Germany
This article was added by the user . TheWorldNews is not responsible for the content of the platform.

Der Sanierungsstau rückt das Jahrhundertprojekt Deutschlandtakt in weite Ferne

Es sollte eine Revolution werden, kündigte der damalige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an: Ein deutschlandweiter Takt von Schnellzugverbindungen, alle 30 Minuten zwischen den Metropolen, aufeinander abgestimmt, damit das Umsteigen klappt.

Es klang schon 2020 zu schön, um wirklich wahr zu sein. Und tatsächlich hatte das Konzept schon damals einen mindestens mittelgroßen Haken: Ein echtes Datum, wann der „Deutschlandtakt“ vollendet sein soll, gab es nie.

Allerdings sollte der Deutschlandtakt immer ein elementarer Baustein sein, um die Ziele, die sich schon die damalige Bundesregierung für den Bahnverkehr gesetzt hatte und die auch die Ampel-Koalition übernommen hat: eine Verdopplung der Passagierzahl und ein Plus von 25 Prozent beim Schienengüterverkehr bis 2030.

Nun sind es nur noch sieben Jahre bis 2030 und die Probleme der Deutschen Bahn sind seit den großen Ankündigungen von Scheuer eher größer als kleiner geworden. Im vergangenen Jahr waren gerade mal 65 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich – also weniger als sechs Minuten verspätet am Ziel.

Ein katastrophaler Wert, der vor allem am Zustand des schon bestehenden Infrastrukturnetzes liegt. Auf 50 bis 80 Milliarden Euro beläuft sich allein der Investitionsstau in das Schienennetz je nach Schätzung.

Entsprechend weit nach hinten rutscht der Deutschlandtakt auf der Prioritätenliste. Vor einigen Wochen gab es schon einmal Aufregung, weil sich ausgerechnet der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), damit zitieren ließ, dass der Deutschlandtakt „in den nächsten 50 Jahren als Jahrhundertprojekt“ kommen sollte.

Also wird der neue Fahrplan erst in den 2070er-Jahren fertig? So sollte es nicht gemeint gewesen sein. Doch ausgerechnet bei der Vorstellung der Bilanz der Deutschen Bahn (DB) für das vergangene Jahr räumte der amtierende Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) ein, dass man überhaupt keinen Termin nennen könne, wann der Deutschlandtakt denn nun endlich Realität sein könnte.

„Wir halten am Deutschlandtakt unverändert fest und setzen den Deutschlandtakt so schnell es geht um“, sagte Wissing. Er habe die Debatte gar nicht verstanden, denn der Deutschlandtakt sei sozusagen als abstrakte Vorgabe da. „Und jetzt muss die Infrastruktur sukzessive dem Deutschlandtakt angepasst werden“, so der Minister.

Doch das ist gar nicht so einfach. „Wir haben natürlich auch eine ganze Reihe von Strecken, wo wir sehen, dass sie nicht geeignet sind, um die Anforderungen an den Deutschlandtakt zu erfüllen, da brauchen wir Neubaustrecken“, sagte Wissing. „Und an diesen Neubaustrecken arbeitet die Bahn auch mit Hochdruck, natürlich leider mit einem erheblichen öffentlichen Widerstand.“

Dank der neuen Planungsgeschwindigkeit gebe es „Hoffnung“

Gerade Schienen-Neubaustrecken in Norddeutschland seien „höchst umstritten“, aber mit der beschlossenen Planungsbeschleunigung gebe es Hoffnung. „Aber“, stellt Wissing klar, „es gibt kein Datum, zu dem wir sagen können: Zu diesem Tag haben wir überall den Deutschlandtakt.“

Bahn-Chef Richard Lutz machte wenig Hoffnung, dass das unbestimmte Datum in näherer Zukunft liegen könnte. „Herr Wissing hat zu Recht gesagt: Mir hilft es nichts, wenn wir 2050 eine tolle Situation haben“, sagte Lutz. „Wir müssen etwas Gutes für die Menschen in diesem Land in den nächsten Jahren bewegen. Das muss sichtbar sein.“

Natürlich werde man den Deutschlandtakt so schnell wie möglich umsetzen. „Aber es ist richtig, dass in den nächsten Jahren keine Neubaustrecken in Norddeutschland und anderswo passieren, da wird wenig in der neuen Infrastruktur passieren, außer Stuttgart 21“, sagte Lutz.

Man konzentriere sich deshalb jetzt erst mal auf die Sanierung des Kernnetzes. Ein „Hochleistungsnetz“ soll nämlich unabhängig vom Deutschlandtakt entstehen, indem man die Hauptverbindungen nach und nach Generalüberholt. Die Arbeiten, die eigentlich in den kommenden Jahren auf den maroden Strecken anfallen würden, sollen gebündelt und vorgezogen werden.

Doch dafür werden ausgerechnet diese Hauptverkehrsadern des Bahnverkehrs monatelang gesperrt werden. Den Anfang wird nächstes Jahr die sogenannte Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim machen.

Das entstehende Chaos durch die Vollsperrung ist absehbar und doch unvermeidbar. Auch innerhalb des Staatskonzerns gibt es durchaus zweifelnde Stimmen, ob das Konzept so überhaupt funktionieren könne.

Doch klar ist auch: So wie es derzeit und in den vergangenen Jahren läuft, kann es nicht weitergehen. Wissing betonte, für die Pünktlichkeit – oder besser: die Unpünktlichkeit – spiele der Deutschlandtakt keine Rolle. Hier komme es viel mehr auf die Sanierung an. „Die Bahn ist dann pünktlich, wenn wir das Hochleistungsnetz geschaffen haben und das Netz ertüchtigt ist und wir nicht mehr von Baustellen, von Dauerbaustellen im Betrieb beeinträchtigt werden“, sagte der Minister.

Das Hochleistungsnetz werde deshalb „in diesem Jahrzehnt“ realisiert. „Das Pünktlichkeitsproblem ist kein Deutschlandtaktproblem“, sagte Wissing, „sondern das ist ein Netzinfrastrukturzustandsproblem, das wir mit der Hochleistungskorridorsanierung angehen.“

Immerhin soll das nötige Geld für die Kernsanierung nach den Beschlüssen des Koalitionsausschusses aus dieser Woche nun zur Verfügung stehen. 80 Prozent der geplanten Einnahmen durch die Lkw-Maut sollen in die Sanierung fließen, das wären in den kommenden vier Jahren immerhin geschätzte 20 Milliarden Euro.

Deutsche Bahn soll bis 2027 rund 45 Milliarden Euro für Infrastruktur bekommen

Weitere 25 Milliarden Euro müssten allerdings noch aus dem Haushalt kommen, laut dem Papier soll die Bahn bis 2027 rund 45 Milliarden Euro für die Infrastruktur bekommen. Sichergestellt ist das allerdings noch nicht. Immerhin: 2024 werde jeder Euro zur Verfügung stehen, den die Bahn braucht, verspricht der Verkehrsminister. Darüber hinaus brauche man aber auch eine mittelfristige Finanzplanung, um auch der Bauwirtschaft zu signalisieren, dass es sich lohnt, die benötigten höheren Kapazitäten für die Sanierung aufzubauen.

Dass die Deutsche Bahn selbst größere Beträge beisteuern könnte, ist angesichts der Zahlen des Konzerns extrem unwahrscheinlich. Zwar stieg der Umsatz um fast 20 Prozent auf 56,3 Milliarden Euro, die Passagierzahl legte sogar um 28 Prozent auf 3,75 Milliarden Reisende zu, im Fernverkehr lag das Plus sogar bei über 61 Prozent.

Doch unter dem Strich stand am Ende doch ein Verlust von 227 Millionen Euro. Immerhin fiel das Minus damit 684 Millionen Euro geringer aus als noch 2021. Allerdings prüft die Bahn derzeit auch den Verkauf von DB Schenker, einem der wenigen Gewinnbringer des Konzerns. Sollte man sich dafür entscheiden, könnte die Bilanz womöglich in den kommenden Jahren noch schlechter aussehen.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du . Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Künftig sollen der Bahn-Betrieb und die Infrastruktur getrennt fortgeführt werden. Zum Jahreswechsel soll eine am Gemeinwohl orientierte Infrastrukturgesellschaft nach dem Willen von Wissing den Betrieb aufnehmen. Sie soll sich dann um das Schienennetz und dessen Instandhaltung kümmern.

Ob es dadurch wirklich besser wird, ist fraglich, das weiß auch Wissing: „Die Lösung der Probleme bei der Bahn“, sagt der Verkehrsminister, „kann nicht im Gesellschaftsrecht liegen.“

Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören

Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du . Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 7 Uhr mit unseren Finanzjournalisten. Für Börsenkenner und -einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.