ Carsten Hädler

Grünen-Chef Nouripour erkannte zwar die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse an, verwies aber auch auf die „hochambitionierte Agenda“, die finanziert werden müsse. Um das genauer zu diskutieren, sei eine Talkshow jedoch der „falscheste Ort auf der Welt“.

Illners Einwand, ob es nicht „gefährlich“ sei, entsprechende Fragen erst nach dem Koalitionsausschuss zu diskutieren, wies Nouripour zugleich zurück: Zwar seien alle drei Parteien gut beraten, „einen weniger schrillen Ton in der Öffentlichkeit zu fahren“. „Es ist zu schrill draußen in der Öffentlichkeit, das sollte so nicht sein“, kritisierte Nouripour.

Zugleich machte der Grünen-Chef zum Ende der Sendung deutlich: „Wir reden über sehr viel Geld und fundamentale Entscheidungen. Deswegen nehmen wir uns die Zeit zu streiten. Wenn man diesen Streit nicht führt, kommt man nicht zu korrigierbaren, guten, demokratischen Entscheidungen.“

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