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Der Neustart im Schnellcheck: "Ganz gut" ist beim DFB für den Moment gut genug

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat nach dem WM-Desaster von Katar einen schweren Weg vor sich: Zurück in die europäische Spitze müssen sie es spätestens zur Heim-EM im kommenden Jahr schaffen. Schneller soll es in die Herzen der entfremdeten Anhänger zurückgehen. Der erste Schritt ist gegangen.

Was ist da eigentlich in der Mewa Arena in Mainz passiert?

Erinnern Sie sich noch an den 1. Dezember 2022? Fußball-WM in Katar, Deutschland gegen Costa Rica, Gruppenfinale. Nach einem hart erarbeiteten 1:1 gegen Spanien war man sich in Deutschland recht sicher, das erneute Debakel - das zweite WM-Vorrundenaus in Serie - noch abwenden zu können. Mit spanischer Schützenhilfe gegen Außenseiter Japan oder - wahrscheinlicher - aus eigener Kraft: Mit einem 8:0 oder höher gegen Costa Rica. Die Geschichte endete anders, bitter nämlich. Der 4:2-Erfolg reichte nicht fürs Weiterkommen.

Der DFB verfiel wieder zurück in den Krisenmodus, Schuld waren wahlweise eine bunte Binde, ein zunehmend farbloser Sportdirektor, der DFB an sich, der Weltgeist, ehrlose Millionäre oder der Bundestrainer. Sportdirektor Oliver Bierhoff räumte eilends seinen Posten (wohl, um einem Rauswurf zuvorzukommen), der Bundestrainer durfte (und wollte) bleiben, dem Weltgeist ist Fußball egal. Und die bunte Binde, die am Ende in Katar doch niemand trug, wurde, das war dieser Tage ein wichtiges Thema, durch eine schwarz-rot-goldene ersetzt. Basta.

Und so traf man sich in Mainz zum Neustart nach der WM. Dass der DFB das wenig glamouröse Stadion in den Feldern der Mainzer Peripherie zur Rückkehr vors Heimpublikum wählte, zeigt auch in Zahlen, dass die Lage schwer ist: 25.000 Zuschauer, ausverkauft. Immerhin. Für das Spiel am Dienstag gegen Belgien in Köln gibt es noch Tickets.

Und Flick kam mit einem überraschenden Kader voller Neulinge - und ohne zahlreiche arrivierte Kräfte. Das sorgte für Verwunderung, denn mit der alten Garde um Thomas Müller lief es ja all die Jahre su ... Ach nein, doch nicht. Aber Josha Vagnoman vom VfB Stuttgart? "Für mich geht es schon darum, dass wir den Rhythmus finden. Dass wir in jedem Spiel Selbstvertrauen gewinnen - auch eine gewisse Kontinuität aufbauen", sagte Kapitän Joshua Kimmich, der im Vorfeld ganz zarte Kritik am Debütantenball geäußert hatte. "Für mich sind das jetzt auch keine klassischen Test- oder Freundschaftsspiele. Für mich ist jedes einzelne ein Vorbereitungsspiel - und jedes einzelne Spiel müssen wir gewinnen", forderte der Mittelfeldspieler.

Der Bundestrainer operierte in Mainz erstmals an seiner Truppe herum, mit der er bei der Heim-EM 2024 alles zum Guten wenden will. "Es kann nicht alles funktionieren", kündigte Flick an. Man wolle aber "Leidenschaft sehen". Und so war Flick "absolut überzeugt davon, dass die Mannschaft ein gutes Spiel macht". Und ja, es klappte nicht alles an diesem Abend, an dem das DFB-Team die selbst auferlegte Bringschuld gegenüber ihrem Publikum abzutragen beginnen wollte, aber es war ein Beginn - aber eben auch vor allem zu Beginn.

Ein Sieg, wie Kimmich und auch Flick als wichtig fürs Selbstverständnis einordnen, war nie gefährdet. Weil die deutsche Mannschaft vor allem in der ersten Hälfte zahlreiche Offensivaktionen kreierte, mit Dynamik und sichtbarer Lust am Kombinationsspiel. In der zweiten Hälfte dann wurde es etwas zu wild, auf der sichtbar bemühten Suche nach der Struktur kamen der deutschen Mannschaft Präzision und Dynamik zu oft verloren. "Es ging darum, einen guten Start zu haben ins Länderspieljahr, die Fans ein bisschen mitzunehmen, und ich glaube, die erste Halbzeit war wirklich ganz gut", sagte Doppeltorschütze Füllkrug. Und hatte recht: Die erste Halbzeit war wirklich ganz gut.

Teams & Tore

Deutschland: ter Stegen - Wolf, Ginter, Schlotterbeck (86. Kehrer), Raum - Kimmich, Can (46. Goretzka) - Havertz (75. Schade), Wirtz (46. Götze) - Füllkrug (75. Berisha), Werner (46. Gnabry) - Trainer: Flick
Peru: Gallese - Tapia, Araujo, Abram - Advincula (89. Zambrano), Gonzales (46. Flores), Cartagena (56. Polo) - Aquino (70. Yotun), Lopez - Carrillo (88. Sandoval) - Ruidiaz (46. Lapadula).- Trainer: Reynoso
Schiedsrichterin: Maria Sole Caputi (Italien)
Tore:
Zuschauer: 25.358 (ausverkauft in Mainz)
Gelbe Karten: Raum - Cartagena.
Bes. Vorkommnis: Havertz (Deutschland) schießt Foulelfmeter nach Videobeweis an den Pfosten (68.)

Wie hoch war der Neuanfangsfaktor?

Sechs Profis hatte Hansi Flick zum ersten Mal in den Kreis der Nationalmannschaft eingeladen - und mit Marius Wolf durfte einer gegen Peru von Beginn an debütieren. Mit Joshua Kimmich und David Raum standen nur zwei Spieler bei Anpfiff auf dem Platz, die auch damals im Dezember gegen Costa Rica begonnen hatten. Und Wolf trug sich mit einer Torvorlage in die Geschichte dieser neuen DFB-Generation ein. Ob der Dortmunder künftig Teil des Inventars sein wird? Abwarten. Mit Augsburgs Mergim Berisha und England-Legionär Kevin Schade (FC Brentford) schickte Flick spät noch zwei weitere Neulinge aufs Feld. Die Begegnung war da allerdings schon längst durch diverse VAR-Momente, Nickligkeiten und die abhandengekommene Selbstverständlichkeit des deutschen Offensivspiels zum zähen Ringen um die Rückkehr der Begeisterung geworden.

Auch taktisch probierte Flick etwas Neues: Mit Timo Werner und Niclas Füllkrug durften zwei Stürmer ran. "Wir haben bewusst drei Stürmer eingeladen - und wollen bewusst jetzt ausprobieren, wie das funktioniert", sagte Flick. "Und sind überzeugt, dass das zu der Art, wie wir spielen wollen, passt." Blitzfazit: Die Idee steht der deutschen Nationalmannschaft, wo man sich lange an der Frage abgearbeitet hatte, ob man überhaupt auch nur einen "echten" Mittelstürmer braucht.

Mit Niclas Füllkrug wurde nach Jahren vergeblicher Suche endlich ein Torjäger identifiziert, der nun auch dem Neustart Schub verschaffte. Timo Werner, zu Beginn als zweiter Stürmer aufgeboten, tat sich einmal mehr schwer. Aber er sorgte immerhin dafür, dass Sturmpartner Füllkrug zweimal da stehen konnte, wo - Achtung, Phrase - ein Mittelstürmer eben stehen muss. Zur zweiten Hälfte durfte Werner nicht zurück aufs Feld. Der persönliche Neuanfang des Rekordtorschützen der Ära Flick gelang nicht.

"Wir wollen Leidenschaft sehen, wollen begeisternden Fußball sehen und Überzeugung", hatte der Bundestrainer kurz vor dem Anpfiff im ZDF gesagt. Leidenschaft und Überzeugung von einer Nationalmannschaft in der - sie haben es selbst gesagt - Bringschuld einzufordern, ist natürlich einigermaßen billig. Der Wille, das immerhin wurde sichtbar, ist da. Der begeisternde Fußball, das muss noch kommen. Am Neuanfang steht eben das Ringen nicht nur ums Selbstverständnis, sondern auch um Selbstverständlichkeiten. Es war ein erster Schritt.

Die Stimmen zum Spiel

Bundestrainer Hansi Flick: "Man konnte erkennen, dass die Mannschaft mit sehr viel Dynamik gespielt hat. Vieles war gut, die Mannschaft hat so noch nicht zusammengespielt. Trotzdem haben wir zwei schöne Tore gemacht und waren hinten zu Null. Das war uns ein Anliegen. Wir werden uns gut vorbereiten auf die EM in Deutschland. Es ist eine große Verantwortung. Heute hat man gesehen: Jeder einzelne ist bereit, diesen Extrameter zu gehen."

Joshua Kimmich: "Wir sind gut in die erste Halbzeit gestartet, hatten Chancen auf mehr Tore. Die zweite war zerfahren, da müssen wir weniger Fehler machen und mehr Kontrolle über das Spiel bekommen. Wenn die Spitzen auch noch treffen, ist es umso besser. Es hat uns heute gutgetan, dass wir die Box besetzt hatten."

Leon Goretzka: "Wir haben zwar das Spiel gewonnen, aber noch nichts erreicht. Wir wollten den Schwung mitnehmen, das ist uns gelungen. Wir haben zwei schöne Tore gemacht und Niclas Füllkrug hat bewiesen, dass er weiterhin für die Nationalmannschaft treffen kann."