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Der teure Zwang zur Ladesäule

Eine geplante EU-Regulierung stürzt Deutschlands Handelsunternehmen in ein Dilemma. Es geht dabei um den Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos auf Parkplätzen, beispielsweise von Supermärkten oder Baumärkten. Dort haben viele Händler inzwischen Ladepunkte installiert, weil das ein attraktives Zusatzangebot für ihre Kunden ist – die EU-Kommission will den Ausbau nun aber deutlich beschleunigen.

Die geplante Regulierung ist Teil einer neuen EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie, kurz EPBD, die in dieser Woche im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments diskutiert wird. Darin stecken in Artikel zwölf Vorgaben zu Ladepunkten und zur Vorverkabelung von Stellplätzen auf Parkflächen von sogenannten Nichtwohngebäuden. Diese Vorgaben gehen den deutschen Händlern deutlich zu weit.

Ausbau ja, aber ohne Zwang – so könnte man die Position der Händler in etwa zusammenfassen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) weist darauf hin, dass Ladesäulen für Elektroautos auf den eigenen Parkplätzen vielerorts bereits ein Standard in Deutschland seien.

Schon 15 Prozent der öffentlich zugänglichen Ladepunkte stehen laut HDE auf Flächen von Supermärkten, Discountern, Möbelhäusern oder Baumärkten. Bei den Schnellladesäulen, die durch höhere Leistung eine kürzere Ladedauer ermöglichen, habe der Handel hierzulande sogar einen Marktanteil von rund einem Drittel. Und weitere sollen folgen. Nur nicht so, wie sich das Brüssel vorstellt.

Die Lobbyisten des HDE versuchen daher Einfluss zu nehmen bei den zuständigen EU-Parlamentariern im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE). Dieses Gremium stimmt am Donnerstag über einen Kompromissvorschlag zur neuen Regulierung ab.

Der sieht bislang vor, bei Parkplätzen von neuen und renovierten Gebäuden jeden fünften Stellplatz mit einer Ladesäule auszustatten und alle übrigen bereits passend zu verkabeln. Bei Bestandsimmobilien wiederum soll jeder zehnte Parkplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet werden.

Einzelhandel fordert flexible Lösungen

„Die Anforderungen an den Einzelhandel zum Ausbau der Ladeinfrastruktur sind nicht ausgewogen“, beklagt Antje Gerstein, Geschäftsführerin Europapolitik und Nachhaltigkeit beim HDE, in einem Schreiben, das WELT exklusiv vorliegt.

„Die besonderen Gegebenheiten des Lebensmitteleinzelhandels und die Bedürfnisse der Kunden werden nicht berücksichtigt, führen zu einer erheblichen einseitigen Kostenbelastung und schaffen gesetzliche Impulse für den Aufbau nicht bedarfsgerechter Infrastruktur, die zu großen Ressourcen- und Netzproblemen führen würde.“

Gerstein appelliert an die EU-Politiker, flexible und bedarfsgerechte Lösungen zuzulassen, statt Vorgaben per Gießkannenprinzip zu verordnen. „Da der Bedarf an Ladeinfrastruktur sehr unterschiedlich ist, sollte eine Anpassung der Vorschriften für Mitgliedstaaten je nach Standort und Bedürfnissen möglich sein“, fordert die Lobbyistin.

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Zudem müsse es einen Bestandsschutz für bestehende Gebäude geben. Dort zeige die bisherige Erfahrung eine höchst unterschiedliche Auslastung bestehender Säulen. In Deutschland zum Beispiel gebe es in Städten deutlich mehr E-Autos als auf dem Land, das müsse berücksichtigt werden.

„Sinnvoll wäre es, nachfrageorientiert und mit angepasstem Tempo vorzugehen, statt mit aller Gewalt eine Mobilitätswende zu erzwingen“, sagt Gerstein im WELT-Gespräch. Das sei nichts als purer Aktionismus.

Der HDE fordert, nicht die Anzahl an Ladepunkten zur entscheidenden Größe zu machen, sondern die installierte Ladeleistung. „Mit wenigen Schnellladepunkten können wesentlich mehr Fahrzeuge versorgt werden als mit vielen AC-Ladepunkten.“

Langsame Ladesäulen helfen beim Einkauf nicht

Und gerade beim Einkaufen seien effiziente Säulen wichtig. „Die durchschnittliche Verweildauer in den Läden liegt bei 30 Minuten. Da ist der Reichweitengewinn bei einer klassischen Säule natürlich überschaubar“, erklärt Gerstein. Die bloße Errichtung von Ladepunkten helfe der E-Mobilität also nicht weiter und bringe lediglich hohe Kosten mit sich.

Große Zahlen für den Ausbau des Ladenetzes sind in der Politik dennoch beliebt. So strebt die Bundesregierung an, bis zum Jahr 2030 eine Million Ladepunkte in Deutschland zu schaffen. Zeitgleich sollen dann 15 Millionen E-Autos im Land zugelassen sein.

Um dieses Ziel zu erreichen, müsse das derzeitige Ausbautempo verfünffacht werden, heißt es beim Verband der Automobilindustrie (VDA). Es brauche mehr Tempo, „denn noch immer ist die Lücke zwischen E-Autos und Ladepunkten groß“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller WELT AM SONNTAG. Aktuell kämen in Deutschland statistisch 23 E-Autos auf einen Ladepunkt. „Der Erfolg der E-Mobilität steht und fällt mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Menschen brauchen die Gewissheit, überall und zu jeder Zeit unkompliziert laden zu können.“ Die EPBD-Richtlinie spiele daher eine mitentscheidende Rolle, um einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität zu ermöglichen.

Wobei Supermarktparkplätze in den Plänen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kaum Erwähnung finden. Der im Herbst vorgelegte „Masterplan Ladeinfrastruktur 2“ konzentriert sich im Wesentlichen auf Ladesäulen im öffentlichen Raum.

Und er sieht eine Arbeitsgruppe von Ministerium, HDE und Kommunen vor, die bis im dritten Quartal dieses Jahres einen Leitfaden entwickeln soll „für eine praktikable und rechtssichere Nutzung von Ladeinfrastruktur auf gewerblichen Parkplätzen außerhalb der Öffnungszeiten“.

Aufgebaut werden die Säulen vor dem Supermarkt von denselben Anbietern, die auch große Ladeparks betreiben. Beispielsweise vom Marktführer EnBW oder dem derzeit zweitgrößten Ladesäulenbetreiber Aral Pulse. Die Probleme sind dieselben wie auf anderen Flächen.

Engpass bei Stromanschlüssen und Netzen

Als Engpass gilt vor allem der Anschluss ans Stromnetz. Dieses Problem würde sich mit der geplanten Regulierung deutlich verschärfen, warnt der HDE: „Aus energiewirtschaftlicher Sicht kommt erschwerend hinzu, dass die Netzanbindung aufgrund des höheren Leistungsbedarfs bei konzentrierten Standorten neu gestaltet werden müsste“, heißt es bei dem Verband. Dadurch könnten die Netzentgelte erheblich steigen und zusätzliche Transformatoren nötig werden.

Das weiß offenbar auch die Bundesregierung, die nach Aussage von Gerstein „nicht glücklich ist“ mit den aktuellen EU-Plänen. Nach der Beratung im ITRE-Ausschuss und im Plenum des EU-Parlaments wird die Regulierung in die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, EU-Kommission und dem Rat gehen. Dort könnte sich noch etwas ändern. Aktuell lägen die Positionen aller drei Institutionen aber nicht weit auseinander.

Für den Handel würden die Pläne hohe Kosten bedeuten. Pro Schnellladesäule samt Netzanschluss rechnet der HDE mit rund 30.000 Euro. „Die Investitionspflicht für einen typischen bestehenden Supermarkt mit 45 Stellplätzen beläuft sich auf einmalig bis zu 135.000 Euro plus laufende Kosten pro Jahr. Für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel wäre das ein sofortiges Investitionsvolumen von knapp unter vier Milliarden Euro“, rechnet Gerstein vor.

Bei Neubauten und zu renovierenden Filialen müssten gemäß aktuellem Kompromiss doppelt so viele Stellplätze mit einem Ladepunkt ausgestattet werden, damit liege der finanzielle Mehraufwand bei 270.000 Euro pro Markt.

Hinzu kämen die Kosten für die Vorverkabelung, die auf weitere rund 60.000 Euro pro Filiale geschätzt werden. „Das können wir nicht allein bezahlen“, sagt Handelslobbyistin Gerstein, die als Alternative die Verlegung von Leerrohren statt einer vollständigen Verkabelung vorschlägt. Dann könne später einfach, schnell und bedarfsgerecht nachgerüstet werden.

HDE fordert Kooperation mit Versorgern und Autoindustrie

Unabhängig von der finalen Ausgestaltung fordert der HDE von der Politik, andere Branchen mit ins Boot zu holen. „E-Mobilität ist nicht unser Geschäftsmodell“, erklärt Gerstein. Die Autoindustrie und die Energieversorger müssten an den Kosten beteiligt werden, um eine faire Lastenverteilung zu erreichen.

Tatsächlich investieren diese beiden Branchen bereits massiv in den Ausbau der Ladeinfrastruktur im Land. Allein der Volkswagen-Konzern will bis 2025 in Europa 45.000 Schnellladepunkte errichten. Dazu kooperieren die Wolfsburger mit Stromkonzernen wie Enel oder Iberdrola. Allerdings liegen Supermarktparkplätze dabei nicht im Fokus. Schließlich handelt es sich dabei um Privatgrundstücke – und einen zusätzlichen Service des Händlers für dessen Kunden.

„Die deutsche Automobilindustrie wird weiterhin ihren Beitrag zum Erfolg der Elektromobilität leisten. Ihre Anstrengungen beim Ausbau der öffentlichen und nicht-öffentlichen Ladeinfrastruktur wird sie weiter fortsetzen“, kündigt VDA-Chefin Müller an.

Unbestritten ist, dass Stecker vor dem Supermarkt in Zukunft eine bedeutende Rolle für die Elektromobilität spielen werden. Denn Laden ist nicht wie Tanken, man muss dazu nicht unbedingt an eine Tankstelle fahren. Sondern es geht auch nebenbei, zum Beispiel während eines Einkaufs.

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