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Der Kanzler spricht vom Krieg in der Ukraine, Südafrikas Präsident von „Konflikt“

Es kommt eher selten vor, dass nach Staatsbesuchen unterschiedliche Positionen mit klaren Worten thematisiert werden. So war es auch bei der Begegnung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa in Pretoria. Zwischen den Zeilen wurde die gegenseitige Kritik an der Position zum Krieg in der Ukraine aber dann doch deutlich formuliert.

Südafrika gehört wie die erste Reisestation Senegal zur beachtlichen Phalanx afrikanischer Länder, die bei der Haltung gegenüber Russland eine eher neutrale Position gewählt haben. Spätestens nach den unverhältnismäßigen internationalen Reisesperren nach den Entdeckungen der Beta- und Omikron-Varianten des Coronavirus hält man sich in Südafrika mit Kritik am Westen ohnehin selten zurück. Insofern war die nach dem Senegal und Niger dritte Station die wohl komplizierteste während der ersten Afrika-Reise von Scholz als Bundeskanzler.

So sprach Ramaphosa bei der Pressekonferenz mit Scholz durchgehend von „dem Konflikt“, wenn er die Lage in der Ukraine meinte. Seine Regierung vermeidet seit Beginn des Krieges das Wort Krieg – und konkrete Schuldzuweisungen. Scholz hielt recht resolut dagegen: „Es handelt sich um einen russischen Angriffskrieg“, sagte er. „Das muss jedem klar sein, der diese Situation bewertet.“

Beim deutschen Werben um Unterstützung für die internationalen Sanktionen gegen Russland sowie Waffenlieferungen an die Ukraine gab es entsprechend wenig überraschend keinen Konsens. Ramaphosa ließ an seiner Position keinen Zweifel. Die Sanktionen hätten „einen übergreifenden Effekt, auch auf andere Länder“, sagte er. Diplomatie sei „die einzige Lösung“ zur Beilegung des „Konflikts“.

Scholz bei seinem Besuch in Südafrika neben Präsident Ramaphosa

Scholz bei seinem Besuch in Südafrika neben Präsident Ramaphosa

Quelle: REUTERS

In Teilen seiner Regierungspartei, dem African National Congress (ANC), fällt die russische Propaganda offenbar auf offene Ohren: Globale Folgen des Angriffskrieges, wie etwa die Getreideknappheit, so das Narrativ, seien nicht etwa auf die russische Hafenblockade des Getreide-Großproduzenten Ukraine zurückzuführen. Sondern auf westliche Sanktionen. Diese Argumentation ist keine offizielle Regierungsposition in Südafrika, sie fand aber Einzug in ein ANC-Arbeitspapier.

Deutschland will im Niger präsent bleiben

Es war allen Beteiligten im Vorfeld klar, dass man in dieser Frage keine gemeinsame Position finden würde. Und es wäre natürlich falsch, die dreitägige Reise auf das Thema Ukraine zu reduzieren. Dafür sind Themen wie die Industrialisierung des Kontinents, gemeinsame Energiepolitik und Sicherheitspolitik in der Sahelzone zu relevant.

Absolut folgerichtig war entsprechend der Besuch im Niger. Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel hatte nach der Flüchtlingskrise 2015 eine intensive Beziehung Deutschlands mit dem letzten Transitland vor Libyen aufgebaut. Damals war der heutige Präsident Mohamed Bazoum Innenminister und setzte die von der EU finanzierten Maßnahmen zur Stärkung des Grenzschutzes federführend um – ein wichtiger Grund für die seitdem gesunkene Zahl von westafrikanischen Migranten, die in Europa ankommen.

Das laut UN ärmste Land der Welt hat strategisch seitdem weiter an Bedeutung gewonnen, schließlich wurden hierher zuletzt europäische Kampftruppen aus Mali verlegt. Und Deutschland bleibt präsent, Scholz verkündete, dass das im Dezember auslaufende Mandat für die Entsendung von 200 Ausbildern der Bundeswehr verlängert werde: „Das ist langfristig angelegt.“

Geopolitisch aber waren der Senegal und Südafrika die wohl wichtigeren Stationen. Sie zählen zu den fünf Gastländern beim G-7-Gipfel im Juni in Bayern. Senegal hat derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) inne, und Südafrikas Wort auf dem Kontinent immer Gewicht. Natürlich erhofft man sich eine klarere Distanzierung Afrikas von Russland.

Denn ungeachtet des historischen Einflusses Russlands in Südafrika durch die Unterstützung des ANC im Anti-Apartheid-Kampf sind die Beziehungen Südafrikas zu Deutschland und anderen westlichen Ländern durchaus widerstandsfähig. Die Verfassung gehört zu den liberalsten der Welt, die Europäische Union ist Südafrikas wichtigster Handelspartner.

19 statt 14 Kanonenschüsse für Scholz

Deutschland betrachtet Südafrika trotz mancher Meinungsverschiedenheit als seinen wichtigsten strategischen Partner in Afrika. Politisch, aber auch wirtschaftlich. Besonders für die deutsche Automobil-Industrie ist das Land ein wichtiger Standort. Sie produziert in Südafrika vorwiegend für den amerikanischen Markt, der von Afrika aus zollfrei beliefert werden kann.

Entsprechend bemühten sich beide Seiten, dass der Ukraine-Krieg den Besuch nicht vollends dominierte. Scholz wurde am südafrikanischen Regierungssitz mit ausgiebigen militärischen Ehren empfangen. Er wurde von einem Arbeitsbesuch zu einem offiziellen Besuch hochgestuft (19 statt 14 Kanonenschüsse), die zweithöchste protokollarische Ebene – und ungewöhnlich bei einem Aufenthalt von wenigen Stunden.

Ramaphosa begleitete Scholz zu einem Termin beim Erdöl- und Chemiekonzern Sasol, bei dem sich eine deutsch-südafrikanische Forschungskooperation um die Entwicklung eines klimaneutralen Flugzeugtreibstoffs bemüht. Scholz lobte das „moderne Industrieland“. Bei der Fahrt durch Johannesburg und Pretoria sei ihm bewusst geworden, „welcher Fortschritt hier stattgefunden hat“, wohl wissend, dass die beiden Wirtschaftsmetropolen nicht unbedingt repräsentativ für das von rasant steigender Staatsverschuldung und Rekordarbeitslosigkeit geplagte Land stehen.

24.05.2022, Südafrika, Pretoria: Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD), enthüllt beim Besuch der Firma Sasol gemeinsam mit Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa ein Modell eines Fischer-Tropsch Reaktors. Südafrika gehört wie Deutschland zur G20 der wichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt und ist von Scholz zum G7-Gipfel in Bayern eingeladen worden. Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bundeskanzler Scholz enthüllt beim Besuch der Firma Sasol gemeinsam mit Südafrikas Präsident Ramaphosa ein Modell eines Fischer-Tropsch-Reaktors

Quelle: dpa

Schon im Senegal hatte Scholz den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Afrika betont. Im Fokus stehen natürlich die Gas-Ressourcen, die dort vor der Küste entdeckt wurden. Das Interesse ist groß, schließlich sucht man in Europa nach Ersatz für das russische Gas. Allzu oft tritt Deutschland bei Investitionen in Afrika zögerlich auf, das könnte sich nun ändern – wenngleich Italien schon deutlich weiter ist. Dort wurden in den vergangenen Wochen bereits Verträge mit Angola und Algerien für Gaslieferungen abgeschlossen.

Senegals Präsident Macky Sall wird in seiner Funktion als AU-Vorsitzender übrigens bald endlich in die Ukraine reisen, wo sich seit Kriegsbeginn bislang kaum ein hochrangiger afrikanischer Politiker hat blicken lassen. Vielleicht war auch das eine interessante Information für den bei dieser Reiseroute bekanntlich noch zögerlichen Kanzler.