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Der Sieg des ehemaligen Nato-Generals ist ein wichtiges Vorzeichen

Beobachter sind sich uneins, ob Andrej Babis sich versprochen hat oder ob die wohl skandalträchtigste Aussage des tschechischen Präsidentschaftswahlkampfs als ein Teil seiner schrillen, aggressiven Kampagne verstanden werden muss.

Während einer Fernseh-Debatte nach dem ersten Wahlgang antwortete der Milliardär Babis auf die Frage eines Journalisten, ob unter seiner Führung Tschechien Polen oder den baltischen Staaten im Fall eines russischen Angriffs militärisch zu Hilfe käme, mit den Worten: „Nein, sicherlich nicht.“ Einer der beiden Kandidaten der Stichwahl also stellte damit ganz offen die Nato-Beistandsklausel in Frage.

Auch wenn die Außenpolitik maßgeblich von der tschechischen Regierung bestimmt wird, ist der Präsident der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Entsprechend groß war die Aufregung im In- und Ausland. So musste der amtierende Präsident Milos Zeman die Wogen bei einem Treffen mit seinem polnischen Amtskollegen Andrzej Duda glätten, Babis zurückrudern.

Der 68-jährige Unternehmer, der von 2017 bis 2021 Premierminister war, dürfte mit seinen Auslassungen zur Nato oder dem Versuch, den Gegenkandidaten und ehemaligen Nato-General Petr Pavel als Kriegstreiber zu verunglimpfen, Stimmen der Rechtsextremen und der Kommunisten erhalten haben. Einen Sieg hat ihm diese Strategie aber nicht gebracht.

Nach Auszählung fast aller Stimmen entfallen 57 Prozent auf Pavel, 43 Prozent auf Babis. Es gilt als sicher, dass der 61-jährige parteilose Quereinsteiger Pavel und nicht der umstrittene Populist Babis damit im März das Präsidentenamt übernehmen wird. Premierminister Petr Fiala, dessen Regierung Pavels Kandidatur unterstützt und der unmittelbar vor der Stichwahl Babis ungewohnt scharf in einem Interview mit WELT kritisiert hat, gratulierte dem ehemaligen tschechischen Armeechef Pavel bereits. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit diesem, sagte Fiala.

Acht Millionen Tschechen waren am Freitag und Samstag zur Stichwahl aufgerufen. Mit siebzig Prozent war die Wahlbeteiligung ungewohnt hoch. Viele Beobachter hatten indes damit gerechnet, dass mehr Bürger als üblich an die Urnen gehen werden. Pavel hatte in den vergangenen zwei Wochen Tausende von Menschen auf Solidaritätsdemonstrationen mobilisiert; mit diesen wurde immer deutlicher, dass die Wahl auch eine Wahl gegen Babis werden würde. Drei im ersten Wahlgang ausgeschiedene Kandidaten sprachen sich zudem für Pavel aus, darunter die drittplatzierte Danuse Nerudova.

Mit einem amtlichen Endergebnis ist am Samstagabend zu rechnen. Hochrechnungen oder Prognosen werden in Tschechien von offiziellen Stellen während der Präsidentschafts- wie auch während der Parlamentswahlen nicht veröffentlicht.

Für das 10,5-Millionen-Einwohner-Land war es eine Richtungswahl zwischen Rechtspopulismus und bürgerlicher pro-europäischer Politik, eingebettet in ein starkes transatlantisches Verhältnis.

Protest gegen pro-ukrainische Politik

Babis, einer der reichsten Männer Zentraleuropas, verstrickt in mehrere Korruptionsskandale, trat gegen einen ehemaligen Nato-General an, der vielen als Kriegsheld gilt, weil er 1993 während der Jugoslawienkriege in Bosnien mit seiner Einheit 53 französische Soldaten evakuierte. Pavel wurde im Wahlkampf allerdings auch seine frühere Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei zur Last gelegt.

Das dominierende Wahlkampfthema war aber der Krieg in der Ukraine. Tschechien ist ein wichtiges Unterstützerland Kiews, lieferte schon vor der russischen Invasion Waffen an die ukrainische Armee und hat so viele ukrainische Flüchtlinge aufgenommen wie kaum ein anderes Land. Ein Großteil der Bevölkerung steht hinter dieser Politik; in den vergangenen Monaten kam es jedoch immer wieder zu Großdemonstrationen speziell gegen hohe Energiepreise, doch auch gegen die pro-ukrainische Politik der tschechischen Regierung.

Babis und Pavel hatten ihre Kampagnen auf diese Entwicklung ausgerichtet. So steht Pavel für eine konsequente Unterstützung der Ukraine und eine eindeutige Westorientierung Tschechiens. Babis hingegen setzte auf die Angst vieler Menschen vor einer Ausweitung des Krieges. Auf Wahlplakaten etwa behauptete er, der „General“ glaube nicht an Frieden.

Babis sagte mehrfach, dass er Tschechien nicht in den Krieg hineinziehen werde und deutete damit fälschlicherweise an, dass Pavel genau das Gegenteil wolle. Experten ordneten Babis’ Kampagne als noch aggressiver ein, als die seiner Partei während der Parlamentswahlen 2021. Damals teilte Babis vor allem gegen die Piratenpartei aus, zum Beispiel insinuierte er, dass ihre Vertreter die Tschechen dazu zwingen wollen, Migranten bei sich zu Hause aufzunehmen.

Der Präsident hat im politischen System Tschechiens weniger Einfluss als die Regierung, wenn seine Rolle auch zentraler ist, als die des Bundespräsidenten in Deutschland. So ist der tschechische Präsident nicht nur der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er ernennt Richter und Regierungsmitglieder und kann Gesetze zurück an das Parlament delegieren.

Mit Pavel wird eine neue Ära in der tschechischen Politik eingeläutet. Denn mit seinem Wahlsieg scheidet Babis, der über zehn Jahre als Politiker und Unternehmer großen Einfluss auf das Land hatte – auch über sein Medienimperium – vorerst als Machtfaktor aus; es endet zudem die Ära von Noch-Präsident Milos Zeman. Nach zwei Amtszeiten konnte der 78-Jährige, zuletzt stark von Krankheit gezeichnet, nicht noch mal antreten.

Zeman schien immer wieder seine ihm von der Verfassung zugeschrieben Rolle überdehnen zu wollen, geriet vielfach in Konflikt mit der Regierung, weigerte sich Richter zu nominieren oder Minister zu ernennen. Am schwerwiegendsten aber war seine Ausrichtung auf Russland und China. Zeman galt als Putin-Freund, der sein positives Russlandbild erst mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu revidieren schien. Regelmäßig geriet Zeman wegen seines Anspruchs, das Land für russische und chinesische Einflüsse zu öffnen, mit der Regierung und auch den Sicherheitsbehörden aneinander.

Von Pavel, der für eine gemäßigte konservative Politik steht, ist so ein Verhalten nicht zu erwarten. Nicht in allen Fragen dürfte er mit der liberal-konservativen Fiala-Regierung übereinstimmen. Seine Kompetenzen aber dürfte er nicht zu überschreiten versuchen und sich vielmehr darauf konzentrieren, Tschechien auch im Ausland zu repräsentieren.

Für das Wahljahr 2023 kann Pavels Sieg als Zeichen gewertet werden, dass in Ostmitteleuropa pro-europäische, bürgerliche Kräfte zulegen können. Im Herbst wird in den Nachbarländern Polen und Slowakei gewählt.