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Der vegane Absturz: Beyond Meat & Co.: auf den Hype folgt die Ernüchterung

Vegane Alternativen zu Fleisch oder Kuhmilch sind im Supermarkt immer gefragter. Doch an der Börse haben die Hersteller ihre besten Zeiten hinter sich. Die Aushängeschilder der Branche notieren 90 Prozent unter ihrem Allzeithoch. Schuld sind unter anderem die Inflation und die Politik.

Für einen Moment schien die Welt auf dem Weg in eine Zukunft ohne Fleisch. 2020 war das, wenige Monate nach dem Corona-Ausbruch. McDonald's verkaufte den McPlant, einen veganen Burger, Supermärkte reservierten ganze Kühlregale für Fleischersatzprodukte und Berliner Baristas nutzten standardmäßig Hafer- statt Kuhmilch.

Heute ist die Welt eine andere: McDonald's verkauft den McPlant nicht mehr, die Zahl der Lebensmittel-Startups nimmt in Deutschland ab – und immer mehr Hersteller berichten von Problemen. Jüngstes Beispiel: Beyond Meat, früher Hersteller des McPlants und der wohl bekannteste Anbieter von Fleischersatzprodukten. Die Kalifornier kündigten nun an, knapp ein Fünftel ihrer etwa 1000 Mitarbeiter zu entlassen. Außerdem müssen vier Top-Manager gehen (darunter der umstrittene COO Doug Ramsey, der im September einem Passanten in die Nase gebissen hatte).

Die Probleme bei Beyond Meat gehen tief – und lassen sich in weiten Teilen der Branche beobachten. Das ist die Lage: Food-Startups wachsen zwar weiter, allerdings deutlich schwächer als erhofft. Beyond Meat rechnete zu Jahresbeginn noch mit einem Wachstum von 33 Prozent für 2022. Stattdessen fiel der Umsatz im vergangenen Quartal um 22 Prozent – und letztlich war sogar der Verlust größer als der Umsatz. Fürs Gesamtjahr dürfte das Umsatzwachstum immerhin im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen. Ähnlich sieht es beim gefeierten Hafermilchproduzenten Oatly aus, der bis Oktober doppelt so viel Geld verbrannte wie im Vorjahreszeitraum.

Beyond Meat verliert 95 Prozent

Das schlägt sich auch im Aktienkurs nieder. Vom Allzeithoch bei 209 Euro ist Beyond Meat mittlerweile 95 Prozent entfernt. Ein Anteilsschein des Fleischersatzherstellers kostete zuletzt nur noch 13 Euro. Die Aktie von Oatly schneidet ebenso schlecht ab und notiert 90 Prozent unter dem Allzeithoch bei derzeit 1,77 Euro.

Doch woran liegt das? Probleme haben die Hersteller vor allem im wichtigen Antriebsmarkt USA. Laut Analysehaus Mizuho Americas werden dort seit 22 Monaten in Folge weniger Tierersatzprodukte hergestellt. Dazu zählen Fleisch-, aber auch Milchsubstitute. Hauptgrund dafür ist die galoppierende Inflation. Noch immer kosten Produkte von Beyond Meat, Endori oder Greenforce deutlich mehr als herkömmliches Fleisch – der Unterschied pro Kilo beträgt hierzulande etwa 2 Euro. Und jetzt, da die Preise in allen Lebensbereichen steigen, halten Konsumenten ihr Geld zusammen, erst recht bei höherpreisigen Produkten.

In den USA gibt es aber noch einen zweiten wichtigen Effekt, der etwas mit Politik zu tun hat. Fleischersatz wird dort häufig als "woke" betrachtet, wer ihn konsumiert, entsprechend als links. Die Polarisierung im Land führt dazu, dass die Produkte für Teile der Gesellschaft ungenießbar werden. "Go woke, go broke", war einer der Schlachtrufe, den rechte Gruppen in sozialen Medien großflächig teilten.

Nebenbei verfängt aber auch das Versprechen immer weniger, dass die pflanzlichen Produkte gesünder und kalorienärmer seien. Faktisch sind sie das in der Regel nur selten. Über viele Jahre griffen aber US-Konsumentinnen und -Konsumenten auch aus diesem Grund zu den Produkten, wie eine Deloitte-Studie herausfand. Inzwischen nehme die Zustimmung zu dieser Aussage aber ab, ermittelten die Autoren – und entsprechend verlangsamt sich auch das Wachstum.

Branche wächst weiter

Nichtsdestotrotz, und das ist wichtig, wächst die Branche in vielen Teilen weiter. In Deutschland etwa beobachten die Konsumforscher der GfK ein wachsendes Interesse, das sich allenfalls vorübergehend abgekühlt hat. "Die Menschen haben den Appetit nicht verloren", sagt Robert Kecskes. "Von der Umsatzseite sind Fleischalternativen noch die Kategorie, die am stärksten wächst im Einzelhandel."

Während der Gesamtmarkt im ersten Halbjahr 2022 um drei Prozent eingebrochen ist, wurden zwölf Prozent mehr Fleischalternativen verkauft. Aber auch dieser Wert ist weit unter den Erwartungen von 30 Prozent und mehr Wachstum – das erklärt die Turbulenzen an den Finanzmärkten, wo sich die Korrekturen in den Aktienkursen von Beyond Meat & Co. niederschlagen.

Dass Fleischalternativprodukte in Sachen Nachfrage gegenüber dem Gesamtmarkt trotzdem besser abschneiden, erklärt Kecskes durch die Inflation: "Wir sehen starke Preiserhöhungen bei konventionellem Fleisch, zum Beispiel bei Rind, das im August 22 Prozent angezogen hat. Bei Fleischersatz waren es nur 2,8 Prozent. Auch diese Entwicklung stärkt natürlich den Konsum von Fleischersatzprodukten." Aktuell liege ein Kilo Frischfleisch bei etwa 9,17 Euro, ein Kilo Fleischersatz koste durchschnittlich 12 Euro – und die Differenz wird aktuell Monat für Monat geringer.

Wie viel Wachstum jetzt noch im Markt steckt, bestimmen zwei Faktoren: die Konsumenten und der Mix der Produzenten. Bereits jetzt kaufen 30 Prozent aller deutschen Haushalte mindestens einmal pro Halbjahr Fleischersatzprodukte. Geht man davon aus, dass tendenziell alle Fleischkonsumenten auch potenzielle Konsumenten für Substitute sind, sind weitere 45 Prozentpunkte drin.

Große Player verdrängen Startups

Das stellt allerdings noch immer ein riesiges Wachstumspotenzial dar, und deshalb interessieren sich auch immer mehr große Produzenten für den Markt. Schon heute verkauft die Rügenwalder Mühle mehr vegane Produkte als herkömmliches Fleisch. Auch Unilever und Nestlé haben eigene Produkte am Markt. Gerade das führt aber zu Problemen bei First Movern wie Beyond Meat und Oatly, die zwar zuerst im Markt waren, jetzt aber um ihre Listung in den Supermärkten kämpfen müssen.

Dazu kommt mitunter noch schlechtes Management: Im Jahresvergleich ist die Rohmarge von Beyond Meat beispielsweise von plus 21,5 Prozent auf minus 17,4 Prozent gesunken. Mit jedem investierten Euro verliert das Unternehmen also 17 Cent. Der Versuch, Preisführerschaft im Markt nachzuweisen, ist damit wohl gescheitert – vom First-Mover-Vorteil als Marktpionier spricht niemand mehr bei Beyond Meat.

Und so könnte sich letztlich das zeigen, was den Lebensmittelmarkt schon lange prägt: Die Großen machen das Rennen – und übernehmen irgendwann die Kleinen. Dass der Markt für Fleischersatz allerdings schon wieder tot ist, dafür gibt es keine Anzeichen. "Wir sind langfristig positiv gestimmt für einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren", erklärt daher auch John Baumgartner von Mizuho America. "Aber in zehn Jahren wird noch nicht viel passiert sein."

Der Artikel erschien zuerst bei Capital.de.