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Das Tagebuch zur Wüsten-WM: So herzlich lacht Katar über Deutschland

"Schade, Deutschland, alles ist vorbei": So ähnlich lacht die Welt über das frühe Ausscheiden der DFB-Elf. In Katar spielen sich Szenen der Häme und des Kopfschüttelns ab. Viele erleben hier eine arrogante, überhebliche deutsche Mannschaft. Nur der DFB lebt noch in der Welt der Selbstüberschätzung.

Die kleinen Flaggen an den Cafés und Restaurant in Doha, sie wehen noch genauso wie am vergangenen Wochenende im Wind. Stabil, als wäre so rein gar nichts passiert. Doch in den Menschen in Katar hat sich seit dem Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft etwas geändert. Von Fassungslosigkeit über verstecktes Grinsen bis hin zu offener Häme, alles ist dabei.

Ein Kellner aus einem arabischen Restaurant. Er selbst kommt aus Indien. Der junge Mann kann es noch immer nicht glauben, dass Deutschland raus ist. Er schüttelt den Kopf. "Ihr habt doch gute Spieler, eine gute Mannschaft." Die Nationalelf kommt im Beliebtheitsgrad in seiner Heimat "gleich nach Argentinien mit Messi, Brasilien mit Neymar und Portugal mit Ronaldo".

Anders läuft es bei einem Security Guard am Stadion. "Was ist passiert?", fragt der Mann, der den Namen Mohammed trägt. Doch schon vor der Antwort fängt er an zu grinsen. Seine Augen sagen: Richtig so, das geschieht dem DFB-Team gerade recht.

An der arabischen Welt geht die Kritik aus Deutschland an Katar nicht spurlos vorbei. Vielen fühlen sich belehrt, von oben herab behandelt. Manche sogar beleidigt und rassistisch behandelt. Nach dem "Hand vor den Mund"-Protest der Nationalelf gegen Japan packen gegen Spanien und Costa Rica ein paar Fans in traditionellen arabischen Gewändern alte Plakate aus, die Mesut Özil zeigen und halten sich demonstrativ die Hand vor den Mund. Auf die Vorwürfe der Doppelmoral reagiert der DFB nicht. "Wir haben die Vorgänge zur Kenntnis genommen, möchten sie aber nicht weiter kommentieren", teilt das Presseteam auf Anfrage von ntv.de mit.

Singt der Muezzin noch inbrünstiger?

Auch diese Art von Kommunikation führt dazu, dass viele in Katar und der arabischen Welt der deutschen Nationalmannschaft Arroganz vorwerfen. Und umso glücklicher sind, als das Aus in der Vorrunde wirklich Realität wird. Denn dies hier ist die arabische Weltmeisterschaft, der eingebildete, unbeliebte Störenfried ist nun nicht mehr dabei.

Da lachen arabische Fans in vielen verschiedenen Trikots noch in der Nacht des Ausscheidens ihren Kumpel im Deutschland-Trikot aus. In der U-Bahn-Station muss er als einziger die rechte Rolltreppe nehmen, während seine Freunde ihn parallel von links mit Schmähgesängen versehen. Zum Glück lacht auch er selbst.

Dann sind da zwei DFB-Fans aus Deutschland auf dem Weg zum Spiel Portugal gegen Südkorea am Freitagabend. Sie tragen Trikots von der WM 2006, Relikte aus besseren Zeiten. Sie das weiße, er das rote. Beide sehen bedröppelt aus. Viele blicken sich um, trotz der Vorfreude auf Superstar Cristiano Ronaldo. Nicht wenige grinsen.

Singt auch der Muezzin an diesem Wochenende noch inbrünstiger? Nein, das ist sicher Einbildung und dem Schlafmangel geschuldet. Aber dennoch: Die Welt lacht über Deutschland. Das liegt nicht nur an der gefühlten Arroganz, die vom DFB an den Tag gelegt wurde. Auch an der Selbstüberschätzung der Nationalelf.

Weltklasse nur im Augenverschließen

Wie schon 2018 überschätzt das Nationalteam auch bei diesem Turnier die eigenen Fähigkeiten maßlos. Wenngleich die Ergebnisse der jüngeren Historie keinerlei Gründe dafür liefern. Es ist reine Selbstlüge. Ein realitätsfernes Leben in einer völlig idealisierten Vergangenheit, das den Deutschen Fußball-Bund schon länger zerfrisst.

Für den DFB ist die deutsche Nationalelf noch bis zu Beginn dieser WM ein Titelkandidat - trotz Jahren der Erfolglosigkeit, die die vielen Unfähigkeiten im Verband, im Nachwuchssystem, in der taktischen und technischen Ausbildung und den Vorsprung anderer Fußballnationen knallhart offenlegen. Weltklasse ist "Die Mannschaft" nur in Slogans und im Augenverschließen.

Vier Sterne auf der Brust. Eine ruhmreiche Historie. "Wir" sind wer und gehören zur Weltspitze. Das ist nicht die Realität: Fußball-Deutschland lebt schon eine Weile in dieser Welt des Trugschlusses, der Arroganz und der Überheblichkeit. Mit der Selbstüberschätzung, immer noch ein Gigant am Fußball-Himmel zu sein, muss Schluss sein. Der Ruhm alter Tage bedeutet nichts, das DFB-Team befindet sich seit Jahren auf einer steilen Straße ins Tal des Mittelmaßes.

Dieser Abstieg steht sinnbildlich für Deutschlands Standing in der arabischen Welt. Die Nationalelf und die Bundesrepublik werden negativer betrachtet und teilweise belächelt. Weil sie den eigenen Ansprüchen oft nicht gerecht werden. Fußball und Politik verschwimmen bei diesem Turnier in Katar wie nie zuvor.

Katarischer TV-Sender lacht DFB-Elf aus

Fußballkommentatoren des katarischen Senders Alkass Sports verspotten die deutsche Mannschaft nach dem Ausscheiden, indem sie den Protest der Spieler gegen die Menschenrechte nachahmen. Die Runde hält sich mit einer Hand den Mund zu, winkt mit der anderen in die Kamera. Auf Wiedersehen, Deutschland. Schön, dass ihr hier wart. Wir freuen uns, dass ihr weg seid.

"Gott sei Dank beten heute alle arabischen und muslimischen Nationen dafür, dass sich Japan mit irgendeiner Mannschaft qualifiziert, aber das Wichtigste ist das Ausscheiden Deutschlands", sagte zuvor der ehemalige Kuwaits, Jamal Mubarak, dem katarischen Sportsender.

Im saudi-arabischen TV wird am Samstagabend noch immer darüber über die frühzeitige Heimreise der deutschen Elf gesprochen und gelacht. Bilder zeigen alle deutschen Bayern-Spieler, die schon wieder in Deutschland weilen und die französischen Bayern-Stars, die im Achtelfinale stehen. Auch japanische Fans zeigten sich mit der Mund-zu-Geste vor den Stadien und in den Straßen Dohas und winkten und grinsten dabei fröhlich.

Natürlich lacht auch Deutschlands Fußball-Rivale England, wo schließlich sogar das deutsche Wort Schadenfreude existiert, noch immer herzlich. Stürmer-Legende Alan Shearer führte den Ansturm an, indem er ein Video twitterte, in dem er zusammen mit Ikonen-Kollegen Micah Richards und Gary Lineker ausrastete. Und Fußballfans aus der ganzen Welt schlossen sich online an.

Schluss mit der Selbstüberschätzung

In Sachen Arroganz und Selbstzufriedenheit statt Selbstkritik geben sich Bundestrainer Hansi Flick und Manager Oliver Bierhoff in bester, bräsiger Politiker-Manier. Wo es kein einfaches "weiter so" geben darf, bleiben sie wie angewurzelt auf ihrem Stuhl kleben. Lieber ausgetretene Trampelpfade statt neuer Wege, Angela Merkels Stoizismus in Reinform.

Während Frankreich, Spanien oder England Talent um Talent produzieren und fördern, leistet sich der Klüngel-DFB, der größte Sportfachverband der Welt, in Bierhoff seit 18 Jahren einen Sportdirektor, von dem kaum jemand weiß, was er neben Marketing überhaupt wirklich tut. Nach dem Ausscheiden gegen Costa Rica will die ausländische Presse in den Katakomben des Al-Bayt Stadions bis auf einen italienischen und einen englischen Kollegen nichts von Bierhoff wissen. Der eine oder andere schaut gar drein, als wisse er gar nicht, wer der Mann im feinen Anzug überhaupt ist.

Nach dem WM-Aus wird hier gedoktort, dort werden DFB-Personalwechsel gefordert - und alle schwören auf den Neuanfang, um "wieder dahin zu kommen, wo wir hingehören". Aber schon darin liegt der Trugschluss, die Überheblichkeit. Schluss mit der Selbstüberschätzung: Deutschland spielt im Fußball jetzt die zweite Geige. Der lachende Rest der Welt weiß es schon.