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Deutschland: Inflation schwächt sich im November leicht auf 10,0 Prozent ab

Einkaufsstraße in München: Viele wollen den Gürtel enger schnallen

Einkaufsstraße in München: Viele wollen den Gürtel enger schnallen

Foto: Wolfgang Maria Weber / IMAGO

Die Inflation in Deutschland hat sich erstmals seit Juli wieder leicht abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im November gegenüber dem Vorjahresmonat um 10,0 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Zuvor war die Jahresteuerungsrate drei Monate in Folge gestiegen und hatte im Oktober einen Wert von 10,4 Prozent erreicht.

Angeschoben wird die Inflation seit Monaten von Energie- und Lebensmittelpreisen. Energie kostete im November den vorläufigen Zahlen zufolge 38,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Oktober war ein Anstieg um 43 Prozent verzeichnet worden. Nahrungsmittel verteuerten sich im November um 21 Prozent. Gegenüber Oktober sanken die Verbraucherpreise insgesamt um 0,5 Prozent.

Die vergleichsweise hohe Inflation führt zu Kaufkraftverlusten und entwertet die Gehälter immer stärker. Im dritten Quartal waren die Einkommen zwar nominal 2,3 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Der Zuwachs wurde aber von den gestiegenen Verbraucherpreisen mehr als aufgezehrt. Unter dem Strich ergab sich ein realer, also um die Preisentwicklung bereinigter Lohnverlust von 5,7 Prozent. Dies war der höchste Rückgang seit Einführung der Statistik 2008.

Bereits in den drei Quartalen zuvor hatten die Menschen Reallohneinbußen hinnehmen müssen. Die Werte beschleunigten sich von minus 1,4 Prozent im Schlussquartal 2021 über minus 1,8 Prozent zum Jahresbeginn auf minus 4,4 Prozent im zweiten Quartal 2022. Auch ein derart langer Zeitraum mit Reallohnverlusten ist statistisch noch nicht vorgekommen. In den Nominallöhnen sind die Bruttogehälter einschließlich Sonderzahlungen enthalten.

Einer Umfrage zufolge schnallen viele Menschen wegen der steigenden Preise den Gürtel enger. Gut die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher kauft nach eigenen Angaben nur noch Produkte, die wirklich benötigt werden, wie das Marktforschungsunternehmens Nielsen IQ gestützt auf eine Umfrage unter mehr als 10.000 Personen berichtete.

Ökonomen sehen keinen Grund zur Entwarnung

Eine durchgreifende Entspannung bei der Inflation ist nach Einschätzung von Volkswirten vorerst nicht in Sicht. Erst ab dem Frühjahr dürfte die Inflationsrate deutlich sinken, weil dann die Gas- und Strompreisbremsen greifen und der Inflationsbeitrag des Öls nachlässt, argumentiert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Auch andere Volkswirte zeigten sich angesichts der neuen Daten nur vorsichtig optimistisch. »Für die EZB bringen die Daten keine nennenswerte Entspannung«, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. »Der Preisauftrieb lässt etwas nach, doch eine zweistellige Teuerungsrate in der größten Volkswirtschaft der Eurozone kann und darf nicht beruhigen.«

Auch nach Ansicht von Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung beseht für Entwarnung »nicht der geringste Anlass«. Die Rückkehr zur Preisstabilität gemäß dem Zwei-Prozent-Inflationsziel der Europäischen Zentralbank sei »weit und breit nicht in Sicht«. Rückläufige Energiepreise hätten bei dem leichten Rückgang geholfen, betonte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. »Das könnte der Startschuss für einen weiter abnehmenden Inflationsdruck sein. Zum Jahreswechsel wird die Inflationsrate wohl schon einstellig werden.«

Gipfel in Sicht?

Als »Silberstreif am Horizont« bezeichnete Holger Schmieding von der Berenberg Bank die Daten. »Mit Glück haben wir den Inflationsgipfel hinter uns. Aber der Rückgang im November geht ausschließlich auf geringere Ölpreise zurück.« »Wir nähern uns dem Gipfel, aber für einen Sturm der Begeisterung ist es noch zu früh«, sagte auch Carsten Brezeski, Chefvolkswirt von ING. »Erst ab dem ersten Quartal 2023 sollten wir den Höhepunkt definitiv erreicht haben.«

Teuerungsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden Raten um die zehn Prozent Anfang der 50er Jahre gemessen. Allerdings hat sich die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert.